Ausgebeutet, einsam, allein: Das Lkw-Fahrer-Leben und seine gefährlichen Tücken
Mainz - Ein Lastwagen neben dem anderen - und doch völlig allein: Für die allermeisten Lkw-Fahrer sind die Abende und Wochenenden auf den Autobahn-Rastplätzen weitab von Familie, Freunden und Zuhause Tristesse pur.
"Die Fahrer sind regelmäßig von Freitag bis Sonntag auf den Autohöfen, in Industriegebieten oder Rastplätzen kaserniert", beschreibt der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, die Lage. "Es gibt keine Freizeitangebote, keine Sportmöglichkeiten - und es ist im Winter eiskalt."
"Wer in so einer Zwangslage steckt, wird offensichtlich ausgebeutet", stellt Michael Wahl fest, Koordinator eines Informationsprojekts für Lkw-Fernfahrer beim DGB. "Im Moment haben Lkw-Fahrer fast keine Chance auf faire Arbeitsbedingungen in der EU."
Die Verantwortung werde einfach weiter gereicht und gleiche den Verhältnissen in der Fleischindustrie, die die Pandemie ans Licht gebracht hat. "Die Zustände auf den Rastplätzen sind zu einem Teil dem Sozialdumping geschuldet", sagt auch Engelhardt.
Zwischen Gaskocher auf dem Rastplatz und Schlafplatz im Führerhaus greift so mancher auch zu Alkohol - und trinkt viel, mitunter zu viel. Nicht selten hätten Fahrer noch reichlich Restalkohol im Blut, wenn sie sich dann wieder ans Steuer setzten, beschreibt der Mainzer Polizeisprecher Rinaldo Roberto das Problem.
Die Polizei fischt auch in Rheinland-Pfalz bei fast jeder Kontrolle alkoholisierte Lkw-Fahrer heraus.
Viele Lkw-Fahrer greifen in ihrem tristen Alltag zum Alkohol
"Wir kontrollieren nahezu jede Woche auf den Rastplätzen im Bereich des Polizeipräsidiums", berichtet Roberto. "Und wir werden jedes Mal fündig." Ein Sonntag Ende Februar beispielsweise: Von 35 kontrollierten Fahrern, sind fünf alkoholisiert. "Viermal Abfahrt unterbunden, weil der Wert zu hoch war, Spitzenwert 1,78 Promille", heißt es im Polizeibericht.
Auf der Autobahn 65 in der Nähe von Edenkoben (Südliche Weinstraße) stoppte die Polizei an einem Montagabend im April einen Lastwagenfahrer, der in Schlangenlinien gefahren sein soll - mit 2,8 Promille. "Wir werden weiter kontrollieren und Druck erzeugen - um einfach auch zu zeigen: Wir schauen da nicht weg", beschreibt Innenminister Roger Lewentz (SPD) die Strategie.
"Nach dem Mobilitätspaket sollten die Fahrer eigentlich spätestens alle vier Wochen nach Hause. Das wird aber umgangen, weil es nicht kontrolliert werden kann", sagt Engelhardt. Die Fahrzeuge müssen ab Februar 2022 alle acht Wochen in die Heimat zurück.
"Befragungen zeigen, dass die meisten osteuropäischen Fahrer viele Wochen und oftmals sogar Monate überhaupt nicht nach Hause fahren und deren Lkw vielfach nur ein- oder zweimal im Jahr ins Heimatland zurückkehren - wenn überhaupt." Engelhardt sieht aber nicht nur die ausländischen Firmen und Fahrer in der Pflicht, sondern auch die deutschen Verlader, den Handel und die Verbraucher.
"Wenn ich als Verbraucher nur bereit bin, den billigsten Preis zu bezahlen, darf ich mich nicht beschweren, dass die Arbeitsbedingungen und sozialen Zustände miserabel sind."
Titelfoto: dpa/Sebastian Gollnow