Orkan "Zeynep" in NRW: Reul geht von zwei Sturmtoten im Land aus
Düsseldorf/Essen – Orkantief "Zeynep" ist am Freitag mit Kraft über Nordrhein-Westfalen gebraust und hat etliche Spuren hinterlassen. Im Kreis Steinfurt kamen bei Verkehrsunfällen während des Durchzugs des Sturmtiefs zwei Autofahrer ums Leben. Am Samstagmorgen hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) die Unwetterwarnung wieder aufgehoben.
Auf der B54 bei Altenberge prallte ein Wagen gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum, der während des Sturms umgestürzt war, wie ein Polizeisprecher am Abend mitteilte. Der 56-jährige Fahrer wurde im Auto eingeklemmt und starb demnach noch am Unfallort. Zuvor hatte der WDR darüber berichtet.
Etwa zur selben Zeit war ein Mann mit seinem Wagen in Saerbeck unterwegs, als das Fahrzeug sich nach Angaben der Polizei überschlug. Der 33-Jährige sei am Unfallort gestorben.
Die Ursache des Unfalls war zunächst unklar, vermutlich sei das Auto von einer Windböe erfasst worden, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Abend.
Durch den Sturm fielen Bäume, Bauzäune und Straßenschilder um, vielerorts waren Feuerwehren im Dauereinsatz. Im Zugverkehr gab es erhebliche Beeinträchtigungen.
Reul zieht traurige Orkan-Bilanz in NRW
Innenminister Herbert Reul (69, CDU) geht von zwei Sturmtoten in NRW aus. "Nordrhein-Westfalen blickt auf eine traurige Orkan-Bilanz: Nach bisherigem Stand hat der Sturm "Zeynep" zwei Menschen das Leben gekostet", sagte er am Samstag.
Wie eine Sprecherin erläuterte, handelt es sich dabei zum einen um den 56-jährigen Autofahrer im Kreis Steinfurt, dessen Wagen von einem Baum getroffen worden war.
Als zweites Sturmopfer nannte sie nicht etwa die 33-Jährige aus Saerbeck, sondern nach vorläufigen Erkenntnissen einen 17 Jahre alten Beifahrer, der mit zwei Gleichaltrigen in Hopsten im Kreis Steinfurt unterwegs gewesen war. Der Fahrer war nach Polizei-Angaben möglicherweise einem Ast ausgewichen und dadurch von der Fahrbahn abgekommen.
Ein weiterer Mensch sei lebensbedrohlich verletzt worden, fünf weitere seien schwer verletzt worden, so Reul. Das Unwetter habe zu knapp 300 Verkehrsunfällen geführt. Die Feuerwehr rückte demnach bis Samstagmittag zu über 12.000 Einsätzen aus.
"Ich bin mit meinen Gedanken bei den Angehörigen der Unglücksopfer und wünsche ihnen viel Kraft", sagte Reul. "Unseren Einsatzkräften, die sich auch in diesen Tagen für die Menschen in NRW besonders ins Zeug gelegt und unermüdlich geholfen haben, bin ich sehr dankbar."
Weiter massive Beeinträchtigungen im Bahnverkehr in NRW
Mehrere Autobahnabschnitte mussten wegen des Sturms vorübergehend gesperrt werden. Der Bahnverkehr fiel weitgehend aus und kam am Samstag nur schleppend wieder in Gang.
Es gebe "weiterhin massive Beeinträchtigungen", sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Fernverkehrszüge könnten in weiten Teilen von NRW noch nicht fahren.
"Aufgrund von Unwetterschäden kommt es im Norden Deutschlands und in Nordrhein-Westfalen bis mindestens Montagnachmittag zu Verspätungen und Zugausfällen" hieß es am Samstagnachmittag seitens der Deutschen Bahn. Reisen von und nach Hamburg und Bremen sollten vermieden werden.
Eine Bahnsprecherin in Düsseldorf erklärte, auch im Regionalverkehr komme es nach wie vor zu größeren Einschränkungen, aber im Laufe des Tages hätten viele Linien ihren Betrieb wieder aufnehmen können.
Auch die Wuppertaler Schwebebahn hat am Samstag infolge eines Sturmschadens zunächst nicht fahren können. Auf der Strecke seien offenbar technische Komponenten im Sturm beschädigt worden, teilten die Stadtwerke mit. Es gebe Probleme mit der Netzwerktechnik, die bis zum Nachmittag aber wieder behoben waren.
"Der Fehler im Netzwerk der Schwebebahn konnte nach Austausch mehrerer technischer Komponenten beseitigt werden", teilte ein Sprecher mit.
Zug von Ast getroffen, Mensch durch herabfallende Dachziegel verletzt
In Krefeld wurde eine Nahverkehrsbahn eines Privatunternehmens nach Angaben eines Feuerwehrsprechers von einem Ast getroffen. Der Stromabnehmer sei derart beschädigt worden, dass der Zug nicht mehr weiterfahren konnte. Die rund 90 Fahrgäste mussten in einen Ersatzzug umsteigen.
In Solingen wurde ein Mensch durch herabfallende Dachziegel verletzt, wie ein Stadtsprecher sagte.
In Mülheim stürzten nach Angaben der Feuerwehr mehrere 25 Meter hohe Buchen aus einem Waldstück quer über die Straße und landeten auf Hausdächern. Die Bewohner mussten die Gebäude verlassen.
In Essen ist ein Mann von einem herabstürzenden Dachziegel am Kopf getroffen und schwer verletzt worden.
Glück hatte ein Autofahrer in Bottrop: Er blieb laut Feuerwehr unverletzt, als ein großer Ast seinen fahrenden Wagen traf.
In Duisburg pustete der Sturm mehrere riesige Überseecontainer um, die übereinandergestapelt waren. In Dortmund stürzte ein Kreuz von einer Kirchturmspitze und krachte auf ein parkendes Auto.
Allein die Kölner Feuerwehr zählte bis zum Abend mehr als 300 wetterbedingte Einsätze. Die Düsseldorfer Feuerwehr wurde rund 75 Mal wegen Sturmschäden gerufen. Die A44 wurde am Freitagmittag zwischen dem Autobahnkreuz Holz und dem Autobahndreieck Jackerath in beide Fahrtrichtungen voll gesperrt.
Sturmschäden in NRW: Feuerwehr im Dauereinsatz
Die Leitstelle der Feuerwehr Düsseldorf erreichte bis zum Abend rund 290 sturmbedingte Einsätze. Ein instabiles Baugerüst konnten die Einsatzkräfte mittels Spanngurten sichern. Im Stadtteil Benrath löste sich auf etwa 70 Meter das Dach, ein Teil stürzte auf die Straße.
Die Bezirksregierung Arnsberg schickte Schüler gegen Mittag nach Hause. Wegen des erwarteten Sturms sollten Schulen im Regierungsbezirk den Unterricht demnach früher beenden, hieß es.
"In NRW ist die Kaltfront durchgezogen", sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Abend. Auf dem Kahlen Asten habe der Sturm eine Spitzengeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern erreicht. In Gütersloh seien Windgeschwindigkeiten von 119, in Köln von 115 Stundenkilometern gemessen worden.
Auch am späteren Abend sei weiterhin mit schweren Böen zu rechnen - vor allem im Norden des Landes. Im Laufe der Nacht werde die Lage sich langsam entspannen.
Auch am Wochenende bleibt es nach Vorhersage des DWD stürmisch. "Aber es wird nicht mehr so heftig wie heute", sagte der Meteorologe. Kurz vor "Zeynep" war das Orkantief "Ylenia" über Deutschland gezogen.
Unwetterwarnung für NRW aufgehoben, weiterhin Warnung vor Böen
Obwohl der DWD die Unwetterwarnungen für NRW inzwischen aufgehoben hat, warnen die Experten weiterhin vor Wind- und Sturmböen. Im Tagesverlauf soll der Wind weiter abnehmen, hieß es am Samstagmorgen.
Für den frühen Abend erwarten die Experten nur noch im Bergland starke Böen der Windstärke sieben. Später am Abend soll der Wind allerdings von Westen her erneut auffrischen. Dann seien verbreitet auch wieder stürmische Böen im höheren Bergland Sturmböen möglich, so der DWD.
Für Sonntag sagen die Meteorologen frischen Südwestwind mit starken bis stürmischen Böen voraus, im Bergland auch mit Sturmböen.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (46, CDU) hat den Einsatzkräften gedankt. "Nordrhein-Westfalen wurde in der letzten Nacht und in den frühen Morgenstunden zum zweiten Mal in dieser Woche von einem Sturm kräftig durchgeschüttelt", sagte der Regierungschef am Samstag bei einer Parteiveranstaltung der NRW-CDU in Essen.
Es habe Schäden gegeben und mindestens einen Toten. "Ich danke den Einsatzkräften, die bei Wind und Wetter rausgehen, wenn niemand mehr raus will, die kommen, wenn wir Hilfe brauchen", unterstrich Wüst. "Es ist gut, dass wir Euch haben. Herzlichen Dank, dass wir uns auf Euch verlassen können."
Aktualisiert am 19. Februar, 16.18 Uhr
Titelfoto: Patrick Schüller