Die Geschichte der Erfolgscreme: Mitarbeiter lüften neun "Florena"-Geheimnisse
Waldheim - Seife, Haarwasser, Parfüms: "Florena" war die beliebteste und meistverkaufte Kosmetikmarke der DDR. Jetzt zieht das Traditionswerk von Waldheim (bei Döbeln) in eine neue Produktionsstätte nach Leipzig-Seehausen um - Anlass, um noch einmal alte Erinnerungen herauszukramen. Hier erzählen der langjährige Betriebsratsvorsitzende Jürgen Sager (63) und der frühere Reklame-Chef Werner Rollow (84) neun Florena-Geschichten, die Ihr bestimmt noch nicht kanntet.
(1) "Der Extrakt für unser Florena-Birkenhaarwasser wurde in einem Forst bei Colditz gewonnen", erzählt Jürgen Sager. "Der Birkenextrakt wurde gereinigt, kam dann in die Haarwasserproduktion."
(2) Das Werk leistete sich eine eigene Produktionsentwicklungsabteilung. "Die musste manchmal auch bei der Reparatur der eigenen Maschinen improvisieren, weil Ersatzteile schwer zu beschaffen waren oder wie bei der Abfüllanlage von Bosch Devisen kosteten", weiß Sager. "Manchmal mussten sie Ersatzteile entwerfen und aus Kunststoff nachbauen, damit eine Maschine wieder zum Laufen gebracht werden konnte."
(3) Florena-Produkte wurden zu DDR-Zeiten in 31 Länder bis in die Sowjetunion (SU), Ungarn, aber auch ins NSW (nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) nach Südafrika, Südamerika und in die USA exportiert.
Sager: "Die Sowjetunion war auf süße Düfte wie Erdbeere und Banane regelrecht versessen." Manchmal verließ täglich ein Lkw das Werk Richtung Osten.
(4) "Um alle Ausgangsstoffe lagern zu können, wurden extra Scheunen in umliegenden Gemeinden angemietet, wo sie bei Bedarf von 14-Tonnern abgeholt wurden", erinnert sich Sager.
(5) Eine werkseigen Fußballmannschaft trat gegen Betriebssportgemeinschaften anderer Werke an. Sager: "Im Sommer reisten manchmal Werksmannschaften für zwei Tage an. Nach den Spielen wurde gefeiert." Bis heute laufen die Waldheimer Werksfußballer in Trikots der typischen Florena-Farben blau-weiß auf.
(6) Bei Betriebsfeiern spielte auf einer Bühne im Speisesaal die firmeneigene "Florena-Combo" - eine Tanzkapelle mit Gitarrist, Schlagzeuger, Orgelspieler. Insgesamt trat die Combo 176 Mal auf, war sogar einmal bei Heinz Quermann im TV zu Gast. Highlight war die "Blaulichtshow", bei der es in einer Lichtshow auf Weltreise ging - von Texas über Hawaii nach Mexiko und Moskau.
(7) Weil die Pflegeprodukte damals noch nicht in Plastikflaschen abgefüllt wurden, kaufte man Glas-Flacons aus Erntstthal und Pisau in Thüringen an. Die verschiedenen Duftmarken wurden beim VEB Chemisches Werk Miltitz (bei Leipzig) kreiert.
(8) Zur Werbe-Ikone und Botschafterin für glatte Haut wurde Inge Angermann. Das Model aus Leipzig war jahrelang das Werbegesicht für Florena-Cremes. Vorher dominierten Kleinanzeigen mit Strichmännchen und Märchenfiguren in schwarz-weiß die Florena-Werbung.
Die Leipzigerin wurde vom damaligen Reklame-Chef Werner Rollow (84) entdeckt. Doch eigentlich war es seine Frau Uta (81) - ohne es zu ahnen. "Ich zeigte ihr Fotos der Bewerberinnen. Sie fand die blonde Inge am sympathischsten - ich auch!" So kam Inge zum Model-Job. "Mit Uta bin ich übrigens seit 1959 glücklich verheiratet", sagt Rollow.
(9) Die frivole Duft-Werbung für das Cavalcade-Parfüm, bei der sich Model Inge auf einem Zebrafell räkelte, fiel beinahe durch die SED-Parteizensur. Rollow: "Sie entsprach angeblich nicht dem sozialistischen Frauenbild." Die Modezeitschrift "Sibylle" mit einer 10 000-DDR-Mark teuren Anzeigenkampagne sollte sogar komplett eingestampft werden.
Doch Rollow kämpfte für seinen Entwurf und gewann. Anfang der 1970er-Jahre wurde die Florena-Inlandswerbung aus Kostengründen jedoch eingestellt.
Titelfoto: Kristin Schmidt