1100 offene Stellen: In Sachsen suchen jetzt schon Schüler nach neuen Lehrern
Dresden/Rothenburg - Ausfallstunden, nicht abgearbeitete Lehrpläne, Überlastung des Lehrpersonals: Der Lehrermangel in Sachsen führt zu kreativen Ideen. Und vielleicht schon bald zu spürbaren Einschnitten.
Annegret Böse (39) weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. "Wir sind alle am Limit", sagt die Leiterin der Grundschule Rothenburg (Kreis Görlitz). Die Einheiten für Deutsch als Zweitsprache für Migrantenkinder (DAZ) fallen schon seit Wochen aus. Die insgesamt acht Lehrer für acht Klassen - darunter drei in Ausbildung und eine Seiteneinsteigerin - reichen hinten und vorne nicht.
Bereits im Dezember machten die Schüler selbst auf die drastische Situation aufmerksam, gemeinsam mit Eltern, den Lehrern und dem Bürgermeister.
Vor dem Rathaus hängten sie Bilder mit ihren Berufswünschen auf und stellten eine Bewerbungsmappe zusammen, um für neue Lehrer an ihrer Schule zu werben.
Und? - "Passiert ist nichts", so Annegret Böse. Vielleicht klappt's ja mit einer polnischen Kollegin aus Mainz, die im März zum Bewerbungsgespräch kommen will, sagt sie resigniert.
Könnte vom Ministerium angeordnete Mehrarbeit aus der Bildungsmisere führen?
Sachsen: Zu wenige ausgebildete Lehrer bewerben sich auf offene Stellen im Freistaat
Die Kultusministerin von Sachsen-Anhalt kündigte die Mehrarbeit am Dienstag für ihre Lehrkräfte an. Sie führt zudem flexible Arbeitszeitkonten ein - entsprechend der Empfehlung einer Expertenkommission.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (47, CDU) setzt die Empfehlungen (noch) nicht um. Er hat juristische Bedenken, wartet entsprechende Gutachten ab.
Sein Ministerium kündigt aber an, bei der nächsten Prüfung die Teilzeitverträge der Lehrer strengstens unter die Lupe zu nehmen. "Unser Ziel ist es, die Teilzeitquote deutlich zu verringern", so ein Sprecher.
Zudem will Piwarz noch mehr multiprofessionelle Teams zur Entlastung der Lehrkräfte anstellen. Aktuell sind fast 670 Assistenzkräfte an Schulen tätig. Perspektivisch sollen es 750 sein.
Die Suche nach neuen Lehrern bleibt ein hartes Geschäft für den Freistaat. Insgesamt 1100 Stellen sind zu besetzen.
"Doch die Bewerberlage an grundständig ausgebildeten Lehrkräften ist viel zu gering, als dass die Stellen vollumfänglich besetzt werden können", so der Kultus-Sprecher.
Titelfoto: Andre Schulze