Hunderte Bußgelder für Impfverweigerer in Sachsen!
Dresden - Sachsen schnieft und niest - Erkältungszeit! Die Grippewelle grassiert im Freistaat. Auch die Corona-Zahlen steigen wieder an. Eine Impfung mildert in beiden Fällen die Verläufe oder schützt vor den Viren. Genau so war das auch bei der Masern-Impfpflicht gedacht. Doch Hunderte Kita- oder Schulkinder, Lehrer und Angestellte im Gesundheitssystem verweigern die Pflichtspritze. Jetzt verschicken die Gesundheitsämter Bußgeld-Bescheide und verhängen Betretungsverbote.
Am 1. März 2020 trat das Masernschutzgesetz in Kraft. Damit sollen vor allem Schul- und Kindergartenkinder vor der hochansteckenden und fieberhaften Virus-Erkrankung mit Komplikationen wie Gehirnentzündungen geschützt werden.
Bereits bis zum 31. Juli 2022 mussten Betroffene einen Impfnachweis oder eine medizinische Ausschlussindikation vorlegen. Doch Hunderte haben bis heute nicht reagiert.
Für die Umsetzung der Masern-Impfpflicht sind die Gesundheitsämter der kreisfreien Städte und Landkreise verantwortlich.
Was passiert, wenn die Impfung fehlt? "Wir schreiben dann die Eltern betroffener Kinder oder Angestellte in Schulen oder Kitas mit der Auflage an, den Impfnachweis innerhalb von vier Wochen bei uns vorzulegen", sagt Dr. Steffi Melz (48), Gesundheitsamtsleiterin des Landkreises Nordsachsen.
Gleichzeitig werde eine Impfberatung angeboten. Melz: "Die meisten nehmen diese jedoch leider nicht in Anspruch." Passiert weiterhin nichts, folge eine Anhörung mit Androhung eines Bußgeldes bis zu einer Maximalhöhe von 2500 Euro.
"Außerdem kann laut Paragraf 20 des Infektionsschutzgesetzes betroffenen Kindern ein Hort-Verbot auferlegt werden – allerdings kein Schulverbot, weil Schulpflicht vor Impfpflicht geht. Angestellte Lehrer und Kita-Betreuer müssen mit einem Betretungsverbot rechnen", erklärt Dr. Melz.
Lauter Bußgeldbescheide in ganz Sachsen
Eine Umfrage in den Landkreisen zeigt recht unterschiedliche Zahlen bei eingeleiteten Bußgeldverfahren und verhängten Betretungsverboten.
So wurden allein im Landkreis Meißen bislang 523 Personen angemahnt und durch das Kreisordnungsamt 111 Bußgeldbescheide verhängt.
"In 34 Fällen wurde die Geldbuße gezahlt", sagt Sprecherin Anja Schmiedgen-Pietsch. Weitere Verfahren seien im Vollstreckungsverfahren durch die Kämmerei.
Im Erzgebirgskreis wurden dieses Jahr 212 Bußgeldbescheide erlassen, davon 176 abgeschlossen. Das Landratsamt Bautzen verschickte 185 Bescheide, von denen 32 bereits bezahlt und sieben per Gerichtsbeschluss eingestellt wurden.
Der Landkreis Leipzig zählt aktuell 19 eingegangene Zahlungen bei 94 Bußgeldbescheiden. "21 wurden eingestellt, da der Nachweis nachträglich erbracht wurde", sagt Pressesprecherin Belinda Reg’n.
Die Stadt Chemnitz hat insgesamt 653 Fälle bearbeitet und 24 Bußgeldbescheide erlassen - bezahlt wurde bisher keiner.
"Betretungsverbote sind noch in Bearbeitung, weil zunächst die Corona-Pandemie die Ressourcen gebunden hat", sagt Antje Becher von der Pressestelle. Das Landratsamt Nordsachsen hat bereits drei Betretungsverbote für Einrichtungen ausgesprochen. "Aktuell liegen zudem vier Fälle für Bußgeldbescheide in unserer Bußgeldstelle", sagt Stabsstellenleiter Thomas Seidler.
"Das Amt für Gesundheit und Prävention der Stadt Dresden hat in 31 Fällen ein Betretungsverbot aufgrund eines nicht erbrachten Immunitätsnachweises erlassen", sagt Amtsleiter Dr. Frank Bauer. "Davon konnten bisher 19 Bescheide wieder aufgehoben werden." Zudem wurden 27 Bußgeldbescheide erlassen, von denen aktuell drei bezahlt sind.
Die Grippe in Zahlen
Drei Virus-Typen unterscheidet man bei der Grippe - A, B und C. Für die jährlichen Grippewellen sind vor allem A-, aber auch B-Viren verantwortlich. Weil diese sich schnell - insbesondere die A-Variante - verändern, kann keine dauerhafte Immunität aufgebaut werden.
Ein bis zwei Tage nach Ansteckung schlagen bereits Grippe-Symptome an. Denn typisch für die echte Grippe: Die Symptome kommen schlagartig. 90 Prozent der Erkrankten haben dabei Fieber über 38 Grad und Husten, klagen zudem über Schüttelfrost. In 80 bis 85 Prozent der Fälle kommen Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Unwohlsein dazu, bei 60 bis 75 Prozent Muskelschmerzen. Gut die Hälfte der Betroffenen hat Halsschmerzen.
Nach fünf bis sieben Tagen schwächt sich die Grippe bei einem unkomplizierten Verlauf ab. Husten hingegen kann darüber hinaus länger anhalten. Als häufigste Komplikationen, die auch zum Tode führen können, gelten Lungen-, Gehirn- und Herzmuskelentzündungen.
30.675 Influenza-Erkrankungen gab es in der Grippesaison 2022/23 in Sachsen - die zweithöchste Fallzahl (2017/18: 47.765 Fälle) seit der Einführung der elektronischen Meldung 2001. Davon gingen etwa 27.000 Fälle auf das Konto von Influenza-A-Viren. 28 Prozent der Grippe-Erkrankungen hatten Kinder bis 14 Jahren sowie 25- bis 49-Jährige. Elf Prozent machten die über 70-Jährigen aus.
127 Grippetote gab es in der letzten Grippesaison in Sachsen - die zweithöchste Zahl (2017/18: 168) seit 2001.
Weniger als 25 Prozent betrug die Durchimmunisierungsrate im Herbst/Winter 2022 - der niedrigste Wert der letzten zehn Jahre. Der Ziel-Durchimpfungsgrad der EU liegt bei 75 Prozent für Senioren.
Hohe Dunkelziffer bei Corona-Kranken
Laut Landesuntersuchungsanstalt Sachsen (LUA) wird die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen neben den typischen Erkältungsviren derzeit hauptsächlich durch eine zunehmende Zahl von Corona-Infektionen verursacht.
Allein in der letzten Oktoberwoche waren in Sachsen 1365 SARS-CoV-2-Fälle gemeldet worden. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, gibt es doch keine flächendeckenden PCR-Tests mehr.
Die höchsten altersspezifischen Inzidenzen werden derzeit bei Säuglingen beobachtet, gefolgt von der Altersgruppe der ab 65-Jährigen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zur Impfung - und zwar gegen Influenza und Corona gleichzeitig: "Die Injektion sollte jedoch jeweils an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgen."
Seit Saisonbeginn wurden in Sachsen insgesamt elf Todesfälle infolge einer SARS-CoV-2-Infektion übermittelt. Bei den Verstorbenen handelt es sich um sechs Männer und fünf Frauen im Alter zwischen 79 und 90 Jahren.
"Eine neuerliche gesonderte Impfkampagne gegen das Coronavirus ist seitens des Sozialministeriums aktuell nicht geplant", sagt Referentin Dr. Theresa Schmotz.
Titelfoto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa