Deutschlands erster AfD-OB vereidigt: Lochner gedenkt russischer Opfer
Pirna - Wegen der vielen interessierten Bürger hatte die Pirnaer Verwaltung die Stadtrats-Sitzung aus dem Rathaus in die größere Herderhalle verlegt. Dort wurde am Montagabend Deutschlands erster AfD-Oberbürgermeister Tim Lochner (54, parteilos, trat für die AfD an) öffentlich vereidigt.
Die 105 Stühle für Zuschauer sind voll besetzt, Ordnungsamt und Polizei sichern vor möglichen Störungen. "Ich bin gekommen, weil ich Herrn Lochner kenne. Er ist ein guter Handwerker gewesen. Will mal sehen, was heute hier passiert", sagt Horst Diewock (85).
Auch einige jüngere Zuschauer füllen die Halle. "Ich bin an Politik interessiert und finde Herrn Lochner dämlich. Ich möchte aber auch mal die Gegenseite erleben", sagt ein 15-Jähriger.
Lochner trägt kein Parteibuch, war zur Wahl im vergangenen Jahr aber für die AfD angetreten. Auf die Frage, welche Rolle es für ihn spiele, dass der sächsische Verfassungsschutz den AfD-Landesverband als "gesichert rechtsextremistisch" einstuft, hatte der Tischlermeister zu seinem Amtsantritt Ende Februar gesagt: "Gibt's keine Antwort von meiner Seite".
Die Verfassungsschützer sind überzeugt, dass Sachsens AfD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Dennoch leistete Lochner nach Sitzungsbeginn gemäß Sächsischem Beamtengesetz den festgeschriebenen Diensteid - auch auf die Verfassung.
Demonstranten des Bündnisses "Pirna ist bunt" vor Ort
Stadtrat Sebastian Gilbert (63, Fraktion Grüne/SPD) sprach mit Bezug auf frühere Äußerungen Lochners von "Doppelzüngigkeit". Teile des Publikums verließen zudem aus Protest die Halle.
"Ich schwöre, dass ich mein Amt nach bestem Wissen und Können führen werde, Verfassung und Recht achten und verteidigen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde. Ich gelobe es, so wahr mir Gott helfe", sprach Lochner.
Danach wurde er zudem "verpflichtet", heißt auf seine besonderen Amtspflichten hingewiesen. Die von einem Stadtrat vorgetragene Formel lautete: "Ich gelobe Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten. Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Stadt Pirna gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das seiner Bürger nach Kräften zu fördern." Lochner antwortete: "Ich gelobe es."
Anschließend rief er überraschend zu einer Schweigeminute auf, "um der Opfer des jüngsten Anschlages in der Nähe von Moskau zu gedenken". Störungen gab es bis dahin keine (außer mehrfacher nicht erlaubter Beifall-Bekundungen für Lochner).
Einige Demonstranten des Bündnisses "Pirna ist bunt" hielten eine Spontanversammlung vor der Halle ab, um Präsenz zu zeigen.
Titelfoto: Eric Münch