Automatisiertes Shuttle zum Badestrand: Sachsens erste Buslinie ohne Fahrer startet
Nordachsen - Es wirkt beinahe wie Science Fiction: Ein selbstfahrendes Fahrzeug ohne einen menschlichen Fahrer am Steuer. Was wie Zukunftsmusik klingt, wird in Nordsachsen jetzt Wirklichkeit. Sachsen hat seine erste hochautomatisierte Buslinie.
Ab kommender Woche soll ein voll automatischer Bus zwischen Rackwitz und der Schladitzer Bucht pendeln. Nach einer Lernphase geht das Gefährt nun in den Pilotbetrieb. Der Landkreis Nordsachsen hat Großes vor mit dem Hightech-Bus. Leitet FLASH die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs ein?
FLASH - das steht für "FahrerLoses Automatisiertes SHuttle". Ein Bus, der ganz von alleine fährt. Wie genau soll das funktionieren? "Das Shuttle ist mit einem hybriden Steuerungskonzept ausgestattet", erklärt Christian Hoyas (39), ÖPNV-Sachgebietsleiter im Landkreis Nordsachsen.
Sprich: So kann zwischen automatisiertem und manuellem Betrieb gewechselt werden.
Zahlreiche Laserscanner, Radarsensoren, sowie Außen- und Innenkameras überwachen den Straßenverkehr und senden durchgehend Informationen an das Fahrzeug.
Darüber hinaus ist der Bus mit sämtlichen Satellitennavigationssystemen ausgestattet.
Angetrieben wird das Shuttle mit einem Dieselmotor
Eine Steuerungssoftware beschleunigt, lenkt und bremst. Sobald sie Hindernisse erkennt, kann sie bis auf den Stand abbremsen - sogar eine Gefahrenbremsung ist dabei möglich.
Angetrieben wird das Shuttle mit einem Dieselmotor. Ursprünglich hatte man einen alternativen Antrieb vorgesehen, für den konventionellen Busverkehr entschied man sich für einen Dieselmotor mit der neuesten Abgasnorm.
Mögliche Nachfolger sollen dann elektrisch fahren.
Der Linienbus fasst bis zu 21 Passagiere auf 15 Sitz- und sechs Stehplätzen. Mit 180 PS kann er bis zu 70 km/h schnell werden, durchschnittlich fährt er aber nur etwa 50 km/h.
Doch ganz ohne menschliche Überwachung wird der Bus während der Pilotphase nicht auf die Straße gelassen. "Auf den Fahrten ist immer ein Sicherheitsfahrer an Bord, der im Notfall eingreift", sagt Hoyas. Dieser übernimmt also das Steuer, sollte FLASH mal nicht in die Kurve kommen oder ein Hindernis übersehen.
FLASH soll ohne Sicherheitsfahrer pendeln
In zwei bis drei Jahren, so Hoyas, könne FLASH dann auch ganz alleine ohne Sicherheitsfahrer pendeln.
Bis dahin muss das Shuttle noch an einer geschmeidigeren Fahrweise arbeiten und lernen, die Verkehrssituationen präzise einzuschätzen.
Wozu nun aber das Ganze? Christian Hoyas sieht im autonomen Fahren enormes Potenzial für den ÖPNV: "Studien haben ergeben, welche Möglichkeiten sich ergeben. So könnten künftig zum Beispiel Personalengpässe überbrückt werden, Mobilität für die Bevölkerung wird zudem noch nachhaltiger."
Der Landkreis steht auch schon mit einem Nachfolgeprojekt in den Startlöchern. Nämlich mit dem sogenannten Platooning.
Dabei schließen sich zwei hochautomatisierte Fahrzeuge zu einem Konvoi zusammen. Das hintere Fahrzeug folgt dem vorderen.
"Ein ähnliches Projekt mit selbstfahrenden Bussen gibt es auch in Leipzig"
Am praktischen Beispiel erklärt es Hoyas wie folgt: "Nach den Stoßzeiten fahren große Linienbusse im ländlichen Raum tagsüber oft leer. FLASH könnte als Hauptverkehrsfahrzeug eingesetzt werden und bei Bedarf an einen Verstärkerbus gekoppelt werden."
Vier Kilometer lang ist die Strecke zwischen Bahnhof Rackwitz und der Schladitzer Bucht. Der Badesee im ehemaligen Braunkohletagebau Breitenfeld wird mit dem Projekt erstmals an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. "Ein ähnliches Projekt mit selbstfahrenden Bussen gibt es auch in Leipzig. FLASH ist aber der erste Bus, der am öffentlichen Verkehr teilnimmt", sagt Christian Hoyas.
Als Linie 216 pendelt FLASH ab nächster Woche dann im Regelbetrieb zwischen Donnerstag und Sonntag. Laut Fahrplan verkehrt der Bus zwischen 8.07 und 18.07 Uhr stündlich zwischen dem Bahnhof und der Schladitzer Bucht. In entgegengesetzter Richtung fährt der Bus zwischen 8.38 und 18.38 Uhr.
Milliarden aus dem Struktur-Topf
Der Kohleausstieg 2038 in Deutschland steht fest. Sachsen gehört mit der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier zu einer der größten Braunkohleregionen.
Um den Betroffenen unter die Arme zu greifen, hat der Bund das Strukturstärkungsgesetz verabschiedet. Den Regionen winken Strukturhilfen von bis zu 40 Milliarden Euro.
Aus diesem Fördertopf wird auch der FLASH-Bus mit knapp einer Million Euro finanziert.
"Dieses Projekt hat für die Region um Rackwitz, aber auch sachsenweit eine enorme Strahlkraft und ist ein Novum", sagt Thomas Schmidt (61, CDU), Staatsminister für Regionalentwicklung.
FLASH zielt als Pilotprojekt auf die nachhaltige Weiterentwicklung des ÖPNV sowie den Ausbau des Tourismus ab - und dadurch auch auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Titelfoto: Ralf Seegers