Stiftung will Altes Rathaus auf Marktplatz in Halle wieder errichten
Halle (Saale) - Das Vorhaben klingt kühn: Eine Initiative wirbt für den Wiederaufbau des Alten Rathauses in Halle. Das war ursprünglich 1950 der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Einen ersten Schritt hat die Initiative fest im Blick.
Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Alte Rathaus in Halle auf Drängen der SED-Führung abgerissen. Doch engagierte Bürger der Stadt werben seit Jahren beharrlich für den Wiederaufbau des Gebäudes.
Lutz Schmidt etwa gehört dazu. Anhand alter Fotos kann er nachvollziehen, wie das Rathaus einmal aussah. "Aus dem Jahr 1950 gibt es eine Aufnahme von der Ostseite des Marktes, da ist der Abriss beinahe beendet. Lediglich das Portal des Barockflügels steht noch - wie ein Mahnmal", beschreibt Schmidt ein Schwarz-Weiß-Foto aus seinem Album. Seit seiner Jugendzeit fotografiert er Gebäude seiner Heimatstadt Halle.
Auch Ulrich Schröder engagiert sich seit langem mit Freunden für den Wiederaufbau. "Jenes prachtvolle Barockportal, das 1702 mit dem südlichen Rathausflügel errichtet worden war und 1950 der Spitzhacke zum Opfer fiel, könnte in absehbarer Zeit wieder an historischer Stelle zu sehen sein", hofft er.
Über sein Projekt will der Verein Stiftung Altes Rathaus Halle (Saale) vom 25. Mai bis zum 2. Juni auf dem Marktplatz informieren. Auch Spenden sollen gesammelt und Souvenirs verkauft werden. "Wir geben gern Auskünfte über das Aussehen des historischen Bauwerks, dessen einstige Schönheit mit Turm, Giebeln und Loggia sich nur noch erahnen lässt", sagt Schröder.
Nicht alle Hallenser sind für den Neubau
In der Saalestadt wird das anspruchsvolle Vorhaben kontrovers diskutiert. Es gibt Skeptiker, die befürchten, dass der Markt mit dem neuen Alten Rathaus seine Geräumigkeit einbüßen könnte.
"Viele Hallenser wissen gar nicht, dass der baulich eher nüchtern wirkende Ratshof, in dem die Stadtverwaltung arbeitet, erst 1929 zur Entlastung der Behörde unmittelbar hinter dem Rathaus errichtet wurde. Fundamente und Teile der Kellergewölbe blieben unterirdisch erhalten und wurden 2004/05 archäologisch dokumentiert", sagt Jan Hauke, Vizechef der Stiftung.
"Der Historiker Georg Wagner-Kyora, der bis 2006 als Privatdozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrte, hat es als einen nahen Verwandten des Rathauses der Messestadt Leipzig identifiziert, das in seiner Schaufront ebenfalls die Renaissance mit Mittelturm zeigt", berichtet der pensionierte Hochschuldozent Schröder. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Historie des Alten Rathauses seiner Geburtsstadt.
Unter dem im mitteldeutschen Raum sehr aktiven Baumeister Nickel Hoffmann (um 1510 bis 1592) erhielt das einst stattliche Gebäude im Wesentlichen sein äußeres Gepräge. Das neue alte Rathaus sollte in seiner äußeren Gestalt dem Zustand unmittelbar vor der Zerstörung entsprechen. Das repräsentative Gebäude, so Schröder, könnte ein "Haus der Bürger" werden, in dem etwa Kunstausstellungen Platz finden.
Flügel-Portal könnte bald wieder aufgebaut werden
Der Freundeskreis setzt auf kleine Schritte, hat aber die Hoffnung auf großzügige Sponsoren nicht aufgegeben. "Dass die Sanierung des halleschen Stadtgottesackers vor allem durch eine private Millionenspende möglich wurde, gibt Anlass dafür", sagt Schröder.
Der Restaurierung und Vervollständigung von Bauteilen des Barockflügel-Portals galt in jüngster Zeit die besondere Aufmerksamkeit. Von jenem Portal ist etwa die Hälfte der einst verbauten Steine noch vorhanden. Hinzu kommen gespendete neue Portalsteine, die Steinmetzmeister Olaf Korger aus Halle hergestellt hat, und die die Wunschinitialen der Stifter tragen.
Mittlerweile scheint der Aufbau des Barock-Flügel-Portals, das im vergangenem Jahr in das Denkmalverzeichnis der Bau- und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalts aufgenommen wurde, kein Wunschtraum mehr zu sein. Für die Wiedererrichtung am historischen Standort sei bereits eine stattliche Summe gesammelt worden, zusätzliche Kosten allerdings würde die Verlegung einer zentralen Wasserleitung bereiten, die durch den Platz führt. Außerdem fehlt noch die Zustimmung des Stadtrates.
"Die Stadt begrüßt das Engagement der Stiftung. Ein möglicher Wiederaufbau ist derzeit jedoch nicht entscheidungsreif", erklärt dazu Stadtsprecher Drago Bock.
Konrad Breitenborn, Präsident des Landesheimatbundes von Sachsen-Anhalt, hofft auf eine schnelle Errichtung am alten Standort. "Der hallesche Marktplatz galt einst als einer der schönsten in Deutschland", sagt der in Halle geborene Historiker. "Mit dem Barockflügel-Portal würde die Stadt einen zusätzlichen touristischen Anziehungspunkt bekommen, und auch das Interesse am Alten Rathaus schlagartig steigen."
Titelfoto: Heiko Rebsch/dpa