Deswegen stinkt das Wattenmeer immer häufiger nach Furz
Westerland/Göttingen - Forscher sind in großer Sorge um das Wattenmeer. Eine eingeschleppte Algenart hat sich in der Nordsee ausgebreitet und richtet dort Schaden an.
Die Schlauchalge "Vaucheria velutina" sei im vergangenen Sommer erstmals vor Sylt nachgewiesen worden, teilte die Universität Göttingen mit. Sie bedecke bereits eine Fläche von mehr als 280 Fußballfeldern und könnte ernsthafte Auswirkungen auf das dortige Ökosystem haben.
Feiner Schlick, der mit der Flut eingeschwemmt werde, bleibe zwischen den dicht an dicht aus dem Boden ragenden Algenfäden hängen. Er lagere sich ab und verstopfe die Gänge der Wattwürmer.
"In meinen fast 50 Jahren als Wattforscher habe ich so eine rasante Ausbreitung einer neuartigen Alge noch nicht erlebt", sagte der emeritierte Professor Karsten Reise vom Alfred-Wegener-Institut, der die Alge entdeckte.
Wie stark ihre Auswirkungen auf das Wattenmeer sein werden, und ob sie sich nach dem Winter weiter ausbreite, sei noch unklar.
Laut Reise könnte die Algenart durch importierte pazifische Austern eingeschleppt worden sein. Diese werden in der Nordsee bei Sylt in Netzbeuteln gehalten, bis sie groß genug sind.
Schlick türmt sich auf von Alge befallenen Gebieten hoch auf
Sollte sich die Alge weiter ausbreiten und immer mehr Schlick ansammeln, würden die Wattwürmer, und damit das gesamte Leben im Wattboden darunter leiden, schreibt die Uni Göttingen.
Dies könne sogar Auswirkungen auf die Fähigkeit des Bodens haben, sich dem im Klimawandel steigenden Meeresspiegel anzupassen.
"Im Verlauf von nur einem Sommer hat sich ein weiches Schlickpolster aufgeschichtet, das bis zu zwanzig Zentimeter höher als das umgebende Sandwatt ist", sagte Reise.
"Unter der Oberfläche ist der weiche Schlick tiefschwarz und dünstet faulig riechenden Schwefelwasserstoff aus." Das Gas ist auch ein Bestandteil, der Furze stinken lässt.
Die Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft wählte die "Vaucheria velutina" zur "Alge des Jahres 2021".
Gründe dafür seien ihre "plötzliche Dominanz" und die "unabsehbaren ökologischen Folgen", die ihre Anwesenheit im Watt mit sich bringen könnte.
Titelfoto: Karsten Reise/Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung/dpa