Hochwasser-Katastrophe in Rheinland-Pfalz: Noch vierstellige Zahl von Vermissten
Koblenz - Nach der Hochwasser-Katastrophe im Großraum Ahrweiler ist die Zahl der Todesopfer bis Sonntagmorgen nach Polizeiangaben auf mindestens 110 gestiegen.
Es sei zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen, teilte die Polizei am Samstagmorgen mit. Insgesamt liege dem Polizeipräsidium die Meldung über insgesamt 618 Verletzte vor. Auch diese Zahl könne sich noch weiter erhöhen. Mehr als zwei Tage nach dem Unglück werden noch Menschen vermisst.
In Rheinland-Pfalz ist der Kreis Ahrweiler Schwerpunkt der Katastrophe. Am Freitag hatte Innenminister Roger Lewentz (58, SPD) noch von 63 Todesopfern gesprochen. Die Zahl der Verletzten lag am Freitag noch bei 362.
Unter den Toten sind zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung in Sinzig, an der Mündung der Ahr in den Rhein.
"Das Wasser drang innerhalb einer Minute bis an die Decke des Erdgeschosses", sagte der Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz, Matthias Mandos.
Die Nachtwache habe es noch geschafft, mehrere Bewohner in den ersten Stock des Wohnheims zu bringen. "Als er die nächsten holen wollte, kam er schon zu spät."
Am Freitag war an dem Gebäude eine etwa drei Meter hoch reichende Schlammschicht zu sehen, die über die Fenster des Erdgeschosses reichte.
Folgen der Hochwasserkatastrophe: Strom- und Telefonnetz vielerorts ausgefallen
In vielen Ortschaften sei weiterhin das Strom- und Telefonnetz ausgefallen. Angehörige, Freunde oder Bekannte, die jemanden vermissen, können sich unter der Rufnummer 0800/6565651 bei der Polizei melden. Die Hotline sei rund um die Uhr erreichbar und nehme jeden Hinweis entgegen.
Die Polizei war in der Nacht nach Angaben des Präsidiums mit vielen Einsatzkräften in den betroffenen Ortslagen im Einsatz. Durch das Unwetter seien viele Straßen im Ahrtal weiterhin gesperrt oder nicht mehr befahrbar. Die Polizei bittet darum, das Ahrtal weiträumig zu umfahren. Rettungswege müssen für Rettungskräfte frei gehalten werden.
Die Wetterlage hat sich inzwischen entspannt. Es bleibt aber wechselhaft, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Daher könne es auch weiter zu örtlichen Gewittern mit Starkregen kommen. Erst am Wochenende sollen die Niederschläge aufhören.
Die Landesregierung beschloss die Einrichtung einer Stabsstelle Wiederaufbau. Die Bundesregierung will in der kommenden Woche über Aufbauhilfen für Bürger und Kommunen in den Überschwemmungsgebieten entscheiden.
Update, 19. Juli, 16.19 Uhr: Seehofer: "Wir erleben eine unfassbare Tragödie"
Bundesinnenminister Horst Seehofer (72,CSU) hat sich bei einem Besuch des Katastrophengebietes im Norden von Rheinland-Pfalz betroffen gezeigt. "Wir erleben in diesen Tagen eine unfassbare Tragödie", sagte er am Montag im vom Hochwasser hart getroffenen Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Ich habe in einem langen politischen Leben mit vielen Katastrophen in Bayern mit Wasser und Schnee so etwas noch nie erlebt", sagte der Minister.
Es handele sich um eine Ausnahmesituation, "die wir auch bei aller Anstrengungen vor Ort nur in einem großen nationalen Kraftakt bewältigen können". In Begleitung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und dem rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) machte sich Seehofer auch einen Eindruck von Hilfseinsätzen wie dem Aufbau mobiler Trinkwasseranlagen durch das Technische Hilfswerk (THW).
Um den Menschen vor Ort zu helfen, stellen die Helfer des THW in der Eifelgemeinde sauberes Trinkwasser zur Verfügung. "Die großflächigen Überschwemmungen haben die Infrastruktur zerstört, an vielen Orten - wie im Stadtkern von Bad Neuenahr-Ahrweiler - gibt es kein Trinkwasser", sagte ein Sprecher des THW. Dort sind zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen aufgebaut worden: Sie können 30.000 Liter Wasser pro Stunde aufbereiten und somit Tausende von Menschen in der Region versorgen, sagte er.
Im Laufe des Montags sollte sauberes Wasser an Bürger abgegeben werden, ab Dienstag dann auch ins Netz des Krankenhauses eingespeist werden. Neben den beiden Anlagen sorgt bereits eine weitere Anlage im Ort Schuld für sauberes Trinkwasser. Zudem gebe es eine weitere vierte Anlage in Bereitschaft: "Wir schauen gerade, wo wir die aufbauen", sagte der Sprecher.
Update, 19. Juli, 16 Uhr: Lewentz: Noch vierstellige Zahl von Vermissten nach Überschwemmungen
In Rheinland-Pfalz werden nach der Hochwasserkatastrophe immer noch viele Menschen vermisst. "Wir sind insgesamt immer noch in einem vierstelligen Bereich", sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Montag bei einem Besuch in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Genauer könne er die Zahl derzeit nicht angeben. "Wir haben in einem vierstelligen Bereich schon Vermisstensituationen nachverfolgen und auflösen können", betonte er. "Die Polizei arbeitet das sehr konsequent ab."
Unter Hinweis auf bisher 117 Todesopfer sagte Lewentz, die Todeszahlen stiegen nach wie vor an. "Und wenn Sie diese Verwüstungen hier sehen, dann können Sie sich vorstellen, dass wir noch weitere tote Menschen finden werden." Die Polizei habe am Montag begonnen, "Planquadrat für Planquadrat in die Häuser hineinzugehen". Dies müsse von der Polizei gemacht werden: "Nicht, dass Nachbarn ihre Nachbarn finden."
Die Suche nach Vermissten sei nach wie vor schwierig, weil Daten und Mobilfunksysteme "zusammengeklappt" seien. Jede Meldung müsse einzeln abgearbeitet werden. Bis zu 1200 Polizeibeamte seien im Einsatz. "Wir erleben, dass die Menschen sehr froh sind, uniformierte Kräfte zu sehen."
"Wir sind eingestellt auf eine enorm lange Lage. Das wird nicht in Wochen zu bewältigen sein, sondern wir gehen von Monaten aus", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister. Der Wiederaufbau werde "enorme Gelder" benötigen: "Aber Bundesregierung und Landesregierung werden an der Seite der Menschen hier stehen."
Update, 19. Juli, 14.40 Uhr: DWD gab Montag erste Warninformation heraus
Im Fall der schweren Unwetter in der vergangenen Woche im Westen Deutschlands haben die Rechenmodelle des Deutschen Wetterdiensts (DWD) bereits am Montag klare Hinweise gegeben.
Dazu äußerte sich nun ein Experte. Weitere Informationen gibt es hier.
Update, 19. Juli, 10.52 Uhr: Zahl der Toten auf 117 gestiegen - 749 Verletzte
Die Zahl der Toten nach den verheerenden Überschwemmungen im Kreis Ahrweiler ist auf 117 gestiegen. Zudem seien mindestens 749 Menschen verletzt worden, teilte eine Sprecherin der Polizei in Koblenz am Montag mit. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist weiterhin unklar.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besucht am (heutigen) Montag in Ahrweiler ein Krankenhaus. Nach Angaben des Technischen Hilfswerks (THW) will er sich vor Ort einen Eindruck von den THW-Arbeiten in den besonders von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten verschaffen. Zuvor besucht er in Nordrhein-Westfalen Einsatzkräfte an der Steinbachtalsperre.
Update, 19. Juli, 6.01 Uhr: Aufräumarbeiten gehen weiter - Helfer gehen in Sachspenden unter
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besucht am Montag das von der Unwetterkatastrophe besonders betroffene Gebiet in Rheinland-Pfalz. Er informiert sich in Bad Neuenahr-Ahrweiler über die Arbeit der Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) in der Katastrophenregion. Bereits am Sonntag hatten hier Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit Rettungskräften gesprochen und den Menschen vor Ort Hilfe zugesichert.
Merkel hatte sich spürbar betroffen gezeigt: "Die deutsche Sprache kennt kaum ein Wort für die Verwüstungen, die hier angerichtet wurden", sagte sie. Dreyer ging von einem "Kraftakt auf lange, lange Zeit" aus, bis der Wiederaufbau in den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten bewältigt ist. "Es wird lange dauern, bis die Leute wieder sagen können, ich erkenne meine Heimat wieder."
Vorrang habe nun die Suche nach den noch immer Vermissten. "Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden", versprach Dreyer. Auch Merkel sagte, die Rettungsarbeiten hätten "absoluten Vorrang". Der mit den Tränen kämpfende Ortsbürgermeister Helmut Lussi sprach von "Narben, die bleiben", als er den Politikerinnen von den Auswirkungen der Katastrophe auf die Menschen in den Orten erzählte.
Die Hilfsbereitschaft, so berichteten Kommunalpolitiker und Einsatzkräfte, sei enorm, sorge mittlerweile aber für neue Probleme. "Wir ertrinken in Sachspenden", hieß es immer wieder. Diese zu erfassen, zu sortieren und zu verteilen binde Kapazitäten. Bei aller Dankbarkeit für die überwältigende Hilfsbereitschaft werde daher gebeten, sich nun auf Geldspenden zu beschränken, um den Menschen vor Ort schnell helfen zu können.
Die genaue Zahl der Toten und Verletzten in Rheinland-Pfalz steht unterdessen immer noch nicht fest. Nach Angaben der Einsatzleitung vom Sonntag wurde von etwa 110 Toten und 670 Verletzten ausgegangen - es würden aber noch immer Tote geborgen.
Update, 18. Juli, 18.12 Uhr: Viele Standorte nach Unwetter wieder mit Handynetz
Die Mobilfunkanbieter Telefónica Deutschland und Vodafone haben nach eigenen Angaben das durch die Unwetterkatastrophe beschädigte Handynetz vielerorts wieder herstellen können.
Von Telefónica hieß es am Sonntag, seit Freitag arbeiteten Techniker daran im Dauereinsatz. Inzwischen habe man an mehr als zwei Dritteln der Standorte, die von einem Stromausfall betroffen waren, das Mobilfunknetz wieder instandgesetzt.
Vodafone teilte am Sonntag mit, weniger als zehn Prozent der Vodafone-Kunden seien noch ohne Handyempfang.
Update, 18. Juli, 15.33 Uhr: Landkreis Trier-Saarburg bittet darum, keine Sachspenden mehr zu senden
Der Landkreis Trier-Saarburg bittet darum, keine weiteren Sachspenden für Betroffene der Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz zu senden.
Nach großer Hilfsbereitschaft müsse die Hilfslogistik erstmal die Spenden der letzten Tage stemmen, erklärte Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg am Sonntag.
Allein aus dem Rettungsdienstbezirk Donnersbergkreis, Kusel und Kaiserslautern seien am Sonntag elf Sattelzüge, fünf LKW und elf Transporter mit Hilfsgütern eingetroffen, erklärte Müller. Der Kreis organisiere nun die Verteilung.
Am Nürburgring seien nun vor allem Helfer aus dem Umkreis gesucht, sagte Mirco Hillmann vom ADAC Mittelrhein. "Wir haben mittlerweile drei Fußballfelder an Sachspenden erhalten. Diese müssen wir nun an die Betroffenen der Umweltkatastrophe bringen."
Lediglich Gummistiefel, haltbare Lebensmittel, Spaten und Besen seien weiterhin als Spenden gefragt.
Update, 18. Juli, 14.50 Uhr: Kanzlerin Merkel im Katastrophengebiet
Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) hat bei ihrem Besuch in den vom Hochwasser schwer getroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz schnelle Hilfe angekündigt.
"Wir stehen an Ihrer Seite, Bund und Land", sagte sie am Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler. Bund und Land würden Hand in Hand arbeiten, "um die Welt wieder Schritt für Schritt in Ordnung zu bringen in dieser wunderschönen Gegend".
Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, "gespenstischen Bildern" vor Ort zu verschaffen, sagte Merkel. "Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist."
Am kommenden Mittwoch werde die Bundesregierung ein Programm verabschieden für schnelle Hilfen, mittelfristige Aufgaben und zur Wiederherstellung der Infrastruktur, versicherte Merkel. Es gehe darum, schnell zu handeln, aber mit langem Atem.
Außerdem versprach die Bundeskanzlerin mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. "Wir sehen, mit welcher Gewalt die Natur agieren kann", sagte Merkel. "Wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen - kurzfristig, aber auch mittel- und langfristig."
Es bedürfe einer Politik, "die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben".
Update, 18. Juli, 14.29 Uhr: Unwetterschäden an 600 Kilometern Bahngleisen und 80 Stationen
Die Unwetterkatastrophe in Deutschland hat auch bei der Bahn gravierende Schäden hinterlassen, die in den nächsten Tagen Folgen für die Reisenden und Pendler haben werden.
Nach einem ersten Lagebild gab es in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz "massive Beschädigungen" an 80 Stationen und Haltepunkten sowie an Gleisen auf mehr als 600 Kilometern Länge, wie die Deutsche Bahn am Sonntag in Düsseldorf mitteilte.
Auch Weichen, Signaltechnik, Stellwerke, Brücken sowie Fahrzeuge seien durch Wasser, Schlamm und Geröll beschädigt worden. Nun werde mit Hochdruck daran gearbeitet, alle Schäden zu beseitigen. 2000 Bahnbeschäftigte seien seit Mittwoch in den betroffenen Regionen im Einsatz.
Noch immer müsse an vielen Stellen Wasser abfließen und danach Schlamm und Geröll abgetragen werden. Auf der linken Rheinseite fahren seit Sonntag zwischen Bonn und Koblenz wieder Züge.
Der Nahverkehr mit S-Bahnen und Regionalzügen bleibe in NRW und in Teilen von Rheinland-Pfalz "stark beeinträchtigt", hieß es in der Mitteilung mit Blick auf das Ahrtal, die Eifel, das Siegerland und die Gegend um Hagen. Auf Pendler kämen zum Wochenstart noch auf "erhebliche Einschränkungen" zu.
Update, 18. Juli, 12.04 Uhr: Hochwasserlage an Mosel und Saar entspannt sich
Die Hochwasserlage an Saar und Mosel entspannt sich. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes prägt Hochdruckeinfluss das Wettergeschehen im Moseleinzugsgebiet. "Am heutigen Sonntag und am Montag bleibt es vielfach trocken. Bis einschließlich Freitag ist voraussichtlich nicht mit weiteren Niederschlägen zu rechnen", hieß es am Sonntag in Offenbach. "Es werden keine warnwürdigen Wettererscheinungen erwartet."
An der Obermosel fallen die Wasserstände bereits, wie die Hochwasservorhersagezentrale des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz am Sonntag berichtete. Am Pegel Perl wurde der Höchststand von 5,21 Metern am Samstagnachmittag erreicht. Am Pegel Trier werde die Meldehöhe von 6 Metern voraussichtlich in Kürze unterschritten. "Auch im Verlauf der kommenden Woche werden die Wasserstände an der gesamten Mosel weiter deutlich fallen." Auch an der Saar sei weiterhin mit fallenden Wasserständen zu rechnen.
Update, 18. Juli, 11.24 Uhr: Rheinland-Pfalz weitet psychosoziales Hilfsangebot nach Unwetter aus
Nach der Unwetterkatastrophe mit bislang 110 Todesopfern in Rheinland-Pfalz erweitert das Land die psychosoziale Hilfe für Angehörige und andere Betroffene. In Zusammenarbeit mit dem Schulpsychologischen Beratungsdienst und der Landespsychotherapeutenkammer soll ein telefonisches Therapieangebot geschaffen werden, wie das rheinland-pfälzische Sozialministerium am Sonntag mitteilte.
"Wir wollen die Menschen, die durch das katastrophale Unwetter den Verlust eines Menschen betrauern, selbst in existenzielle Not geraten sind oder durch die Naturgewalten ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, nicht allein lassen", erklärten Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD), der Opferschutzbeauftragte Detlef Placzek und Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Somit stehen etwa Schulpsychologen bereit, um Hilfesuchende zu unterstützen und mit ihnen das Erlebte zu verarbeiten, erläuterte die Bildungsministerin.
Unter der Nummer 0800/5758767 können Betroffene der Umweltkatastrophe ab Montag zwischen 9 Uhr und 16 Uhr psychologische Beratung oder einen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz finden. Psychosoziale Akutbetreuung kann weiterhin unter der Nummer 0800/0010218 in Anspruch genommen werden.
Update, 18. Juli, 11.23 Uhr: Land übernimmt Einsatzleitung im Katastrophengebiet an der Ahr
Die Einsatzleitung für den Katastropheneinsatz in Bad Neuenahr-Ahrweiler liegt nun beim Land Rheinland-Pfalz. Der Landkreis hat das Land gebeten, die Einsatzleitung zu übernehmen. "Die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der verheerenden Unwetterkatastrophe übersteigen bei weitem die Einsatzmöglichkeiten des örtlichen Katastrophenschutzes", teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) am Sonntag mit.
Die ADD ist die zuständige Landesbehörde für den Katastrophenschutz. "Das ist das erste Mal, dass sich in Rheinland-Pfalz eine Naturkatastrophe in dieser Größenordnung ereignet hat. Wir werden alles Erdenkliche tun, um die Folgen der Katastrophe gemeinsam zu bekämpfen. Die Kräfte des Landes und des Landkreises arbeiten eng zusammen", sagte ADD-Präsident Thomas Linnertz.
Update, 18. Juli, 11.17 Uhr: Suche nach Opfern geht weiter - Luftbildaufnahmen sollen helfen
Die aufwendigen Such- und Rettungsmaßnahmen in den teils völlig zerstörten Ortschaften in Rheinland-Pfalz dauern auch am Sonntag an. Die Unwetterkatastrophe im Landkreis Ahrweiler hat bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden verletzt. "Es ist zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen", berichtete die Polizei in Trier.
Mehrere Hubschrauber haben Luftbildaufnahmen des betroffenen Gebiets gefertigt. Mithilfe dieser Aufnahmen suchen Rettungskräfte am Boden gezielt und systematisch die Sektoren ab. Der Einsatz von Drohnen war nicht möglich, um die Hubschrauber keiner Gefahr auszusetzen. Das Absuchen des gesamten Geländes soll am Sonntag bis zum Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen sein. Über weitere Suchmaßnahmen werde dann erneut entschieden, hieß es bei der Polizei.
Man sei seit Beginn der Flut am späten Mittwochabend "durchgehend mit sehr starker Kräftepräsenz im Einsatzraum", berichtete die Polizei. In vielen Orten sei noch immer das Strom- und Telefonnetz ausgefallen. Die Polizei warnt weiter alle Betroffenen im Katastrophengebiet vor freiliegenden Stromleitungen. Unter Umständen könnten Stromleitungen auch noch aus mehreren Metern und auch ohne direkten Kontakt lebensgefährlich sein.
"Wir bitten die Bevölkerung weiterhin, das Ahrtal weiträumig zu umfahren", appellierten die Einsatzkräfte. Durch das Unwetter ist eine Vielzahl der Straßen im Ahrtal gesperrt oder nicht mehr befahrbar.
Update, 18. Juli, 9.31 Uhr: DRK Hessen hilft bei Trinkwasserversorgung in Rheinland-Pfalz
250 Einsatzkräfte aus Hessen helfen beim Roten Kreuz in den Hochwasserregionen. Im Auftrag des Hessischen Innenministeriums liefere das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Trinkwasserversorgungsanlagen zum Nürburgring, wie das DRK mitteilte. Es würden vier 3800-Liter-Tanks und zwei 7000-Liter-Tanks sowie insgesamt 20 Ausgabestellen transportiert. Parallel dazu helfen 19 Fachkräfte bei der psychosozialen Notfallversorgung im Raum Ahrweiler. Seit Samstag sind zudem knapp 100 Einsatzkräfte auf 48 Krankentransportwagen auf dem Weg in die Katastrophenregionen.
Update, 18. Juli, 6.42 Uhr: Mindestes 110 Menschen sterben bei Hochwasserkatastrophe in Ahrweiler
Nach der Hochwasserkatastrophe im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz hat sich die Zahl der Todesopfer bis Sonntagmorgen auf 110 erhöht. Ebenso wurden 670 Personen verletzt, wie die Polizei mitteilte. Die Zahl der Toten und Verletzten könnte sich aber weiter erhöhen. In einer Vielzahl der umliegenden Gemeinden gibt es auch weiterhin weder Strom noch Telefonempfang. Ebenso sind weiterhin eine Vielzahl der Straßen im Ahrtal gesperrt.
Update, 17.24 Uhr: Anzahl der Toten in Rheinland-Pfalz steigt auf knapp 100
Nach der Hochwasserkatastrophe ist die Zahl der bestätigten Todesopfer in Rheinland-Pfalz auf 98 gestiegen.
"Es ist zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen", sagte ein Sprecher der Polizei in Koblenz am späten Samstagnachmittag.
Zudem waren der Polizei 670 verletzte Personen im Kreis Ahrweiler bekannt. Auch mehr als zwei Tage nach dem Unglück werden noch Menschen vermisst. Über die genaue Zahl konnte der Sprecher keine Angaben machen.
Update, 15,45 Uhr: Nach Flut treffen Spenden ein
Nach der Flutkatastrophe in Teilen von Rheinland-Pfalz gehen Abertausende von Sachspenden zur Linderung der Not ein.
"Die Hilfsbereitschaft aus Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern ist überwältigend", sagte ein Sprecher des Landesfeuerwehrverbandes am Samstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Sowohl verschiedene Feuerwehren des Landes als auch Hilfsorganisationen, Unternehmen und private Initiativen hätten mittlerweile in vielen Kommunen des Landes Sammelstellen eingerichtet.
"Im Moment kommt soviel an, dass es für die Helfer schwierig ist, den Überblick zu behalten", sagte der Sprecher. Die Spender würden nicht nur Kleidung, Hygieneartikel und Gebrauchsgegenstände spenden, sondern auch Geld geben.
Der Eifelkreis bat mit Blick auf die vielen bisher gespendeten Kleider und Lebensmittel vorerst um Zurückhaltung: "Die Kreisverwaltung dankt für die zahlreichen Angebote, weist jedoch noch einmal darauf hin, dass Sachspenden zum jetzigen Zeitpunkt in ausreichender Menge vorhanden sind", hieß es in einer Mitteilung.
Update, 15.20 Uhr: Polizei startet im Hochwassergebiet Ahrweiler neue Suche
Nach der Hochwasserkatastrophe will die Polizei in den besonders schwer zugänglichen Regionen im Raum Ahrweiler mit Hubschraubern nach weiteren Opfern der Flut suchen.
Das Gebiet werde in Sektoren eingeteilt, und es würden Luftaufnahmen gemacht, teilte die Polizei in Koblenz am Samstag mit.
Die Sektoren würden dann von Einsatzkräften systematisch abgesucht. Die Suche soll Sonntagabend bis zum Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen sein. Über weitere Suchen werde dann entschieden.
Update, 13.58 Uhr: Hessen schickt weitere Spezialkräfte nach Rheinland-Pfalz
Das Land Hessen entsendet rund 150 zusätzliche Helfer in die Unwettergebiete im Landkreis Ahrweiler.
"Aufgrund der nach wie vor katastrophalen Lage in verschiedenen Landkreisen hat der Krisenstab des Landes Rheinland-Pfalz die Bundesländer um Unterstützung gebeten", teilte das Innenministerium in Wiesbaden am Samstag mit.
Die Sanitätseinheiten sollen mit 48 Fahrzeugen bei der Verlegung von Patientinnen und Patienten helfen. Laut den Angaben wurden bislang insgesamt rund 900 hessische Spezialisten in die Krisengebiete in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen entsandt.
"Das ganze Ausmaß der Katastrophe offenbart sich aufgrund der schwierigen Bedingungen in den getroffenen Regionen nur langsam", erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU).
"Die Helferinnen und Helfer lassen nichts unversucht, Menschenleben zu retten, die Versorgung der betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten und die Infrastruktur schrittweise wiederherzustellen."
Update, 12.28 Uhr: Mehr Polizeipräsenz im Hochwassergebiet
In der besonders vom Hochwasser betroffen Region Ahrweiler in Rheinland-Pfalz erhöht die Polizei wegen möglicher Plünderung und wegen Hochwassertouristen die Präsenz. Dies teilte die Kreisverwaltung am Samstag mit. Die Lage in den überfluteten Gebieten sei noch immer sehr angespannt. Rund 1300 Einsatzkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet würden vor Ort helfen. Die Wasserstände sänken den Prognosen zufolge, neue Regenfälle würden nicht erwartet.
Update, 11.32 Uhr: Schwierige Aufräumarbeiten in Trier nach der Flut in vollem Gang
In dem vom Hochwasser massiv betroffenen Trierer Stadtteil Ehrang sind nach der Flut die Aufräumarbeiten in vollem Gang. "Da stapeln sich die Berge von Sperrmüll", sagte ein Stadtsprecher am Samstag. Erste Anwohner gingen zurück in die Häuser. "Wer da geschlafen hat, hatte kein Wasser und keinen Strom." Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Häuser, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.
In Trier-Ehrang war am Donnerstag die Kyll über die Ufer getreten und hatte große Teile des Stadtteils überschwemmt. Nach Angaben des Sprechers schwoll der Wasserstand des kleinen Flüsschens von knapp einem auf bis zu acht Meter an. Etwa 1000 Einwohner waren nach Angaben der Stadt Trier in Sicherheit gebracht worden. Zudem mussten ein Altenheim und ein Krankenhaus evakuiert werden.
Aus Anlass des Leids der Menschen in den Hochwassergebieten sollte es am Abend einen Klage-Gottesdienst in der Konstantin-Basilika in Trier geben. Nach Angaben der Evangelischen Kirche im Rheinland wollte auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (60, SPD) daran teilnehmen.
Update, 11.31 Uhr: Polizei warnt nach Hochwasser vor freiliegenden Stromleitungen
Nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz hat die Polizei wegen der zerstörten regionalen Infrastruktur vor den Gefahren freiliegender Stromleitungen gewarnt. "Unter Umständen können Stromleitungen auch noch aus mehreren Metern auch ohne direkten Kontakt lebensgefährlich sein", teilte die Polizei am Samstag in Koblenz mit. Menschen in der betroffenen Region sollten großen Abstand halten und sich nicht in Gefahr bringen. Ein Hubschrauber mit Fachleuten an Bord solle die Gefahr nun prüfen, sagte ein Sprecher.
Update, 11.29 Uhr: Ministerpräsidentin Dreyer beklagt Versäumnisse beim Klimaschutz
Die Hochwasserkatastrophe hat nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (60, SPD) schwere Versäumnisse beim Klimaschutz in Deutschland offengelegt. "In den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland vieles nicht umgesetzt, was notwendig gewesen wäre", sagte die Mainzer Regierungschefin der vom Hochwasser besonders stark betroffenen Regionen den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Es reiche nicht aus, Klimaziele lediglich auszusprechen. "Es kommt darauf an, die auf den unterschiedlichen Ebenen gesteckten Ziele in einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu erreichen", sagte Dreyer. Deutschland müsse "mehr Tempo an den Tag legen". Der Klimawandel sei angesichts der jüngsten Dürren und Unwetter nichts Abstraktes mehr. "Wir erleben ihn hautnah und schmerzhaft."
Dreyer forderte die Verbraucher auf, sich neu zu orientieren - zudem müssten die erneuerbaren Energien ausgebaut und die Industrie umgestellt werden. Außerdem müssten Unternehmen, die auf dem Weg seien zu einer klimaneutralen Produktion, unterstützt werden. Konkrete Forderungen und Vorhaben nannte die SPD-Politikerin aber nicht.
Update, 10.14 Uhr: Polizei-Appell an potenzielle Hochwassertouristen und Gaffer
Mit einem eindringlichen Appell hat sich die Polizei in Rheinland-Pfalz zum Start ins Wochenende über Twitter an potenzielle Hochwassertouristen und Gaffer gewandt.
"Es ist nicht an der Zeit für Touren in einem Katastrophengebiet", hieß es am Samstag von der Polizei in Mainz. Denn viele Menschen hätten dort gerade erst "großes Leid und Verluste erfahren".
Während des Katastropheneinsatzes seit Donnerstag war es bereits zu Behinderungen durch Schaulustige gekommen.
Update, 10 Uhr: Rettungseinsatz nach Flut in Rheinland-Pfalz läuft auf Hochtouren
Nach der Flutkatastrophe in der Region Ahrweiler sind auch am Samstag Hunderte Rettungskräfte in Rheinland-Pfalz auf der Suche nach weiteren Opfern und Vermissten. Die Polizei geht bislang von mehr als 90 Todesopfern und über 600 Verletzten aus. Bei dem Schadensausmaß sei mit weiteren Opfern zu rechnen, sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. "Der Einsatz läuft auf Hochtouren."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (65, SPD) plant für den Samstag einen Besuch in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen. Nach Rheinland-Pfalz wird er nach Angaben der Staatskanzlei in Mainz am Samstag nicht kommen. Hier plant Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) einen baldigen Besuch in der schwer verwüsteten Region des Bundeslandes.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (40) reiste am Freitag nach dem Abbruch ihres Urlaubs in die Krisengebiete in Rheinland-Pfalz. Sie verzichtete auf Pressebegleitung oder öffentliche Auftritte.
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