Statt Kreuzworträtsel oder Kneipe: Mitteldeutschlands ältester Bufdi mit 80 Jahren immer noch aktiv
Halle (Saale) - Nicht selten kommt es vor, dass der 80 Jahre alte Manfred Duncker im Marthahaus in Halle Bewohnerinnen und Bewohner im Rollstuhl vor sich herschiebt, die jünger sind als er. "Viele sind hier körperlich stark beeinträchtigt oder finden die Wege nicht mehr, weil sie dement sind", erzählt der gebürtige Berliner. Duncker ist jedoch keineswegs ein rüstiger Bewohner. Er ist Bundesfreiwilliger - und zwar der älteste in Mitteldeutschland.
"Herr Duncker hat sich vor über einem Jahr bei uns beworben", erzählte der Chef des Hauses, Norbert Kreis.
Insgesamt 130 Rentnerinnen und Rentner wohnten dort. Als Ergänzung im Alltag stünden dem Pflegeteam momentan sechs sogenannte Bufdis zur Seite. "Der jüngste gerade 17 Jahre alt, der älteste 80."
Auf eigenen Wunsch arbeitet der älteste Bufdi statt von Montag bis Freitag lieber von Dienstag bis Samstag.
"Samstags bringe ich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht nur - wie sonst immer morgens - zur Andacht, ich ziehe meinen mittlerweile 55 Jahre alten Talar an und halte die Andacht selbst", sagte Duncker, der nach seiner Zeit unter Tage als ordinierter Gemeindepädagoge arbeitete.
Nach dem Tod seiner Frau, die er bis zuletzt zu Hause pflegte, habe er zwei Möglichkeiten gehabt: "Ich hätte den ganzen Tag Kreuzworträtsel lösen oder in der Kneipe versacken können. Oder: Ich engagiere mich."
Engagement zeigt der 80-Jährige jedoch nicht erst seit dem Tod seiner Frau. "Herr Duncker war schon beim DLRG, bei der Arbeiterwohlfahrt - ach, der hat schon so vieles gemacht", sagte Kreis. Noch nie habe er in seinem Haus einen so alten Bufdi wie Duncker gehabt - schon gar nicht einen, der in dessen Alter noch so fit ist.
80-jähriger Bufdi agiert aus Betroffenensicht
Gelegentlich müssten Kreis und sein Team dennoch darauf achten, dass es nicht zu viel für den einstigen Bergmann wird.
Im Alltag sei der betagte Bufdi nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch für die Pflegerinnen und Pfleger eine echte Bereicherung, so Kreis.
"Herr Duncker hat, weil er schon so viel gemacht hat und natürlich auch, weil er seine Frau gepflegt hat, schon so viel Erfahrung im Umgang mit den Bewohnern - da kann er immer wieder gute Tipps geben." Und: So manches Problem betrachte er - im Gegensatz zu dem meist eher jungen Personal - aus der Betroffenensicht.
Probleme mit den Bewohnerinnen oder Bewohnern sowie dem Personal habe es in den vergangenen anderthalb Jahren nie gegeben, sagte der 80-Jährige.
"Die Arbeit erfüllt mich, immerhin bekommt man ja auch viel Dankbarkeit - zum Beispiel in Form eines kleinen Schnaps - zurück", sagte er.
Aber doch, wenn er gerade darüber nachdenke: Vor wenigen Tagen habe es mal wieder das eine Problem gegeben, dass Duncker schon mehrfach während seiner Arbeit begegnet war: "Der Postbote war da und ich wollte das Paket entgegennehmen. Und dann wollte der mir das nicht geben, weil er mir nicht geglaubt hat, dass ich kein Bewohner bin", erzählte Duncker mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Im Sommer endet seine Zeit im Marthahaus. Danach ein wenig ruhiger machen? Sich zurücklehnen? Nein. "Meine Freundin und ich machen Urlaub und dann habe ich mir schon zwei neue Möglichkeiten ausgesucht: Entweder ich gehe ins Kinderhospiz oder als Seelsorger ins Uniklinikum." Zum Dasein gehöre für Duncker eben immer auch, für andere da zu sein. "Das treibt mich immer an."
Titelfoto: Waltraud Grubitzsch/dpa