60 Jahre Mindestumtausch: Zahlen für die "Zone"? - Da mussten die Wessis durch
Leipzig - Um den schon chronisch werdenden Devisenmangel zu lindern, kam die DDR-Führung auf eine perfide Idee: Man kann Besuchern aus dem westlichen Ausland ja eine Art Eintrittsgeld abknöpfen.
Vor 60 Jahren, am 25. November 1964, wurde die Anordnung des Finanzministers zu einem Mindestumtausch veröffentlicht und wenige Tage später auch umgesetzt.
Dieser Zwangsumtausch blieb über die Jahrzehnte hinweg ein großer Zankapfel in den Beziehungen beider deutscher Staaten.
Für Reisende aus der DDR gab es in der BRD hingegen ein geschenktes Begrüßungsgeld.
Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 und der darauf folgenden Sicherung der Staatsgrenze war der innerdeutsche Reiseverkehr nahezu zum Erliegen gekommen.
Erst im Herbst 1964 einigten sich die Regierungen auf Reiseerleichterungen: Die „Passierscheinabkommen“ sahen zwar erhebliche Bürokratie vor, ermöglichten aber endlich wieder Verwandtenbesuche in der "Ostzone". Und aus der DDR durften vorerst zumindest die Rentner wieder in den Westen.
Die Leute planten bereits ihre Weihnachtsbesuche, da platzte kurz vor dem 1. Advent die Bombe: Für jeden Besuchstag muss ein BRD-Bürger fünf D-Mark in fünf Mark der Deutschen Notenbank eintauschen. Und wieder mit zurücknehmen durfte man das Ostgeld auch nicht.
Unfaire Kurse und Zwangsumtausch
Problem für die zum Umtausch Gezwungenen: Das DDR-Geld war damals schon nicht mehr als eine Binnenwährung mit weit geringerer Kaufkraft. Doch die Staatsführung bestand weiterhin auf dem Wechselkurs von 1:1. Das Politbüro rechtfertigte die "Devisenverkehrsbeschränkung" mit angeblichen Milliardenverlusten durch "Schwindelkurse".
In Wechselstuben des Westens wurde die ungeliebte DDR-Mark im Verhältnis zwischen 1:3 und gar 1:7 abgenommen.
In einem sozialistischen Propaganda-Kommentar hörte es sich so an: "Wer in Westberlin eine D-Mark der BRD zu diesem illegalen Kurs tauscht, erhält fünf Mark der DDR. Dafür erhält er bei uns ein gutes Mittagessen, für das er in der BRD mindestens 16 Mark bezahlen müsste. Das heißt, dass solche Leute ein blühendes Geschäft auf unsere Kosten machen. Das wollen wir nicht."
Im Laufe der Zeit wurde das Eintrittsgeld in die DDR immer wieder erhöht. Während der Ölkrise 1973 musste man für die Reise nach Ost-Berlin 10 D-Mark umtauschen, in den Rest der DDR sogar 20. Ab 1980 waren es dann 25 D-Mark.
Argumentation des SED-Zentralkomitees: Die Kaufkraft der D-Mark sei um die Hälfte gesunken, während die Preise in der DDR stabil geblieben sind.
Westgeld und leere Versprechen: Wie die DDR ihren Sozialstaat finanzierte
So kämen auch West-Touristen in den Genuss der DDR-Sozialpolitik.
Für Westbesucher blieb das Problem, was man mit dem vielen Ostgeld anfangen sollte. Das Warenangebot blieb einfach zu unattraktiv – es sei denn, man hatte etwas Gespür für Kunst, Antiquitäten oder Briefmarken.
Vielen blieb nur, den Krösus zu spielen und die Ost-Verwandtschaft in die Restaurants der höchsten Preisstufe einzuladen – falls es mit der Vorbestellung geklappt hatte.
Trotz der insgesamt 4,5 Milliarden D-Mark, welche die DDR über ein Vierteljahrhundert durch den Zwangsumtausch eingenommen hatte, stand der Subventionsstaat 1982 vor dem Staatsbankrott.
Ausgerechnet der sich als Kommunistenfresser gebende, bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß vermittelte damals einen Kredit über eine Milliarde D-Mark an die DDR.
Im Gegenzug erwartete er von Ost-Berlin aber ein "Zeichen guten Willens". Etwa Erleichterungen für die Bundesbürger beim Mindestumtausch.
Doch das wurde strikt abgelehnt. Stattdessen akzeptierte Strauß das Versprechen, dass an der innerdeutschen Grenze die Selbstschussautomaten abgebaut würden.
Erst nach der Wende kam heraus, dass dies von der DDR-Führung schon ohnehin geplant war: Die Mordinstrumente waren unzuverlässig und selbst für Soldaten der DDR-Grenztruppen zu gefährlich.
Drüben grüßte man mit harter Währung
Während Westbesucher in der DDR zu viel Geld hatten, waren Ostbesucher im Westen auf gnädige Hilfe angewiesen.
Denn sie durften nur 70 DDR-Mark mit rübernehmen. Daher führte die Bundesregierung 1970 ein "Begrüßungsgeld" von 30 D-Mark ein, welches zweimal im Jahr bei Vorlage der Identifikationspapiere ausgezahlt wurde.
Das erhöhte sich ab 1987 – bei einmaliger Auszahlung – auf 100 D-Mark.
Das Budget aus dem Bundeshaushalt war aber auf die jährlich etwa 50.000 Ostbesucher ausgelegt, die Anfang der 1980er-Jahre in den Westen reisen durften. Es wurde völlig gesprengt, als am 9. November 1989 die Mauer fiel:
Ab dem 10. November standen zehntausende DDR-Bürger in riesigen Schlangen vor den Rathäusern und warteten artig auf ihr Begrüßungsgeld. Allein in den ersten drei Wochen wurde dies nach Schätzungen über 18 Millionen Mal ausgezahlt – so viele DDR-Bürger gab es gar nicht.
Man geht davon aus, dass in den letzten beiden Monaten 1989 bis zu vier Milliarden D-Mark an die Ossis verteilt wurde. Ein Rentner aus Berlin wurde 1991 verurteilt, weil er sich insgesamt sechsmal begrüßen ließ. Die meisten aber wurden nicht erwischt.
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