Reiner Haseloff im TAG24-Interview: Diesen Fehler muss die Regierung endlich korrigieren
Magdeburg - Nachdem Ministerpräsident Reiner Haseloff (69, CDU) am Mittwoch bereits ausführlich zur geplanten Intel-Ansiedlung Rede und Antwort gestanden hat, wird es heute persönlicher. Im zweiten Teil unseres Interviews spricht er über Sachsen-Anhalt, Dinge, auf die er in seiner Amtszeit stolz war und wo er das Land in 25 Jahren sieht.
Teil 1 könnt Ihr in unserem Artikel "Reiner Haseloff im TAG24-Interview: Wie steht es um die Intel-Ansiedlung, Herr Ministerpräsident?" noch einmal nachlesen.
TAG24: Was ist so schön an Sachsen-Anhalt?
Reiner Haseloff: Die Vielfalt, die zentrale Lage in Deutschland, viel Geschichte, eine reiche Kultur, herrliche Landschaften, die Menschen. Und, dass man fast überall Hochdeutsch spricht (lacht).
TAG24: Meinen Sie, man macht aus dieser zentralen Lage genug?
Haseloff: Wir hatten nach der Wende den schwierigsten Start. Hier gab es ganz andere Strukturdaten, die Konzentration an Großindustrie war deutlich größer und somit hatte Sachsen-Anhalt mehr Industriearbeitsplätze als andere Länder im Osten.
Durch den Zusammenbruch der Großindustrie hatten wir nach der Wende die höchste Arbeitslosigkeit aller Länder. Inzwischen haben wir einen deutlichen Sprung gemacht. Das sieht man auch an der Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren, wo wir erkennbare Fortschritte gemacht und mit die stärksten Lohnsteigerungen in Deutschland haben.
TAG24: Das Thema Energiesicherheit ist aktuell ein akutes Problem: Wie wollen Sie die für Sachsen-Anhalt garantieren?
Haseloff: Wir haben genug Energie, so viel regenerative Energie, dass wir sie exportieren. Wir bauen jetzt eine Leitung von Wolmirstedt bei Magdeburg nach Bayern, direkt an den ehemaligen Kraftwerksstandort Isar 2, wo sich ein Knotenpunkt befindet, der aus bekannten Gründen jetzt nicht mehr bedient wird. Sachsen-Anhalt hat also genug Strom, aber…
Haseloff: Diesen Fehler im System muss die Bundesregierung endlich korrigieren
TAG24: Aber?
Haseloff: Dadurch, dass wir den Strom einspeisen und dann von der Börse zurückholen müssen, können wir ihn nicht unmittelbar zum Entstehungspreis nutzen. Ginge das, hätten wir Preise von unter zehn Cent pro Kilowattstunde – so aber schlechte Rahmenbedingungen.
Die Bundesregierung muss diesen Fehler im System endlich korrigieren. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die grünen Strom liefern, am Ende noch die Benachteiligten sind.
TAG24: Aber was genau an diesem System benachteiligt Sachsen-Anhalt denn?
Haseloff: Durch die vielen dezentralen Einspeisepunkte haben wir die höchsten Netznutzungsentgelte. Ein Fehler im System, durch die Sachsen-Anhalt wie andere Länder mit hohem Anteil an regenerativen Energien besonders hohe Strompreise hat. Das muss unbedingt angegangen werden, damit die Energiewende nicht scheitert.
TAG24: Wo sehen Sie Sachsen-Anhalt in 25 Jahren?
Haseloff: Demografisch werden wir auf einem niedrigeren Niveau als heute eine sich stabilisierende Bevölkerung haben, die aber ohne Zuwanderung von Fachkräften nicht auskommen wird. Fachkräftemangel ist momentan überall ein Problem, kann aber auch ein Effizienz- und Innovationstreiber sein, durch den die Produktivität steigt. Sachsen-Anhalt wird ein Hochlohnland und Industrieland sein, da sich die zentrale Lage als Standortvorteil auszahlen wird.
TAG24: Wer wird dann mehr Einwohner haben: Magdeburg oder Halle?
Haseloff: Es wird sich, denke ich mal, in ähnlichen Dimensionen abspielen, wobei diese Frage letztlich zweitrangig ist. Entscheidend ist, dass sich beide Städte gut entwickeln und da bin ich optimistisch.
Was soll eigentlich dieses Zukunftszentrum in Halle sein, Herr Ministerpräsident?
TAG24: Apropos Halle: Dort investiert der Bund 200 Millionen Euro in das sogenannte Zukunftszentrum Deutsche Einheit. Was genau muss man sich unter dem Zentrum vorstellen?
Haseloff: Der Ostteil Deutschlands und Osteuropa befinden sich in einer Transformation. Da ist ein Prozess im Gange, der in erster Linie von den Menschen mitgetragen werden muss. Dazu gehört auch das "Herkommen".
Wo sind unsere Wurzeln? Wie ist die Deutsche Einheit vom Osten mitgestaltet worden? Wo geht es für Mittel- und Osteuropa in Zukunft hin? Auch die Frage, wie wir das Zusammenwachsen von Ost und West auf europäischer Ebene organisieren, spielt eine Rolle.
Ziel ist es, zu diesen Transformationsprozessen nicht nur zu forschen, sondern Menschen dafür zu interessieren, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
TAG24: Klingt alles noch recht vage…
Haseloff: Vieles ist noch gestaltbar. Das Zukunftszentrum ist eine Einrichtung des Bundes. Ich bin mir sicher, hier wird eine interessante Mischung aus Forschung und Präsentation von Geschichte und Zukunft entstehen. Jedenfalls kein Elfenbeinturm der Wissenschaft.
Deshalb kommt das Zukunftszentrum nach Halle
TAG24: Und warum hat man sich für Halle entschieden?
Haseloff: Es mussten mehrere Kriterien erfüllt werden. Entscheidend war sicherlich auch die zentrale Lage, einschließlich der guten Verkehrsanbindung des Großraums Halle-Leipzig und der ICE-Verbindung Berlin-München. Darüber hinaus waren auch die Universität und die Leopoldina als Nationalakademie mit einer großen Internationalität ausschlaggebend. Halle und das Land haben leidenschaftlich dafür gekämpft. An diesem Gesamtpaket kam man offensichtlich einfach nicht vorbei.
TAG24: Worauf sind Sie, wenn Sie sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken, am stolzesten?
Haseloff: Wir haben eine sehr robuste und starke Wirtschaft, allerdings ist diese, Beispiel Chemie, durch den Ukraine-Krieg stark betroffen. Aufgrund der Erfolge ist die Identifikation mit dem Land gewachsen, was eben nicht seit Jahrhunderten in diesen heutigen Grenzen politisch existiert hat.
Es zeigt, wie man von der Altmark im Norden bis zum Burgenlandkreis im Süden durchaus zusammenfinden kann.
Titelfoto: Holm Helis