Bürgerrechtler Klaus Gaber: "In Sachen Klima waren die 30 Jahre verlorene Jahre!"
Dresden - "DDR-Bürgerrechtler" - das klingt nach homogener Gruppe und ewigem Dank des Volkes. Allein die sächsischen Persönlichkeiten Arnold Vaatz (65, CDU), Frank Richter (60, parteilos) und Klaus Gaber (77, Grüne) zeigen, dass das nicht stimmt. Der eine wird im Alter noch grantiger, der zweite findet erst jetzt in die aktive Politik, Gaber ist fast unbekannt. Dabei verkörpert gerade er, wie Besonnenheit und Bescheidenheit wirken können.
Gaber kommt mit dem Rad. Klar. Wenn es nicht gerade stark wettert, rauscht der Mitbegründer von Bündnis90/Grüne in Sachsen immer mit dem Velo vom Dresdner Elbhang in die Stadt. Auch als Umweltbürgermeister fuhr er so zur Arbeit, bis 1994 in den Landtag - obwohl seine Zeit als alleinerziehender Vater von vier Kindern (die Mutter, seine erste Frau, war gestorben) knapp bemessen war.
Oberflächlich betrachtet genügt Gaber auch sonst dem Klischee des ostdeutschen Oppositionellen: buschiger Bart, leise Stimme, christliche Bindung, gütiger Blick.
Innerlich aber braust es. "Die Corona-Krise ist schlimm, aber reversibel. Die Klimakrise nicht", sagt er scharf.
Auch wenn sich seit 1990 hierzulande regional vieles zum Guten gewandelt habe: "Global waren die 30 Jahre verlorene Jahre. Das macht mich unheimlich traurig."
Klaus Gaber plädiert: "Wir leben in einer Wendezeit. Wir müssen aus dem Stillstand herauskommen."
Gemahnt hat er früh, so bei der Großdemo Dezember 1989 auf dem Dresdner Theaterplatz, wo er mit einer toten Fichte stand. "Damals war es eine Prognose, heute ist es Realität", sagt er und berichtet von einer Tour durch die Sächsischen Schweiz jüngst. "Flächenweise tote Bäume. Ich war so erschüttert."
Er plädiert dafür, die Krise (die gesellschaftliche, die Corona-Krise) als Chance zu nutzen. "Wir leben wieder in einer Wendezeit. Wir müssen aus diesem Stillstand herauskommen."
Gaber sieht den gesellschaftlichen Konsens gefährdet. "Was wir nun brauchen, ist eine gesellschaftliche Vision. Denn der Bindekitt unserer Gesellschaft bröselt. Wir dürfen nicht zerreden, was uns einst."
Da sei er ein Konservativer, der Werte bewahren will, "um sie produktiv für eine Zukunft entwickeln".
Er zitiert den Architekten LeCorbusier: "Man macht keine Revolutionen, indem man aufbegehrt, man macht Revolutionen, indem man Lösungen bringt."
Gabers Visionen wurden real
Dass Visionen real werden können, zeigt ein Beispiel: "1993 regten wir als Grüne die Gründung einer Landes-Energieagentur an, auch in Richtung Erneuerbare Energien und Energieeinsparung. 14 Jahre später hat die CDU diesen Antrag gebracht", so Gaber. Ergebnis: die Sächsische Energieagentur, SAENA.
Der stille Mahner kann auch hörbar stolz sein: Auf seine nun erwachsenen vier Kinder, wie er betont, und auf die drei "Kleinen" mit seiner zweiten Frau. Gegenüber den Großen hängt er sogar hinterher: alle sind Veganer, er "nur" Vegetarier.
Als Grüner wirkt er weiter aktiv, privat betreut er in seiner Kirchgemeinde auf dem Weißen Hirsch das "Politische Nachtgebet". Themen sind "Kirche im Nationalsozialismus" oder auch "Wir schaffen das! Haben wir das geschafft?"
Streitbares, geschaffen für einen Kämpfer wie ihn, der schon einmal die Gesellschaft verändern half.
Das ist Klaus Gaber
Klaus Gaber wird am 19. Juni 1943 in Bad Wilsnack geboren. Nach Schule und Abitur studiert er in Dresden an der TU Elektrotechnik. Abschluss 1968 als Diplom-Ingenieur.
Danach arbeitet er bis zur Wende im einzigen privaten Forschungsinstitut der DDR, Manfred von Ardenne. Als Spezialist für Elektronenstrahltechnologie entwickelt er ein Verfahren zur physikalischen, und damit umweltfreundlichen Beize von Getreide.
Früh engagiert sich Gaber in basisdemokratischen Gruppen der evangelischen Kirche. Zur Friedlichen Revolution arbeitet er in der "Gruppe der 20" mit.
Anfang 1990: Stadtrat der Basisdemokratischen Fraktion.
Zur ersten Landtagswahl Oktober 1990 erringt er ein Abgeordnetenmandat für die Grünen, 1993/94 ist er Fraktionschef.
Im September 1994 scheitern er und seine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde.
Titelfoto: Montage: Holm Helis (2)