"Grausame Wellen": So zerriss eine Sturmflut Helgoland in zwei Teile

Helgoland - Die Naturgewalten der Nordsee sind gigantisch. Vor 300 Jahren in der Neujahrsnacht zerreißt eine Sturmflut Helgoland in zwei Teile. Eine alte Quelle berichtet von "grausamen Wellen".

Die Wellen der Nordsee brechen sich vor dem Strand von Helgoland. (Archivbild)
Die Wellen der Nordsee brechen sich vor dem Strand von Helgoland. (Archivbild)  © Christof Martin/dpa

Heute besteht die Hochseeinsel aus dem 1 Quadratkilometer großen, roten Felsen mit Steilküste und der 0,7 Quadratkilometer großen, vorgelagerten Düne.

Von den Ereignissen in der Nacht zum 1. Januar 1721 gebe es nur wenige schriftliche Zeugnisse, sagt Historiker Martin Krieger von der Universität Kiel.

2011 stimmten die Helgoländer über Pläne einer Wiederverbindung der beiden Inselteile durch Sandaufspülungen ab. Der Bürgerentscheid lehnte das Mega-Projekt mit knapper Mehrheit ab. "Mein Eindruck ist, so ganz ist das Thema bis heute nicht vom Tisch", sagt Bürgermeister Jörg Singer (parteilos).

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Die Teilung vor 300 Jahren hat nach Aussage von Prof. Krieger eine längere Vorgeschichte. "Als Helgoland noch eine Insel war, gab es zwei Felsen, den roten aus Buntsandstein und einen weißen aus Kalk", sagt er.

Dieses weiße Kliff habe sich etwas nördlich der heutigen Düne befunden. "Eine Landbrücke verband diese beiden Felsen miteinander." Die Brücke sei ein Wall aus Geröll und Sand gewesen.

Helgoländer zerstörten über Jahrhunderte ihre Insel

Helgoland ist seit der Neujahrsnacht 1720/1721 zweigeteilt. (Archivbild)
Helgoland ist seit der Neujahrsnacht 1720/1721 zweigeteilt. (Archivbild)  © Marcus Brandt/dpa

Kalk war laut Krieger damals ein wichtiger Baustoff. "Der Helgoländer Kalk wurde über Jahrhunderte abgebaut und aufs Festland verkauft, bis auf einmal dieses weiße Kliff weg war", erklärt er.

"In einer Quelle von 1699 steht, dass dieses einst riesige Kliff schließlich nur noch die Größe eines Heuschobers hatte." Am 1. November 1711 sei der letzte Rest vom weißen Kliff in einer Sturmflut weggespült worden. Dann habe die Nordsee freies Spiel gehabt.

"Nun gab es neben dem roten Fels nur noch diesen Wall und etwas Dünengelände", sagt der Professor. In der Neujahrsnacht 1720/21 sei es dann zu einer weiteren Sturmflut gekommen und der Wall durchbrochen worden.

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Nach Worten von Krieger konnten die Menschen die Bruchstelle anfangs noch passieren, aber durch mächtige Strömungen in der Nordsee sei dieses Wasser immer tiefer geworden.

Der Historiker betont, dass die Helgoländer damals auch noch andere Sorgen hatten. "Zu dieser Zeit tobte der Große Nordische Krieg", sagt Krieger. Schon 1714 hatten die Dänen die Insel militärisch erobert. "Vorher gehörte Helgoland zum Herzog von Gottorf. Wir sind mitten in einem Machtübergang."

Mit dem Durchbruch des Walls erlangte der Küstenschutz laut Krieger große Bedeutung. "Immer wieder wandten sich die Insulaner in dieser Sache an ihren neuen Landesherren in Kopenhagen."

Briten sprengten nach dem Zweiten Weltkrieg einen Teil Helgolands

Eine gewaltige Explosionswolke steigt auf, nachdem britische Truppen am 18. April 1947 mit 6700 Tonnen Munition einen Teil Helgolands gesprengt haben.
Eine gewaltige Explosionswolke steigt auf, nachdem britische Truppen am 18. April 1947 mit 6700 Tonnen Munition einen Teil Helgolands gesprengt haben.  © dpa/lno

Krieger berichtet, dass die Insel früher ganz anders aussah. Ein Beispiel: "Was wir heute als Düne kennen, ist zu einem großen Teil in der NS-Zeit entstanden und hat mit der Düne, wie sie noch im 19. Jahrhundert war, wenig zu tun", erklärt der Historiker.

Im Zweiten Weltkrieg wollten die Nationalsozialisten mit dem Projekt "Hummerschere" durch Aufspülungen und Betonbauten einen Marinehafen als Flottenstützpunkt bauen. Nach Bombenangriffen war Deutschlands einzige Hochseeinsel nicht mehr bewohnbar.

1947 wollten die Briten mit 6700 Tonnen Munition alle Militäranlagen auf der Insel sprengen. Die Folge war ein großer Krater an der Südspitze. Heute können Touristen mit einer Fähre von der Hauptinsel auf die Düne übersetzen.

Ein Hamburger Bauunternehmer erarbeitete 2008 in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg und dem Alfred-Wegener-Institut einen Plan, den nur wenige Meter tiefen Meeresarm wieder mit Sand aufzufüllen. Hauptinsel und "Badedüne" sollten zu einer Einheit zusammengefügt werden und Helgoland sich so um einen Quadratkilometer vergrößern.

Die Meinung zu dem 100-Millionen-Euro-Projekt war gespalten: Für die einen war es eine Zukunftsvision, attraktive Räume zu schaffen für mehrere Hotels und zusätzlichen Strand. Andere bezeichneten die Idee als völlig überdimensioniert. "Da zog sich ein tiefer Riss durch die Helgoländer Bevölkerung", erinnert sich Krieger. Am Ende entschieden sich nur 45 Prozent der Befragten für das Vorhaben.

Sollen beide Helgoland-Teile wieder vereint werden?

Die "Lange Anna" (links) ist das Wahrzeichen der Insel Helgoland. (Archivbild)
Die "Lange Anna" (links) ist das Wahrzeichen der Insel Helgoland. (Archivbild)  © Daniel Reinhardt/dpa

"Um diese Frage war es viele Jahre ganz still, da andere Dinge, wie eine gute Festlandanbindung, im Fokus standen", sagt Singer.

Mit Blick auf die Teilung vor 300 Jahren fügt er hinzu: "Ich bin gespannt, ob dieser historische Gedenktag ein Impuls ist, noch mal über diese Insel-Frage nachzudenken." Singer war 2011 enttäuscht über das Ergebnis des Entscheids, denn er war von dem Plan überzeugt.

Wie steht er heute zur einer Landverbindung? "Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust", räumt der Politiker ein. "Einerseits ist der Charakter beider Inseln einmalig und eigentlich auch unantastbar."

Doch zugleich verfüge Helgoland über "die teuerste Dorfgrenze der Welt", sagt Singer. "6,5 Kilometer Molenbauwerke sichern heute unsere zwei Inseln. Die in Schuss zu halten, ist eine enorme Leistung."

Sollte das Vorhaben erneut angepackt werden, dann sei die Situation eine andere als vor zehn Jahren und das Projekt müsse neu gedacht werden.

"Damals wollte man eine riesige Hotel-Entwicklung, das sehe ich heute anders", sagt er. Mehr Hotelbetten seien aktuell nicht der Wunsch vieler Insulaner. "Vielleicht ist die Zeit reif, jetzt darüber nachzudenken, wohin Helgoland sich bis 2030 entwickeln soll."

Titelfoto: Christof Martin/dpa

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