Tonnenschwere Verantwortung: Brigade von Oberfeldwebel Lisa R. schon bald "Speerspitze der NATO"?

Wittenberg - Sanitäterin hatte sie werden wollen - eigentlich. Zweitwunsch war ein Job im "Stab", also Büro. Hätte, hätte, Panzerkette ...

Heute, gut sechs Jahre nach ihrer Grundausbildung, ist Lisa R. (24) Oberfeldwebel der Bundeswehr, kommandiert bei den Panzergrenadieren einen 33 Tonnen schweren "Marder" samt achtköpfiger Besatzung - alles Männer. Außerdem ist ihre Einheit in diesem Jahr für besondere Aufgaben vorgesehen, als sogenannte "Speerspitze der Nato". Und das in Krisenzeiten, wie es sie in Europa jahrzehntelang so nicht gab. Manch einem würde da mulmig werden ...

Lisa R. lugt aus der Luke ihres Arbeitsplatzes. Bei Bedarf wird "abgetaucht".
Lisa R. lugt aus der Luke ihres Arbeitsplatzes. Bei Bedarf wird "abgetaucht".  © Uwe Meinhold

Lisa R. wuchs in Lutherstadt Wittenberg auf. Ein Onkel von ihr war schon "beim Bund". Eine Faszination für Waffen und alles Militärische hatte Lisa auch. Da passte es, dass ihr zivile Berufswünsche ohnehin kaum in den Sinn kamen. Also Bundeswehr!

"Zuerst als Mannschafter", wie Lisa im BW-Jargon erklärt. "Weil ich sehen wollte, ob ich die Herausforderung überhaupt schaffe." Leicht war es nicht - Ausrüstung, Bewaffnung und Gepäck eines Panzergrenadiers wiegen schnell mal um die 20 Kilogramm.

"Körperlich ist das schon anstrengend, gerade als Frau", räumt die Soldatin ein, die zwar sehr sportlich, aber auch nicht übertrieben großgewachsen ist. Dann, von Sommer 2017 bis Anfang 2018, kam ihr erster Auslandseinsatz.

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In Litauen bekam Lisa noch genauer zu spüren, was das Leben in der Truppe so ausmacht. Die guten und die weniger guten Seiten. "Man hat viel gelernt, oft im Gelände geübt", erinnert sie sich positiv an die dienstlichen Dinge. Soll heißen: An Material und Munition musste nicht geknausert werden, anders als sonst.

Auch was die Kameradschaft anging, das Miteinander im Feld und nach Dienstschluss, war der Einsatz in Litauen prägend. Enge und Fremde schweißen nun mal zusammen. Andererseits: Wenn man sich zu fünft eine Stube teilt, Tag für Tag, Nacht für Nacht, bleibt die Privatsphäre leicht auf der Strecke. In jener Zeit hatte Lisa R. einen Todesfall in der Familie. "Zum Trauern blieb da wenig Zeit", musste sie feststellen.

Lisa R. ist Kommandantin eines Marder-Schützenpanzers

Innen überrascht der Schützenpanzer mit viel Technik.
Innen überrascht der Schützenpanzer mit viel Technik.  © Uwe Meinhold

Und doch war der Sachsen-Anhalterin spätestens nach diesem Auslandseinsatz klar, dass sie bei der Bundeswehr bleiben möchte. Sie bewarb sich für die Feldwebel-Laufbahn, wurde genommen. Strich für Strich wurden ihre Schulterstücke nun "voller".

Als Oberfeldwebel ist sie heute Kommandantin eines Marder-Schützenpanzers, außerdem Gruppenführerin. Gibt's da als Frau nicht Durchsetzungsprobleme? Schließlich liegt der Frauenanteil in ihrer Einheit bei gerade mal vier Prozent (Bundeswehr insgesamt: 13 Prozent)?

"Natürlich macht das einen Unterschied", hat Lisa R. erfahren. Und gelernt: "Als junge Frau muss man sich halt stets und ständig beweisen." Das schaffe sie aber eher, wenn sie selber mit gutem Beispiel vorangehe, ihre Gruppe gut ausbilde.

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Rumschnauzen und Einschüchtern sind dagegen weniger ihr Ding. "Die Bundeswehr ist menschenfreundlicher geworden", lacht sie.

Spätestens beim Krieg hören Spaß und Freundschaft aber schnell auf. Als Lisa R. sich für eine Karriere in Oliv entschied, schien ein Krieg vor der Haustür kaum denkbar. Jetzt aber müssen sie und ihre Kameraden sehr wohl damit rechnen, im Krisenfall ruckzuck verlegt zu werden. Dorthin, wo's knallt. Vielleicht auch weh tut. Oder Schlimmeres.

"Very High Readiness Joint Task Force" nennt die NATO das, wofür das Marienberger Panzergrenadierbataillon 371 im Kalenderjahr 2023 vorgemerkt ist. Der Ernstfall rückt damit gefühlt näher.

Blöd gelaufen? "Ich hatte mir immer bewusst gemacht, dass man in diesem Beruf auch sterben kann", kontert Lisa R. Andere Kameraden mögen das vielleicht verdrängt haben, immerhin höre man jetzt von Soldaten, die den Kriegsdienst nachträglich verweigern. Sie selber kenne solche Fälle nicht. Und für sie persönlich stelle sich diese Frage nicht.

Bedrohungen haben sich verändert

Die Marienberger Erzgebirgskaserne ist Standort der Panzerbrigade 371.
Die Marienberger Erzgebirgskaserne ist Standort der Panzerbrigade 371.  © Uwe Meinhold

Was sich allerdings geändert habe, sagt Lisa R., sei die Art und Weise der Bedrohung - und damit auch die Sicht auf den potenziellen Feind. "Vor ein paar Jahren noch lag der Schwerpunkt auf irregulären Kräften", erklärt Oberfeldwebel R. Im Visier der Truppe waren zum Beispiel auf islamistische Terroristen, die Anschläge verüben.

Jetzt, in der Ukraine, werde wieder ein klassischer Krieg mit relativ klaren Fronten geführt, wie er fast als Auslaufmodell galt. "Das heißt, dass dein Gegenüber jemand ist, der morgens seine Uniform anzieht, um für sein Land zu kämpfen", stellt die junge Frau fest. Jemand wie man selbst. Psychologisch mache das den Kampf jedenfalls nicht leichter.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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