Von Adlerschießen bis Optik-Baukasten: Firma in Sachsen rettet DDR-Spiele-Klassiker
Kamenz - Adlerschießen, Optikbaukasten, Fangballspiel und Windrad: Die Spieleklassiker der DDR, die wohl in fast jedem Kinderzimmer in Sachsen zu Hause waren, haben in einem kleinen Betrieb in Kamenz überlebt. Dr. Harald Stephan (65) rettete sie in die Nachwendezeit und produziert die beliebten Spielzeuge bis heute. Doch die Zukunft ist ungewiss.
Die Güterbahnhofstraße 6 in Kamenz. In den 1950er Jahren begann hier Kurt Haufe Spielzeuge zu fertigen - Rasseln, Federbälle und Knallpistolen, später auch Optikbaukästen.
1972 wurde der Betrieb als VEB Plastverarbeitung und Schweißtechnik Dresden verstaatlicht. Das Werk II in Kamenz wurde schließlich 1977 ausgegliedert und der VEB Kamenzer Spielwaren entstand.
"Ich kann mich aus meiner Kindheit noch am besten an den Optikbaukasten und das Adlerschießen erinnern. Aber auch hinter den Wasser- und Ballpistolen, die hier produziert wurden, waren die Kinder hinterher", erzählt Harald Stephan, der 1986, nach seinem BWL-Studium, begann, beim Unternehmen zu arbeiten.
"In Hochzeiten hatte der Betrieb über 300 Angestellte", erinnert er sich. Die Spielzeuge waren damals aber nicht nur in der DDR beliebt. In großen Stückzahlen wurde in die BRD, nach Großbritannien, Skandinavien und sogar in die USA exportiert.
Mit der Wende kam auch das Ende
Heute ist von dieser blühenden Spielzeug-Ära auf der Güterbahnhofstraße nicht mehr viel geblieben. Denn mit der Wende kam auch das Ende. "Es wurde einfach alles stehen und liegen gelassen", erzählt der Unternehmer.
Bis heute, also über 30 Jahre später, entkernt und saniert er nach und nach das Gebäude. So könnte er sich vorstellen, dass hier zum Beispiel ein Museum einzieht. Genug alte Spielsachen von früher hätte er jedenfalls.
Und auch Neue. Denn in der angeschlossenen Produktionshalle rollen tatsächlich noch die DDR-Klassiker vom Band.
Eine alte KuASY 105/32 Trusioma stellt zum Beispiel seit den 1980er Jahren bis heute ganz zuverlässig kratzfeste Kunststoff-Linsen für die Optik- und Astrobaukästen her.
Gründung der Firma "Kunststofferzeugnisse Stephan"
"Das Gute an den alten Maschinen ist, wir haben noch Ersatzteile da und können zum Großteil alles selbst machen", erklärt Harald Stephan, der kurz vor der Wende zum Geschäftsführer des VEB wurde und den Betrieb als Kamenzer Spielwaren GmbH eigentlich weiterführen sollte.
"Doch dann sagte die Treuhand, dass dieser nicht rentabel sei und liquidiert werden sollte", ärgert sich der Unternehmer noch immer.
"Ich habe es einfach nicht verstanden. Und da wurde in mir der Ehrgeiz geweckt. Ich wollte denen von der Treuhand beweisen, dass sie sich irren."
Daraufhin gründete er die Firma Kunststofferzeugnisse Stephan, kaufte das Grundstück und die alten Maschinen und Werkzeuge, die für die Herstellung der Spielsachen gebraucht wurden.
Optikbaukästen waren der Verkaufshit
Doch aller Anfang - insbesondere in der Wendezeit - war schwer. "Keiner wollte mehr das Ostspielzeug", erinnert er sich. So versuchte er es mit Stereoboxen, experimentierte mit Babyspielzeug und erweiterte sein Portfolio um Sandspielzeug, dessen Werkzeuge er aus einem Zittauer Betrieb erwarb.
Doch der Verkaufshit blieben die Optikbaukästen, die er bis nach Amerika verkaufen konnte. Sogar Brillenhersteller interessierten sich für die Kunststofflinsen. "Viele haben auch noch ihre alten Baukästen im Schrank und fragen mich nach Ersatzteilen. Im Prinzip hat sich in den 30 Jahren ja nur die Verpackung geändert", sagt Harald Stephan.
"Inzwischen hat sich das Bewusstsein für DDR-Spielzeug zum Glück wieder geändert und es findet eine Rückbesinnung statt", freut er sich.
Die meisten Spielsachen verkauft er heutzutage über den Fach- und Internethandel, aber auch in seiner "Pfennig Oase" (Montag-Freitag 9-18 Uhr, Samstag 9-12 Uhr), die sich ebenfalls auf dem Grundstück befindet.
Stephan will Spielzeug-Erbe an nächste Generation weitergeben
Doch allein vom DDR-Spielzeug könnte der Kamenzer nicht leben. Auch weil seine Maschinen damit nicht ausgelastet wären.
So produziert er außerdem Rasengitter und Kunststoffteile für die Bauindustrie, zum Beispiel Mauerwerkskeile. Trotzdem: Sein Herz schlägt vor allem für die DDR-Spielzeuge, insbesondere das Adlerschießen, von dem es inzwischen sechs verschiedene Varianten gibt, darunter eine Kamenzer Forstfest-Edition.
Und so hofft Harald Stephan, dass er sein Spielzeug-Erbe an die nächste Generation weitergeben kann.
"Ich hoffe, dass es in den nächsten Jahren ein Nachfolger übernimmt", sagt er etwas wehmütig, wenn er daran denkt, dass die Geschichte der DDR-Klassiker aus Kamenz auch mit ihm enden könnte. Infos unter www.ks-stephan.de.
Titelfoto: Norbert Neumann