Besonders schlechter Jahrgang? Versetzung von 40 Erstklässlern aus derselben Schule gefährdet!
Ludwigshafen - Diese Quote wäre ein echtes Schul-Desaster! In der Ludwigshafener Gräfenauschule sollen bis zu 40 Erstklässler akut versetzungsgefährdet sein. Der Fall schlägt hohe Wellen. Ein Gewerkschafter schlägt nun Alarm.
In nahezu jeder Schule gibt es Kinder und Jugendliche, die die nächsthöhere Klassenstufe aus den unterschiedlichsten Gründen nicht erreichen.
Was nun aber aus einer Ludwigshafener Grundschule aus dem Stadtteil Hemshof zu hören ist, sprengt alle Vorstellungskraft - und zwar im negativen Sinne. Wie der "SWR" berichtet, droht ein kollektives Sitzenbleiben von sage und schreibe 40 Erstklässlern.
Und alle fragen sich: Wie konnte das nur passieren? Die Antwort auf diese Frage mag in Teilen schockieren, doch sie ist die logische Konsequenz aus falschen Vorstellungen und hat eine Vorgeschichte.
Auch wenn die Gräfenauschule im Ludwigshafener Norden auf den ersten Blick wie eine ganz normale Grundschule wirkt, ist sie das in Hinblick auf die schwierigen kulturellen und sprachlichen Umstände mitnichten.
Der Grund: Die wenigsten Schüler sind der deutschen Sprache mächtig, einige von ihnen sollen nach Angaben der Schulleitung bei ihrer Einschulung sogar überhaupt kein Wort verstehen. 98 Prozent der Schüler besitzen einen Migrationshintergrund.
Probleme sind vielschichtig und beginnen weit vor der Einschulung
Die Lehrkräfte an besagter Schule würden Höchstarbeit leisten, denn sie seien nicht nur als Pauker gefragt, sondern zudem als Erzieher und Alleskönner.
Da es in der gesamten Stadt zu wenige Kita-Plätze gibt, würde sich schnell offenbaren, dass eine gewisse Anzahl der Schüler zum allerersten Mal überhaupt in der Grundschule mit einer staatlichen Institution in Kontakt kämen.
Eine der wichtigsten Aufgaben für die Lehrkräfte besteht deshalb darin, den Kindern beizubringen, wie man still auf einem Stuhl sitzt, einen Stift in die Hand nimmt sowie weitere grundlegendste Dinge, die für den Schulalltag erforderlich sind, lehrt.
Die fehlende Kita-Zeit in Kombination mit den gravierenden Sprachdefiziten stelle alle Beteiligten der Schule vor schier unüberbrückbare Herausforderungen.
Hinzu kämen Eltern, die ihren Kindern kaum Unterstützung zukommen lassen würden, da diese entweder selbst aus bildungsfernen Ländern kämen oder gar morgens nicht bereit wären, für ihre Kinder aufzustehen. Damit einher gehe eine mangelhafte Hausaufgabenkontrolle.
Schulleiterin erschrocken und empört: "Oh je, das sind ja zwei Klassen!"
Für die Schulleiterin der Gräfenauschule, Barbara Mächtle, ist diese Bilanz ein Schock.
Und nicht nur für sie: Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer, gab gegenüber dem SWR zu Protokoll, dass er schockiert über die Situation an der Ludwigshafener Grundschule sei.
Sie zeige, dass man jetzt ganz genau hinschauen müsse, was da gerade in den Grundschulen in Rheinland-Pfalz passiere.
Der GEW-Vorsitzende will nicht die Augen vor den bildungspolitischen Problemen im Land verschließen und drängt auf Lösungen: "Ich glaube, da kommt eine Welle auf uns zu von Schülerinnen und Schülern, die nicht so vorgebildet sind, wie wir das gewohnt sind und wir müssen uns darauf vorbereiten", so seine Kurzanalyse.
Auch mehr Fachpersonal müsse laut Hammer dringend aufgebracht werden - und zwar nicht nur in den Schulen selbst, die oft personell wie strategisch nicht mehr in der Lage seien, auf die veränderte Lage angemessen zu reagieren.
So bringt Hammer mit einer zweiten Fachkraft, die als Dolmetscherin beim Deutschlernen unterstützen könne, einen konstruktiven Lösungsansatz ins Spiel.
Titelfoto: Sebastian Gollnow/dpa