Bauern-Proteste legen Verkehr in weiten Teilen Sachsens lahm: Doch manch einer wollte mehr
In Dresden schafften es Rechtsextreme, so viele Demonstranten auf die Straßen zu locken wie schon lange nicht mehr. Dabei kam es zu tumultartigen Szenen.
Das frühe Aufstehen liegt den meisten Landwirten im Blut, und so war es nicht verwunderlich, dass gegen 6 Uhr trotz Dunkelheit und Frost die meisten Autobahnauffahrten mit Traktoren und anderem Großgerät versperrt waren. So hatte an der Auffahrt Dresden-Altstadt ein Bauer sein Gefährt gleich mit einer Kanone und einem Misthaufen versehen.
"Es handelt sich dabei um Kundgebungsmittel", sagt Polizeisprecher Marko Laske (49). "Nichts Verbotenes." Lange Staus blieben an dieser Stelle aus, denn offenbar wussten die meisten von den Blockaden.
Im erzgebirgischen Bärenstein blockierten Landwirte die Grenze zu Tschechien, bei Zittau wiederum blockierten Bauern die Bundesstraße 178 und damit die Grenze zu Polen. In Meißen wiederum legten sie die Elbbrücke lahm.
Verletzte bei Demo
"Ich bin heute hier, um zu zeigen, dass es so nicht weitergehen kann", sagte der Zwickauer Getreide-, Kartoffel- und Schweinebauer Christian Bauer (36) in Chemnitz. "Vor drei Jahren habe ich für eine Tonne Düngemittel 150 Euro bezahlt. Jetzt sind es schon 480 Euro für die gleiche Menge!"
Maßgeblich zur Mobilisierung der Blockaden hatte der Verein "Land schafft Verbindung" beigetragen, ein Verein, in dem auch der Freitaler Bauer Marc Bernhardt (37) mitmischt. Deshalb tingelte er auch von einer Auffahrt zur nächsten. Warum?
"Wir kämpfen für eine fach- und sachgerechte Landwirtschaftspolitik", sagt er an der Auffahrt Südvorstadt. "Sowohl im Land als auch im Bund. Wir wollen hier heute einfach Gesicht zeigen für unsere Ziele einstehen."
Das wollten Tausende: Allein im Direktionsbereich der Polizei Görlitz zählte die Polizei rund 2000 Traktoren, Laster und weitere Fahrzeuge. Das führte zu Behinderungen, in Annaberg-Buchholz sogar zu Verletzten: Gegen 17.20 Uhr krachte hier in der Bundesstraße 95 ein Volkswagen in ein abgestelltes Multicar. Offenbar waren die Bremsen defekt, zwei Personen mussten ins Krankenhaus.
Neonazis reden lieber über Flüchtlinge
Bemüht zeigten sich die Organisatoren der Blockaden erneut um Abgrenzung zur rechten Szene: "Wir grenzen uns ganz klar von politischen Strömungen ab", so LSV-Bauer Bernhardt. "Wir wollen nur für unsere Probleme kämpfen."
Und so waren auf der Demo des Neonazis Max Schreiber (36) am Mittag auch nur wenige Traktoren zu sehen, dafür folgten viele Handwerker und Spediteure dem Ruf. Angeführt wurde der Zug vom Ex-AfD-Kader Andreas Kalbitz (51). Auf der Bühne ging es dann auch eher um Flüchtlinge als um Landwirtschaft.
Neben einigen "Freien Sachsen" sprachen auf der Demonstration auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Caroline Bachmann (35) und der Organisator der Neonazi-Aufmärsche vom 13. Februar und Aktivist der mittlerweile verbotenen "Artgemeinschaft" Lutz Giesen (49).
Die Demo rief immerhin eine fünfstellige Zahl an Teilnehmern auf den Plan, in Sicherheitskreisen sprach man 13.000 Demonstranten. Diese Masse nutzten die Rechten auch sofort, brachen kurz nach dem als Endpunkt festgelegten Carolaplatz durch eine Polizeikette.
"Die Beamten mussten Pfefferspray einsetzen", so Polizeisprecher Laske (49). Erst kurz vor dem Albertplatz konnte die Polizei den Zug stoppen und die Demonstranten zurückdrängen.
Für die Demo waren insgesamt 460 Polizisten im Einsatz. Über Nacht blieben einige davon mit Mahnwache im Regierungsviertel.
Titelfoto: Eric Münch