Ehefrau des Ministerpräsidenten und Politikerin Gabriele Haseloff: "Ich sage ihm, was ich denke"

Wittenberg - Er ist seit Jahrzehnten in der Politik - doch nur wenige wissen: sie auch. Warum Gabriele Haseloff (70), die Frau von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident, zur Kommunalwahl noch einmal antritt.

Gabriele Haseloff (70), die Frau des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, ist in der Kommunalpolitik in Wittenberg aktiv.
Gabriele Haseloff (70), die Frau des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, ist in der Kommunalpolitik in Wittenberg aktiv.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Ihr Platz ist ganz vorn. Erste Reihe außen, grauer Stuhl, Tablet statt Papierberge auf dem weißen Tisch. Gabriele Haseloff ist darauf eingestellt, dass die Sitzung mehrere Stunden dauern wird.

Landesgartenschau in Wittenberg, ein Bebauungsplan, ein Radweg, Nachtragshaushalt - die Tagesordnung im Stadtrat erzählt viel über das Tagesgeschäft von ehrenamtlichen Kommunalpolitikern.

Mit ihren 70 Jahren könnte Gabriele Haseloff diese Stunden auch anders verbringen - doch zur Wahl im Juni tritt sie noch einmal an.

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Eigentlich habe sie das gar nicht vorgehabt, sagt sie. "Ich bin der Meinung, dass die jungen Leute jetzt endlich auch mal ranmüssen."

Doch die "allgemeine Entwicklung" habe den Ausschlag gegeben. "Wenn ich mir überlege, dass vielleicht noch mehr Plätze von der AfD besetzt werden im Stadtrat – da habe ich mir gedacht, dann musst du noch mal antreten. Wenn ich der AfD nur einen Platz wegnehme, habe ich mein Ziel erfüllt."

Bei ihrem Mann Reiner war es vor drei Jahren ähnlich. Der Ausstieg aus der Landespolitik war bereits in Planung. Mehr Zeit mit den Kindern und Enkeln, mehr Zeit für Reisen - das war der Wunsch.

Doch als der Ministerpräsident den Eindruck hatte, er könne für die CDU in Sachsen-Anhalt das beste Ergebnis einfahren und die AfD in die Schranken weisen, hat er noch einmal kandidiert. Die Rechnung ging auf.

Nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten machte er Gabriele öffentlich eine Liebeserklärung. Er könne sich ein Leben ohne seine Frau nicht vorstellen, sagte der Regierungschef. Sie sei eine Stütze in allen Bereichen und zugleich die stärkste Kritikerin.

In die CDU, um nicht in die SED zu müssen

In den 70er-Jahren sind Reiner und Gabriele Haseloff in die CDU eingetreten. (Archivbild)
In den 70er-Jahren sind Reiner und Gabriele Haseloff in die CDU eingetreten. (Archivbild)  © Michael Kappeler/dpa

Das politische Engagement verbindet die Haseloffs seit Jahrzehnten. Ende der 70er sind sie in die CDU eingetreten.

"Das war der einfachste Weg, um nicht in die SED zu müssen. Meine Schwiegermutter hat die Beiträge bezahlt. So konnten wir immer sagen, wir sind schon in einer Partei", sagt Gabriele Haseloff.

In Cottbus geboren, kam sie über Hoyerswerda, das Zahnmedizinstudium in Budapest und Berlin mit ihrem Mann nach Wittenberg.

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1990 wurden beide vom Pfarrer angesprochen, ob sie sich für den Stadtrat bewerben möchten. "Und dann haben wir beide kandidiert. Es war eine Aufbruchstimmung in dieser Zeit und man wollte selbst was bewegen für die Stadt."

Seitdem gehört der Name Haseloff zur kommunalen Politik, auch wenn sie mal ein paar Jahre ausgesetzt hat. Einer der Söhne war ebenfalls im Rat. "Einer muss immer", scherzt der Ministerpräsident gerne, wenn er über seine Heimat spricht.

Doch was so leicht dahingesagt ist, ist an vielen Tagen mühevolle Arbeit. Stundenlange Sitzungen für eine geringe Aufwandsentschädigung - da reißen sich die wenigsten drum. Die Parteien setzen zu den Kommunalwahlen am 9. Juni deshalb auch auf viele ältere und auf parteilose Kandidaten.

Mehr als 10.000 Sitze sind in Sachsen-Anhalt insgesamt zu vergeben. "Wegen des Geldes macht das kein einziger Mensch. Entweder ich mache das aus Überzeugung oder ich lasse es", sagt Gabriele Haseloff.

Kurzer Draht in die Landespolitik

Gabriele Haseloff mischt sich nicht in die Landespolitik ihres Mannes ein, teilt ihm aber ihre persönliche Meinung mit.
Gabriele Haseloff mischt sich nicht in die Landespolitik ihres Mannes ein, teilt ihm aber ihre persönliche Meinung mit.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Als Zahnärztin konnte sie sich ihre Zeit meistens selbst einteilen und die Sitzungstermine gut in ihren Kalender einbauen. Vor einigen Jahren hat sie ihre Praxis übergeben.

Doch lange am Stück geht es seitdem dennoch selten weg. "Klar kann man sich auch mal vertreten lassen, aber dann fehlt mir da auch wieder ein bisschen Wissensstand und das mache ich nicht so gerne. Also es ist schon aufwendig. Jede Woche ist irgendwas."

In den Ausschüssen befasst sie sich regelmäßig mit Kitas und Schulen. Dort nehme sie die Dinge nicht etwa als Frau des Ministerpräsidenten in den Blick - sondern häufig als Mutter und Großmutter, sagte der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör (52, parteilos).

Die Zusammenarbeit sei unaufgeregt und professionell, aber Gabriele Haseloff sei durch ihren Nachnamen schon immer besonders im Fokus.

Wenn das Ehepaar in Wittenberg irgendwo gemeinsam hinkomme und Reiner Haseloff dann manchmal sage, er sei heute nur in Begleitung seiner Frau als Stadträtin dabei, funktioniere das so nicht, erzählt Zugehör. "Wenn er da ist, ist er immer der Ministerpräsident."

Gabriele Haseloff bewegt gerne auch kleine Dinge abseits klassischer Themen im Stadtrat. Sie berichtet, dass es vor einer Physiotherapie abends zu dunkel war und wie sie mit Verwaltung und Stadtwerken erreicht hat, dass eine Laterne davor angeschaltet wurde.

Und natürlich hat sie einen kurzen Draht zur Landespolitik, wenn der für ihre Fraktion nötig ist. Bisweilen fragt sie ihren Mann Reiner nach bestimmten Dingen. Gibt sie ihm denn selbst auch Hinweise? "Ich mische mich nicht in seine politische Arbeit ein. Aber ich sage, was ich denke."

Zum Beispiel zum Zahnärztemangel. Mehr als die Hälfte der Zahnärzte im Land sind 55 Jahre oder älter. In den nächsten sieben Jahren werden laut der Kassenzahnärztlichen Vereinigung 610 Zahnärzte aus der Versorgung ausscheiden - das entspricht 43 Prozent.

Gabriele Haseloff ist dafür, Landeskinder zu binden. "Stipendien und Quoten für die, die hierbleiben wollen, könnten helfen. Wir sind damals auch gelenkt worden, das war nicht schlecht", sagt sie mit Blick auf das medizinische System in der DDR.

"Ich bin eher die Frau für die zweite Reihe"

Gabriele Haseloff sei für ihren Mann "eine Stütze in allen Bereichen und zugleich die stärkste Kritikerin". (Archivbild)
Gabriele Haseloff sei für ihren Mann "eine Stütze in allen Bereichen und zugleich die stärkste Kritikerin". (Archivbild)  © Jens Wolf/dpa

Gabriele Haseloff hat einst in Ungarn Zahnmedizin studiert. "Das war schön, aber auch hart. Es sind oft viele Tränen geflossen, wir durften ja nur ganz selten mal nach Hause."

Jeden Tag haben sich Gabriele und Reiner einen Brief geschrieben. "Das hat acht Tage gedauert, bis der ankam. Die Briefe lagern wir heute alle noch im Keller."

Dass es von Sachsen-Anhalt aus auch heute über eine Kooperation mit der ungarischen Universität Pécs mit bis zu 12 Förderplätzen jährlich eine ähnliche Verbindung gibt, hält sie für sinnvoll. Außerdem sei es eine Option, den Numerus Clausus grundsätzlich zu überarbeiten.

"Man sollte eher Eignungsgespräche führen. Bei Zahnärzten ist es ja auch wichtig, dass man da handwerklich einigermaßen begabt ist. Die mit 1,0-Abi sind nicht immer die besten Zahnärzte."

Trotz solcher Vorschläge - politische Ambitionen über die Stadtgrenze hinaus hat sie nie gehabt. "Ich bin eher die Frau für die zweite Reihe."

Und nebenbei natürlich auch First Lady. Buchmesse, Berlinale, Grüne Woche, Tag der Deutschen Einheit, Staatsbesuch eines Königspaars - da begleitet sie den Ministerpräsidenten gelegentlich.

"Manchmal ist es anstrengend, aber protokollarisch vorgeschriebene Dinge gehören dazu. Da habe ich eben dabei zu sein, das gehört sich so und das mache ich dann auch gerne. Und vieles andere kann ich mir ja aussuchen."

Hängt er wie sie noch ein paar Jahre dran?

Während Gabriele Haseloff noch einmal bei der Kommunalwahl antritt, ist die Frage um eine weitere Amtszeit ihres Ehemannes als Ministerpräsident weiterhin offen. (Archivbild)
Während Gabriele Haseloff noch einmal bei der Kommunalwahl antritt, ist die Frage um eine weitere Amtszeit ihres Ehemannes als Ministerpräsident weiterhin offen. (Archivbild)  © Jan Woitas/dpa

Die Verbundenheit zu Sachsen-Anhalt betonen Gabriele und Reiner Haseloff immer wieder. Sie hat etwa die Patenschaft für eine Kuh in der Altmark übernommen - dafür wird ihnen regelmäßig Käse zugeschickt.

Außerdem war Gabriele Haseloff eines der Gründungsmitglieder des Freundeskreises der Luther-Museen. In Wittenberg heißt es dort unter den Mitarbeitern, das Lutherhaus sei ihr zweites Zuhause.

Und dann wäre da noch die Landesgartenschau 2027 direkt vor der Haustür. Das Event motiviert sie, in der Kommunalpolitik noch ein paar Jahre dranzuhängen. Sie habe Lust, weiter mitzugestalten, sagt Gabriele Haseloff.

In Magdeburg rätselt mancher bereits, was das für Auswirkungen haben könnte. Wenn Gabriele Haseloff nun noch etwas länger macht - was bedeutet das dann für die Ambitionen des dienstältesten amtierenden Ministerpräsidenten Deutschlands, hängt er auch noch ein paar Jahre dran?

Gabriele Haseloff lässt sich da jedenfalls vorerst nicht locken. Sie lächelt gelassen. "Das müssen Sie ihn fragen."

Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

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