Explosion in Ratingen: Einsatzkräfte sollen brennend geflüchtet sein, weiteres Todesopfer entdeckt
Ratingen - Einen Tag nach der Explosion in einem Ratinger Hochhaus kommen immer weitere tragische Details ans Licht. Fünf schwer verletzte Einsatzkräfte kämpfen noch immer um ihr Leben und befinden sich aktuell im künstlichen Koma. Außerdem fand die Polizei ein weiteres Todesopfer in dem Wohnhaus.
Ein älterer Mann, der der in dem betroffenen Haus gelebt habe, soll wegen des Einsatzes nicht mehr rechtzeitig versorgt worden sein, schrieb der "Spiegel" am Freitagnachmittag.
Für die schwerverletzten Einsatzkräfte hingegen ging es noch am Donnerstag in Kliniken für Brandverletzte nach Köln, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Bochum. "Die Kollegen erlitten Verbrennungen von bis zu 40 Prozent der Körperoberfläche", teilte die Feuerwehr in Ratingen mit. Nun wurde bekannt, dass es sich bei der Tat um eine konkrete Attacke auf Polizei- und Feuerwehrleute gehandelt haben soll.
Der 57-jährige Bewohner soll am Donnerstag die Wohnungstür geöffnet und gezielt eine brennende Flüssigkeit auf die Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst geschleudert haben, sagte Dietmar Henning von der Polizei Düsseldorf. "Die Einsatzkräfte haben dann, selber brennend, den Ort verlassen."
Eine Polizeisprecherin erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa), sie gehe nicht nur von einem gezielten Angriff aus, sondern dass die Tat seit "mindestens mehreren Tagen so durchdacht" gewesen sei. "Das macht man nicht mal eben so spontan", hieß es.
Gegen den 57-Jährigen wurde am Freitag Haftbefehl wegen versuchten Mordes in neun Fällen erlassen. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden. Die Hintergründe sind dabei weiter unklar.
Ermittler finden Waffen: Keine Hinweise auf terroristischen Hintergrund
Die Feuerwehr Ratingen war am Donnerstag um 10.37 Uhr zunächst zu einem Routineeinsatz gerufen worden: Sie sollte eine Wohnungstür öffnen. Gegen 11.15 Uhr sei es dann zu der Explosion gekommen, bei der insgesamt sieben Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst sowie zwei Polizisten schwerer verletzt wurden.
Daneben habe es noch leichtere Verletzte gegeben, darunter ein Mitarbeiter einer Wohnungsbaugesellschaft. Bei den Löscharbeiten sei in der Wohnung dann eine Frauenleiche gefunden worden, die bereits obduziert wurde. Die Frau sei laut Polizeiangaben schon vor mehreren Wochen gestorben.
Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat gebe es bislang nicht. Heike Schultz von der Polizei Düsseldorf erklärte: "Wir haben Hinweise darauf, dass er auch ein Corona-Leugner ist." Ob es einen Zusammenhang zur Tat gebe, sei nicht geklärt.
Inzwischen konnten die Beamten auch mit der Spurensicherung vor Ort beginnen. Ermittler fanden dabei mehrere Waffen, darunter eine PTB-Waffe sowie mehrere Messer und Dolche, die allesamt sichergestellt wurden.
Es sei außerdem ein Gefäß gefunden worden, aus dem der Verdächtige die brennbare Flüssigkeit auf die Einsatzkräfte geschleudert haben soll.
Verdächtiger schweigt, Verband fordert konsequenteres Vorgehen gegen Gewalttäter
In einer Befragung habe der Verdächtige sich noch nicht zu den Tatvorwürfen geäußert, wie die Polizei am Abend mitteilte. Ebenso habe der 57-Jährige auf anwaltlichen Beistand verzichtet. Ihm sei ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt worden.
Nach Angaben der Ermittler soll er der sogenannten Prepper-Szene (Menschen, die sich individuell auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten) angehören. Die Wohnung habe den Eindruck gemacht, dass viele Vorräte angelegt worden seien, wie die Polizei berichtete. Zudem ließen Ermittlungen den Eindruck zu, dass er zurückgezogen gelebt habe.
Ein Verbandssprecher der Feuerwehren forderte unter dem Eindruck der Explosion unterdessen ein konsequenteres Vorgehen der Justiz gegen Gewalttäter.
"Unsere Einsatzkräfte sind immer dann irritiert, wenn Ermittlungsverfahren gegen Gewalttäter sehr früh und lapidar einfach eingestellt werden. Sie wünschen sich ein starkes Ausnutzen der vorhandenen strafrechtlichen Möglichkeiten", sagte Christoph Schöneborn, Geschäftsführer des Verbandes der Feuerwehren in NRW, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).
Die Zahl der Angriffe auf Feuerwehrleute sei zwar in NRW relativ gering, wie Schöneborn im Hinblick auf die Kriminalitätsstatistik für 2022 verwies. Demnach seien 19 Fälle von Gewaltkriminalität mit einem Bezug zu den Feuerwehren gezählt worden.
"Der Fall in Ratingen zeigt aber, dass es jede und jeden von uns treffen kann", so Schöneborn.
Erstmeldung: 12. Mai, 14.52 Uhr; aktualisiert: 12. Mai, 17.41 Uhr
Titelfoto: Rolf Vennenbernd/dpa