Überlebende des Halle-Attentats kehrt Deutschland den Rücken: "Realität ist, dass wir Angst haben"

Halle (Saale) - Fünf Jahre nach dem antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle sind dessen Opfer immer noch traumatisiert und erschüttert über die Tat. Christina Feist, eine Jüdin aus Berlin, möchte seither nicht mehr Zeit als nötig in Deutschland verbringen.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwer bewaffnete Attentäter versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge in Halle einzudringen. Als ihm das nicht gelang, erschoss er zwei Unbeteiligte. (Archivbild)  © Swen Pförtner/dpa

Anlässlich des mittlerweile fünften Jahrestags des Halle-Attentats hat der MDR die Opfer und Beteiligten des Anschlags vom 9. Oktober 2019 in der Doku "ARD Crime Time: Schüsse in Halle" zu Wort kommen lassen.

Unter anderem wurde Christina Feist interviewt, die sich in der Synagoge im Paulus-Viertel befand, als der Attentäter versuchte, sich mit Schüssen Zutritt ins Innere zu verschaffen.

Aus beruflichen Gründen war sie schon vor einigen Jahren nach Paris gezogen, war extra für die Feierlichkeiten zu Jom Kippur in ihre alte Heimat Berlin und dann zum gemeinsamen Beten nach Halle gekommen.

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"Auch wenn ich meine Freunde und Umkreis vermisse, geht es für mich nach diesem Anschlag nicht mehr nach Deutschland zurück. Die jüdische Lebensrealität hier bedeutet, dass wir in irgendeiner Form Angst haben. Die wenigsten Menschen setzen sich hier mit dem tief verwachsenen Antisemitismus auseinander", kritisierte Feist.

Der 9. Oktober 2019 wird für immer tief in ihrem Gedächtnis verankert sein.

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Kränze vor der Synagoge in Halle. Am 9. Oktober steht der nächste Jahrestag des Anschlags bevor.  © Hendrik Schmidt/dpa

"Ich kann mich erinnern, dass ich den Blick nach vorne gerichtet hatte und dann dieses laute Knallgeräusch gehört habe. Es hat sich angehört wie Silvesterkracher, aber dann habe ich Rauchschwaden aufsteigen sehen - das Bild hat sich in mein Gehirn eingebrannt", so die Jüdin.

Mit anderen Teilnehmern der Torah-Lesung verbarrikadierte sie die Eingangstür der Synagoge und begann, einen Fluchtweg mithilfe eines Bettlakens über ein Fenster vorzubereiten. Nach genau zehn Minuten voller Todesangst erreichte ein erster Streifenwagen der Polizei die Synagoge.

Doch Christina und die anderen Gläubigen fühlten sich noch lange nicht sicher. "Seitens der Polizei gab es keine Kommunikation. Uns wurde nicht mitgeteilt, wie die Situation einzuschätzen ist, wo der Täter ist", erinnerte sich die Überlebende.

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Das gesamte Interview mit Christina und den weiteren Betroffenen seht Ihr bereits jetzt in der ARD-Mediathek.

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