Der vermutlich einsamste Job in Sachsen: Brandwächter auf dem Turm im Wald

Hoyerswerda - Derzeit lodern in halb Europa die Wälder. Und auch in Sachsen ist es wegen der anhaltenden Dürre gerade besonders brenzlig. In dieser Saison hat sich die Zahl der Waldbrände schon verdoppelt. Wie gut, dass es Egon Lubrich gibt. Der 66-Jährige hält von März bis September auf einem einsam im Wald stehenden Feuerwachturm Ausschau nach aufglimmenden Bränden. Er ist einer der letzten seiner Art. Schon bald wird sein Wächteramt von elektronischen Systemen übernommen. Ein Besuch in der Lausitz.

Die Peileinrichtung: Mit Kimme und Korn hält Egon Lubrich (66) Ausschau nach möglichen Waldbränden. Im Zweifel hilft das Fernglas.
Die Peileinrichtung: Mit Kimme und Korn hält Egon Lubrich (66) Ausschau nach möglichen Waldbränden. Im Zweifel hilft das Fernglas.  © Thomas Türpe

"Wald-Penis" steht in schwarzer Krakelschrift auf dem Sockel des Feuerwachturms, ein paar Hundert Meter vom Ortsausgang Hoyerswerda Richtung Spremberg entfernt.

Es ist glühend heiß, der Waldboden bröseltrocken und eigentlich mag man bei dieser Hitze keinen Schritt tun. Bis zur komplett durchfensterten Kanzel des Turms sind es zehn Etagen à 14 Stufen, 32 anstrengende Höhenmeter. Also los, hilft ja nichts.

Oben wartet bereits Egon Lubrich - dunkle Jogginghose, helles T-Shirt, kleiner Wohlstandsbauch. Der Schwepnitzer ist etwas aufgeregt, sonst kommt nie Besuch. "Ich bin ein Radio-Freak", sagt er zur Begrüßung und knipst die Musik aus. So kann man sich besser unterhalten.

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Oben nur der stahlblaue Himmel und die unerbittliche Sonne. Unten wie eine Wiese 89.000 Hektar Wald. Lubrich beugt sich über die Peileinrichtung und demonstriert, wie sie funktioniert.

Über Kimme und Korn kann er Rauch oder Feuer im Wald exakt erfassen, den Brandort per Triangulation ermitteln und per Telefon an die Leitstelle durchgeben. Einmal alle zehn Minuten macht er einen Rundumschwenk.

Der Feuerwachturm, auf dem Egon Lubrich Dienst tut, ist 32 Meter hoch. Vier davon gibt es noch in der Lausitz, alle anderen sind bereits mit Kameras ausgerüstet.
Der Feuerwachturm, auf dem Egon Lubrich Dienst tut, ist 32 Meter hoch. Vier davon gibt es noch in der Lausitz, alle anderen sind bereits mit Kameras ausgerüstet.  © Thomas Türpe

Egon Lubrich ist einer der "Letzten seiner Art"

Thomas Sobczyk (57) teilt die Dienste der Wachmänner ein.
Thomas Sobczyk (57) teilt die Dienste der Wachmänner ein.  © Thomas Türpe

Ohne seine Oldies, sagt der ehemalige Heizungsmonteur, würde er den anstrengenden Dienst hier nicht aushalten. Von 10 bis 18 Uhr bei Waldbrandwarnstufe 2 bis 3, ab der Stufe 4 sogar bis 20 Uhr, und das bei bis zu 42 Grad trotz geöffneter Fenster.

"Fünf Jahre", sagt Thomas Sobczyk (57), dann dürfte der Job von Egon Lubrich in den Falten der Geschichte verschwunden sein. Sobczyk, offenbar immer gut gelaunt, macht im Landratsamt den Dienstplan für die Wachleute.

Vier gibt es noch, die anderen fünf Feuerwachtürme im Landkreis, und auch die in den angrenzenden Kreisen und im Brandenburgischen seien bereits mit elektronischen Kamerasystemen ausgerüstet, erzählt der Sachbearbeiter.

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Ob es irgendwo sonst noch Wachleute auf Feuerwachtürmen gibt? Sobczyk weiß es nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass Lubrich einer der "Letzten seiner Art" sei. Die Kiefern schweigen, scheinen aber bedächtig zu nicken.

Vom Wachturm aus hat man einen grandiosen Ausblick aufs Kraftwerk Schwarze Pumpe.
Vom Wachturm aus hat man einen grandiosen Ausblick aufs Kraftwerk Schwarze Pumpe.  © Thomas Türpe

"In zehn Minuten am Brandort zu sein, ist das Ziel"

Thomas Kittel (55) checkt am Computer die Bilder der Überwachungskameras.
Thomas Kittel (55) checkt am Computer die Bilder der Überwachungskameras.  © Thomas Türpe

Ortswechsel: In der Integrierten Rettungsleitstelle Hoyerswerda (IRLS) kontrolliert der Forstwirt Thomas Kittel (55) an einem von drei Computerarbeitsplätzen die Sequenzen, die die Kameras auf den Feuerwachtürmen aufnehmen.

Nicht jeder augenscheinliche Rauch ist auch welcher. Da sind die Staubfahnen des Tagebaus Welzow oder die Dreckwolken, die im Steinbruch Schwarzkollm aufgewirbelt werden. Rund 65-mal im Jahr ist es jedoch tatsächlich ein Waldbrand, weiß Thomas Kittel aus Erfahrung.

Im Ernstfall schickt der Lagedienstführer bis zu sieben Feuerwehren an den Brandort. Die Landkreise Bautzen und Görlitz verfügen zudem über zwei komplette Waldbrandlöschzüge, also je fünf Tanklöschfahrzeuge und ein Führungsfahrzeug mit jeweils 20 Mann Besatzung. "In zehn Minuten am Brandort zu sein, ist das Ziel", sagt René Zschiesche (46). Er ist heute Schichtführer. Er und seine Kollegen koordinieren bis 180.000 Einsätze im Jahr, vom Kochtopfbrand bis zum schweren Verkehrsunfall.

In seiner geschätzt zwölf Quadratmeter großen Kanzel auf dem Feuerwachturm dreht Egon Lubrich das Radio wieder auf. Ach, vor dem Gehen noch eins: Was wird in fünf Jahren, wenn - ausreichend Fördermittel vorausgesetzt - auch der letzte Feuerwachturm mit einer Kamera ausgerüstet sein wird? Lubrich grinst. Dann hat seine Frau eben wieder etwas mehr von ihm.

Die Lausitz ist derzeit brandgefährlich.
Die Lausitz ist derzeit brandgefährlich.  © Thomas Türpe

Der Feuerwachturm wurde einstmals in Sachsen erfunden

Der Wächter auf dem Feuerwachturm dokumentiert all seine Dienste akribisch.
Der Wächter auf dem Feuerwachturm dokumentiert all seine Dienste akribisch.  © Thomas Türpe

Das System von Feuerwachtürmen zur Warnung vor Waldbränden ist vielfach aus US-amerikanischen Filmen bekannt. Erfunden wurde es aber in Sachsen.

Den ersten Turm ließ Oberförster Walter Seitz (geboren1863) zwischen 1890 und 1900 im Muskauer Forst bei Weißwasser errichten. Die Informationen wurden zunächst durch Lichtsignale übermittelt.

1902 erhielt Seitz ein Reichspatent auf seine Idee. 1904 reiste er selbst zur Weltausstellung nach St. Louis (USA), um seine Erfindung zu promoten - und erhielt dafür prompt einen Preis. Der Rest ist Geschichte. Die des Oberförsters verlief in Teilen tragisch.

Als er 1902 einen legendären 18-Ender erlegte, wurde er dafür von seinem Standesherrn, dem Grafen von Arnim, dem diese Ehre selbstverständlich zugestanden hätte, entlassen.

Titelfoto: Thomas Türpe (2)

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