Hering rund um LNG-Standort in Gefahr: Forscher nehmen Ostsee unter die Lupe
Sassnitz - Wissenschaftler schauen bei den Bauarbeiten für das Rügener Terminal für Flüssigerdgas (LNG) genauer hin wegen möglicher Auswirkungen auf den ohnehin stark dezimierten Hering.
Seit Dezember sind Forscher des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock regelmäßig vor Rügen in einem für die Fische besonderem Gebiet unterwegs. In der sogenannten Sassnitzer Rinne sammeln sich Heringe, bevor sie zum Laichen weiter in den Greifswalder Bodden ziehen, erklärte Stefanie Haase, die das Projekt betreut.
Genau hier ist allerdings Sediment verklappt worden, das beim Bau der Anbindungspipeline für das LNG-Terminal und bei Arbeiten im und um den Hafen von Mukran angefallen ist.
"Eine Veränderung in der Bodenstruktur hat natürlich auch Einfluss auf den Bestand", sagte Haase. Da dieser aktuell in einem sehr schlechten Zustand sei, müsse man versuchen, herauszufinden, welche Auswirkungen diese Schlickverklappung habe.
Überfischung, Klimawandel und andere Faktoren haben dem Hering der westlichen Ostsee zugesetzt. Dort darf er deshalb weitgehend nicht mehr gezielt gefischt werden. Der Greifswalder Bodden gilt als Kinderstube für die Fische.
Gasnetzbetreiber Gascade ist anderer Meinung
Bislang sind die Forscher dreimal zur Sassnitzer Rinne hinausgefahren und haben dort etwa mit Echoloten gemessen, wie viele Heringe sich dort aufhalten. Die Forscher messen außerdem von der Oberfläche bis zum Grund Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoff.
Das Thünen-Institut hatte sich gegen eine Verklappung von Sediment in der Sassnitzer Rinne ausgesprochen. Aus nautischer Sicht sei die Stelle natürlich attraktiv, erklärte Hasse. "Weil es einfach die tiefste Stelle in der Gegend ist."
Für den Hering wäre es gut gewesen, weiter hinauszufahren. Auch dort gebe es tiefe Stellen. "Im Optimalfall wird sowas natürlich vorher überprüft und im saisonalen Verlauf geguckt, welche Gebiete da vielleicht gut geeignet sind." Hier habe man das nur mit einer "Papierstudie gemacht und überhaupt nicht mit Daten hinterlegt".
Die Verklappung stammt aus unterschiedlichen Bauprojekten. Zum einen kommt das Sediment aus Teilen des Rohrgrabens der rund 50 Kilometer langen Offshore-Pipeline für das Terminal.
"Wir teilen die Bedenken des Thünen-Instituts nicht", heißt es vom Gasnetzbetreiber Gascade. Die Ablagerung sei umweltfachlich vertretbar, gerade auch im Hinblick auf den Hering. Greenpeace hingegen hat mit mehreren Aktionen den Bau der Gas-Pipeline verhindern wollen.
Fischrückgang: Untersuchungen dauern an
Damit das LNG-Terminal wie geplant arbeiten kann, müssen zudem Teile des Hafens Mukran und der Zufahrt vertieft werden. Auch dabei sei bereits Sediment in der Sassnitzer Rinne verklappt und umgelagert worden, teilte das Schweriner Wirtschaftsministerium unter Verweis auf die verantwortliche Hafengesellschaft mit.
Nach der Heringslaichzeit sollen die Baggerarbeiten im Sommer fortgesetzt und weiteres Material in der Sassnitzer Rinne abgeladen werden. Eine Vertiefung des Hafens war auch schon vor Aufkommen der LNG-Pläne geplant, etwa zugunsten des Getreideumschlags.
Haase sagte, man wolle noch bis zum Ende der Laichzeit alle zwei Wochen hinausfahren. Bei der ersten Ausfahrt im Dezember habe es riesige Heringsansammlungen gegeben. Zuletzt seien kaum noch Heringe entdeckt worden. Das könne aber viele Gründe haben, etwa stürmisches Wetter bei der letzten Ausfahrt, bei dem die Heringe möglicherweise eher ins flachere Wasser gingen.
Den Einfluss der Verklappung auf den Bestand genau zu bestimmen, dürfte laut Haase schwierig werden. Zum einen gebe es sehr viele andere Einflüsse. Zudem fehlten mit Blick auf die Sassnitzer Rinne Vergleichsuntersuchungen aus den Vorjahren. Zudem sei schon vor dem Start der Untersuchungen Schlick dort verklappt worden.
Zumindest habe man schon ein Gutachten widerlegt, nach dem es in bestimmten Tiefen ohnehin keinen Sauerstoff und damit auch keine Heringe gebe. Gerade im Herbst werde das Wasser gut durchmischt, sagte Haase. Die Forscher hätten gleich bei der ersten Fahrt Sauerstoff in der Tiefe festgestellt.
Titelfoto: Jens Büttner/dpa