Kostenfreie Binden und Tampons sind in Sachsen-Anhalt nicht üblich, das soll sich ändern
Magdeburg - Jede Frau dürfte schon einmal von der Periode überrascht worden sein. Immer mehr Stimmen setzen sich für kostenfreie Binden und Tampons in Toilettenräumen ein. Aber wie sieht es in der Praxis aus?
Dass Frauen und Mädchen kostenlose Menstruationsartikel in Toilettenräumen genauso vorfinden wie Toilettenpapier, ist in Sachsen-Anhalt bislang an wenigen Orten selbstverständlich.
Es gibt Vorreiter wie die Hochschule Merseburg, die schon 2020 ein Pilotprojekt startete und gute Erfahrungen machte. In Magdeburg ergab ein Pilotprojekt an 15 ausgewählten Schulen eine durchwachsene Bilanz. Und in Halle stoppte das Landesverwaltungsamt ein solches Vorhaben mit Blick auf die Kosten vor einem Jahr.
Dabei boomt das Thema an vielen Schulen, Hochschulen, in Unternehmen und Verwaltungen - das stellt jedenfalls das Magdeburger Start-Up Periodically fest. Es vertreibt seit rund zwei Jahren Spender für Tampons und Binden. Die Edelstahlboxen, in die 140 Tampons und 50 Binden passen, werden in den Toilettenräumen aufgehängt wie die Spender für Papierhandtücher.
Die Nachfrage nach den Spendern steige exponentiell, sagt Periodically-Gründerin Katharina Weißig. Die 24-Jährige und Co-Gründer Corvin Groß studieren Medizin in Magdeburg. Inzwischen haben sie laut Weißig acht Angestellte.
"Periodically" sorgt für gratis Menstruationsprodukte in öffentlichen Toiletten
Städte wie Freiburg und Stuttgart, Hamm, Wiesbaden und Bielefeld habe Periodically ausgestattet ebenso wie SAP, Ikea und die Deutsche Bahn. Weißig geht davon aus, dass sich insbesondere die Unternehmen so als fortschrittlich darstellen wollen und den Gedanken der Gleichberechtigung auch auf diese Weise umsetzen.
Immer mehr Schulen und Hochschulen kämen hinzu. Periodically mache inzwischen einen Millionen-Umsatz, sagt Weißig. Es gingen immer mehr Anfragen auch aus dem Ausland ein. Ihr Unternehmen exportiere inzwischen in die Schweiz, nach Österreich, Belgien und die Niederlande. "Wir haben auch schon in die USA versandt", sagt Weißig.
Die Idee, die hinter den kostenfreien Tampons und Binden steckt, ist zum einen rein praktischer Natur: Frauen und Mädchen haben die Produkte zur Hand, falls sie unvorbereitet ihre Tage bekommen.
Katharina Weißig berichtet, dass sie genau so auf die Idee mit den Spendern gekommen sei. Sie habe ihre Periode in der Uni bekommen und habe sich gefragt, warum sie nun notdürftig Toilettenpapier benutzen müsse. Bei der Recherche fiel ihr auf, dass es selbst Spender für Zahnstocher gab, aber keinen einzigen für Periodenprodukte.
Viel wichtiger sei aber der Gedanke der Geschlechtergerechtigkeit. Menschen mit einer Vagina haben keine Wahl, sondern bekommen schlichtweg ihre Periode. Sie tragen die Kosten und Lasten dieses noch vielfach tabuisierten Themas. Schottland zählte zu den Vorreitern: Die dortige Regierung legte ein Millionen Pfund schweres Programm auf, um ab 2020 Binden und Tampons gratis zur Verfügung zu stellen.
Deutschland schaffte nur einen Schritt und senkte die Mehrwertsteuer für Periodenprodukte von 19 auf 7 Prozent.
Pilotprojekt wird an Schulen und Unis erprobt - mit durchwachsener Rückmeldung
Dass der Weg zu kostenfreien Tampons und Binden nicht einfach ist, zeigt das Beispiel Magdeburg: Auf eine Initiative des Stadtrats hin wurden an 15 Schulen insgesamt 74 Spender installiert. Dafür gab die Stadt rund 11.000 Euro aus plus rund 800 Euro für die Erstbestückung.
Die Verwaltung errechnete vier Cent je Tampon und fünf Cent je Monatsbinde. Nach der Pilotphase, die bis zu den Winterferien dieses Jahres ging, ergaben Rückmeldungen aus den Schulen, dass die Akzeptanz und Nutzung "sehr durchwachsen sind".
Die Stadt veröffentlichte die Stellungnahmen der Schulen. Aus den Schulen - von der Grundschule bis zum Gymnasium - hieß es, man erachte es als wichtig, Schüler mit Hygieneartikeln auszuhelfen. Die Spender kamen aber zumeist bei den Schulleitungen nicht gut an: man wolle die Produkte lieber nur bei Bedarf austeilen, denn es seien Binden auf die Toilette, den Boden oder an die Wände geklebt worden. Toiletten wurden verstopft. Teils hätten sich Schülerinnen privat bevorratet.
Aus einem Gymnasium hieß es: "Hier haben sich wieder mal Theoretiker viel theoretisch Gutes einfallen lassen, nur sieht die Praxis - was für eine Überraschung - leider ganz anders aus."
Zwei der drei beteiligten Berufsschulen gaben rundweg positive Rückmeldungen und wünschten sich eine Fortsetzung des Projekts. In der dritten hieß es, die Schülerinnen nutzen nach wie vor in erster Linie ihre eigenen Hygieneartikel.
Kostenfreie Menstruationsprodukte in Sachsen-Anhalt: Aufsichtsbehörden kritisieren Kosten
Katharina Weißig von Periodically erhält hauptsächlich positive Rückmeldungen zu den Spendern. In Grundschulen komme es gelegentlich vor, dass mit den Produkten "gespielt" werde. Ansonsten sei der Umgang sehr verantwortungsvoll. Die Spender seien auch ein perfekter Aufhänger, um in den Schulen über das Thema Menstruation zu sprechen.
In Halle wird es nicht so weit kommen, jedenfalls nicht im Rahmen eines Pilotprojektes: Das Landesverwaltungsamt beanstandete Mitte April 2022 einen Beschluss des Stadtrates von Ende Juni 2021. Der hatte ein Pilotprojekt für eine Schule je Schulform auf den Weg bringen wollen.
Die Aufsichtsbehörde bemängelte, dass die erwarteten Kosten von rund 5880 Euro angesichts der kritischen Haushaltslage der Stadt gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verstoßen. Der Stadtrat hob daraufhin seinen eigenen Beschluss auf.
Ganz anders an der Hochschule Merseburg: Sie startete 2019 eine Pilotphase und stellt den Nutzerinnen seit Ende 2020 kostenfrei Binden und Tampons zur Verfügung. Fast 40 Toiletten wurden ausgestattet. Der Schritt habe sich definitiv bewährt, erklärte Hochschulsprecher Christian Franke. "Es gab und gibt positives Feedback dazu und die Periodenprodukte werden genutzt."
Die Kosten tragen anteilig die Hochschule, die Gleichstellungsbeauftragte und alle über den Semesterbeitrag finanzierten studentischen Gremien.
Titelfoto: Bildmontage: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa