Heuler-Alarm! Darum gibt es plötzlich so viele verwaiste Seehunde in der Nordsee
Norddeich/Friedrichskoog – Störungen durch Wassersportler und Urlauber im Wattenmeer haben in den vergangenen Wochen an der niedersächsischen Nordseeküste für so viele Funde von verwaisten Seehund-Jungtieren gesorgt wie lange nicht mehr.
"Es gibt viele Heuler dieses Jahr", sagte der Leiter der Norddeicher Seehundstation, Peter Lienau. Heuler heißen die Seehundjungen, die den Kontakt zu ihrer Mutter verlieren.
Noch ist die Geburtenphase nicht zu Ende, doch bis Anfang Juli kamen bereits 183 Heuler in die Obhut der Station. Vor der Corona-Pandemie waren es 2019 insgesamt 181.
Die zweite Seehundstation in Friedrichskoog in Schleswig-Holstein meldete unterdessen nicht unüblich hohe Fundzahlen in diesem Sommer.
In dieser, der größeren Station, werden aktuell 171 junge Seehunde versorgt (Stand 13. Juli). Durchschnittlich zehn bis zwölf Wochen bleiben die Tiere in der Station, bis sie genügend Gewicht zugelegt haben und stark und fit genug sind, um ausgewildert zu werden. Zu Beginn werden die Heuler mit einer speziellen Lachsemulsion gefüttert. Anschließend lernen sie in Schritten, selbständig Fisch zu fressen.
Für die ehrenamtlichen Seehundretter, Wattenjagdaufseher oder Seehundjäger genannt, steht nun die arbeitsreichste Zeit des Jahres an. Sie bringen nach Fundmeldungen die Tiere in die Stationen.
Tourismus macht große Probleme!
Die Norddeicher Einrichtung führt die vielen Funde auf mehr Störungen in Folge eines stärkeren Tourismus im Wattenmeer zurück.
Die Entwicklung der vergangenen Corona-Jahre, in denen der Tourismus teils wegen Lockdowns eingeschränkt war, kehre sich um, sagte Lienau. In den vergangenen beiden Corona-Jahren war die Zahl der aufgenommenen Tiere deutlich auf 133 (2020) und 116 (2021) gesunken.
Die meisten Gäste, die an die Nordsee kämen, seien für den Schutz der Seehunde sensibilisiert, sagte Lienau. "Aber bei vielen Besuchern an der Küste steigern sich auch die Ausnahmen."
Probleme bereiteten Wassersportler, Sportbootfahrer und Wattwanderer, die die Ruhezonen und Sandbänke nicht beachteten.
Titelfoto: Christian Charisius/dpa