Dieser legendäre DDR-Flitzer soll wieder Rennen fahren!
Teicha - Noch steht in der Werkstatt von Ralf Schaum (73) ein abgewrackter Rennwagen. Im DDR-Rennsport war die "silbernen Zigarre" einst eine große Nummer. Schaum will den Wagen wieder aufbauen - und in Monte Carlo starten.
"Mittlerweile kann auch ein Laie erkennen, dass in meiner Werkstatt ein Rennwagen entsteht", sagt Ralf Schaum, den fast alle seine Freunde nur Rascha nennen. Seit gut zwei Jahren baut der Kfz-Experte aus Teicha im Saalekreis an dem Oldtimer. Den Wunsch, einmal am Steuer jenes Willy-Lehmann-Wartburg SEG II zu sitzen, verfolgt er seit seiner Jugendzeit.
"Ich war Augenzeuge, als Willy Lehmann 1966 mit diesem Wagen das Formel-III-Rennen auf der Halle-Saale-Schleife gewonnen hat", nennt Schaum den Ausgangspunkt seiner Begeisterung und präsentiert Fotos, die er damals als Lehrling geschossen hat.
Die Eindrücke des Rennens behielt der bis heute aktive Motorsportler aus Teicha bei Halle über die Jahre hinweg abrufbereit in seinem Kopf. Als er erfuhr, dass in Sachsen wichtige Teile des legendären Lehmann-Wartburgs von einem Sammler aufbewahrt werden, weckte die alten Erinnerungen. Kurzentschlossen kaufte Rascha 2019 die Überreste.
"Seither stehen sie in meiner Werkstatt", berichtet der Bastler und deutet auf ein 3,50 Meter langes und 1,15 Meter breites Metallgestell - den Rahmen des abgewrackten Rennwagens.
Nicht nur in der DDR ein Erfolgsgarant
Den "Traum seiner Jugend" will er gleichsam in den Erstzustand zurückversetzen. "Jedes nachgebaute Teil muss deshalb dem Original gleichen", sagt der 73-Jährige zu seinem Ziel.
Sein Idol, Willy Lehmann aus Bitterfeld, gehörte einst zu den Großen des DDR-Rennsports (Formel III). Nicht nur auf den Rennstrecken der DDR - wie dem Sachsenring, der Autobahnspinne in Dresden und dem Schleizer Dreieck - lieferte sich der für den Motorsportclub Halle startende Kfz-Meister aus Bitterfeld packenden Duelle mit seinen Rivalen.
Auch in der damaligen Bundesrepublik, in Österreich, in der Tschechoslowakei und Polen war Lehmann mit seiner "silbernen Zigarre" erfolgreich. 1967 endete dessen Motorsportkarriere, zu der zehn DDR-Meister-Titel in der Formel III und der Formel Junior gehören.
Der legendäre Rennwagen fand neue Besitzer - und nahm mit neuem Motor noch bis 1974 erfolgreich an Wettkämpfen teil.
Erstes Rennen 2023
Die "lange Auszeit" des Fahrzeugs stört Schaum nicht, er besitzt genügend Fantasie, um sich sein Traum-Auto im fahrbereiten Zustand vorzustellen. In seinem großen Freundeskreis hat sich Oldtimer-Liebhaber Schaum sachkundige Verbündete für sein Vorhaben gesucht, "motorsportbegeisterte Fachleute, die zumeist auch Fahrzeugteile fertigen können".
Dass unter den fleißigen Helfern mit Wolfgang Wiele sogar noch ein Mann aus Willy Lehmanns ehemaligem Team ist, nennt Rascha "einen besonderen Glücksfall". Der pensionierte Mechaniker aus Bitterfeld, der 1963 den Rahmen des erfolgreichsten DDR-Rennwagens in Lehmanns Wartburg-Vertragswerkstatt geschweißt hat, kennt noch jede Naht an dem Gestell und kann viel über die "Formel 1 des Ostens" erzählen.
Einige neue Teile, wie Räder und Felgen, befinden bereits in der Werkstatt in Teicha, ebenso das Gehäuse für das Zwischengetriebe und der 100-PS-Motor. Für den Bau der Verkleidung fertigte der gelernte Karosseriewerker, dessen Frau Hannchen die unter Motorsportlern sehr beliebte Oldtimer-Gaststätte "Zur Linde" leitet, eine spezielle Form. "Sorgfalt geht Ralf über alles. Da hierfür Unterlagen fehlen, musste er sich an Fotos orientieren", erzählt die Linden-Wirtin, die die Arbeit ihres Mannes mit großem Interesse begleitet.
Im nächsten Jahr soll dann in Monte Carlo das erste Rennen gefahren werden. "Besonders freue ich mich auf die imposante Tunnelpassage", sagt Schaum.
Rascha ist trotz seines Alters immer noch mit "Leib und Seele" Rennfahrer. Erst Ende des Sommers 2021 zeigte der sportliche Senior mit seiner Simson-Maschine im italienischen Imola - beim Revival-Rennen - in der 50-Kubikzentimter-Klasse sein Können.
Titelfoto: Heiko Rebsch/dpa-Zentralbild/dpa