Auf dem Rücken der Pferde für mehr Sicherheit in Sachsen: Die Reiterstaffel der Polizei
Radeberg - Sie sind auf dem Rücken von Polizeipferden zu Land, als Hubschrauberstaffel zu Luft und als Taucher oder Wasserschutzpolizei in und auf Sachsens Flüssen und Seen unterwegs. Doch wie sehen ihre Ausbildung und der Dienstalltag aus? Wir stellen die Spezialisten der Bereitschaftspolizei vor. Heute statten wir dem Stall Reiterstaffel der sächsischen Polizei in Großerkmannsdorf einen Besuch ab.
Tequila steht ruhig und gelassen in seiner Box, während ihm Schwalben im Tiefflug um die Ohren flattern. Es scheint, als könnte das 16 Jahre alte Pferd nichts aus der Fassung bringen.
Und das ist auch gut so. Der tiefbraune Hengst mit der weißen Blesse gehört zur Reiterstaffel der sächsischen Polizei. Zusammen mit 19 anderen Pferden steht er bei Einsätzen oft an vorderster Front - und dabei müssen Pferd und Reiter stets einen kühlen Kopf bewahren.
"Sein Spitzname lautet Killer", sagt seine zuständige Reiterin, die Polizistin Denise Schneider (26). "Aber der passt natürlich überhaupt nicht zu ihm. Er ist schon ein kleiner Draufgänger - aber immer brav, aufmerksam und gelassen. Er ist eines der besten Pferde hier im Stall."
Vor zweieinhalb Jahren hat die junge Polizistin ihre Prüfung bei der Polizeireiterstaffel abgelegt. Zuvor war sie in einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei im Einsatz.
Bei der Reiterstaffel hat jeder Polizist sein Stammpferd. Das Renten-Eintrittsalter für Pferde liegt bei 20 Jahren. In der Regel gehen die Pferde danach in private Hand über.
Auch Denise Schneider möchte ihren braunen Riesen behalten, wenn er in vier Jahren in den wohlverdienten Ruhestand geht. "Ich habe so viel mit dem Tier gearbeitet, da fällt es schwer, ihn in fremde Hände zu geben."
Der Arbeitstag für die Dienstpferde der Polizei beginnt früh
Als eines von wenigen Bundesländern hat Sachsen seine eigene berittene Polizei. Ihren Sitz hat die Reiterstaffel in Großerkmannsdorf, einem Ortsteil von Radeberg.
20 Dienstpferde stehen aktuell im Stall - allesamt kastrierte Hengste, die gelten als besonders ausgeglichen. Insgesamt 16 Reiter gibt es derzeit, 14 von ihnen sind Frauen. Im vergangenen Jahr rückte die Staffel zu 230 Einsätzen aus.
In Großerkmannsdorf beginnt der Arbeitstag für Ross und Mensch um 6.30 Uhr. "Bei einer Einweisung wird zunächst die tagesaktuelle Lage besprochen", sagt Denise Schneider. Danach beginnt die Stallarbeit.
Täglich wird geritten, longiert und trainiert. Denn: "Auch Pferde können Dinge verlernen oder vergessen."
Während der Pandemie stand auch die Zeit im Stall der Polizeistaffel still.
Die Polizeipferde müssen auf jede Situation vorbereitet sein
Regelmäßiges Gelassenheits-Training ist daher das A und O. Selbst das erprobte Dienstpferd Tequila schaute beim Anblick der grell leuchtenden und rauchenden Bengalos bei einer Übung in der Halle erst einmal nicht schlecht.
Aber Profi, der er ist, bewahrte er wie gewohnt die Contenance und ließ das Lichtspektakel in aller Seelenruhe über sich ergehen.
Eine Eigenschaft, die bei Einsätzen auf Demonstrationen oder Fußballspielen essenziell ist. Denn solche Großveranstaltungen laufen erfahrungsgemäß gerne aus dem Ruder. So wie bei einer Querdenker-Demo vergangenen November in Leipzig.
"Die Menschenmassen haben die Polizeiketten durchbrochen", erinnert sich Denise Schneider. "Die Pferde wurden etwas nervös - durchgegangen ist zum Glück aber keines."
Mit einem Stockmaß von mindestens 1,70 Meter - also die Höhe von der Vorderhufe bis zum Widerrist, dem Übergang von Hals zum Rücken - und einem stattlichen Gewicht von 700 Kilogramm können die Polizeipferde sogar behutsam Menschen wegschubsen, ohne sie dabei zu verletzen.
"Das üben wir regelmäßig mit einem großen Ball", sagt Reitlehrer Frank Fischer (48). "Das macht den Pferden sogar Spaß."
Apropos Spaß: Nach einem anstrengenden Tag entspannt auch das hartgesottenste Polizeipferd gerne unter dem wohltuenden Licht des Pferde-Solariums. Das spendet Wärme für die Seele und verspannte Muskeln.
Nur die besten Pferde sind im Einsatz
Gleich vorab: Nicht jedes Pferd darf in den Einsatz. Das perfekte Pferd ist brav, unerschrocken und aufgeweckt.
Polizeipferde müssen sich gelassen im unwegsamen Gelände, im dichten Straßenverkehr, aber auch zwischen lautstarken Fußballfans ruhig bewegen.
"Je nach Gemüt dauert die Ausbildung eines Pferdes zwischen sechs Monaten und zwei Jahren", sagt Reitlehrer Frank Fischer. Der 48-Jährige unterrichtet die berittenen Beamten und bildet die Pferde aus. "Kein Pferd wird gezwungen, in kürzester Zeit abgestumpft zu werden - aber regelmäßiges Training ist wichtig."
Mit akustischen und optischen Reizen wird in der Reithalle auf den Ernstfall vorbereitet und behutsam Schritt für Schritt an Extremsituationen herangeführt.
"Das fängt klein an mit Trommeln, Rasseln und schwenkenden Fahnen bis hin zu Übungen mit der Hundestaffel oder leuchtenden Bengalos", sagt Fischer. "Manchmal kommt sogar Polizeiorchester. Die Musiker spielen ihre Instrumente, während das Pferd in einer Gasse durchlaufen muss."
So lernen die Tiere, ihre Furcht abzulegen und ihrem Reiter zu vertrauen. Denn zum natürlichen Verhalten von Pferden gehört ein ausgeprägter Fluchttrieb.
Zur finalen Prüfung der Tiere gehören Springen, ein Parcourslauf und Dressur.
Täglich auf Streife
Auch, wenn man sie nicht oft erspäht: Sachsens Polizeipferde sind täglich im Freistaat auf Streife. So kann es schonmal passieren, dass die Verkehrskontrolle vom Pferd aus geschieht oder Ihnen zwei berittene Beamte im Wald oder Stadtpark entgegentraben.
Ihr Job ist aber um einiges vielfältiger. Die berittene Polizei ist außerdem bei Such- und Fahndungseinsätzen in unwegsamen Gelände (z.B. im Wald) unterwegs - nicht nur, weil das Pferd sich hier besser bewegen kann, sondern weil der Beamte vom Sattel aus eine viel bessere Sicht hat.
Bei großen Veranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen überwacht die Reiterstaffel das Versammlungsgeschehen und kann im Ernstfall Ausschreitungen verhindern.
In Landschaftsschutzgebieten verfolgen die Reiter u.a. illegale Müllablagerungen und überwachen Fahrverbote für den Durchgangsverkehr. Was passiert zum Beispiel, wenn ein entlaufener Bulle zur Gefahr wird?
Auch das ist ein Fall für die Polizeipferde. Sie helfen, den Ausreißer aufzuspüren und einzufangen.
Titelfoto: Eric Muench