Verdacht auf kriminelles Netzwerk: Millionenbetrug mit Corona-Hilfen?
Wiesmoor – Systematisch sollen mutmaßliche Betrüger in vier Bundesländern während der Corona-Pandemie Sofort- und Überbrückungshilfen falsch abgerechnet und so einen Schaden in Millionenhöhe verursacht haben.
Wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft bei einem groß angelegten Einsatz am Dienstag 25 Objekte von fünf Hauptbeschuldigten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg - mit mehr als der Hälfte der Durchsuchungen lag der Schwerpunkt des Einsatzes in Ostfriesland in Niedersachsen, wie Marco Ellermann, Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Rund 120 Kräfte und auch Spürhunde waren im Einsatz.
Neben Firmen und Privathäusern wurde auch eine privat betriebene Sporthalle im ostfriesischen Wiesmoor durchsucht. Beamte trugen am Vormittag Umzugskartons und Bildschirme aus der Halle und luden sie in Einsatzwagen.
Wie der "Spiegel" und die "Ostfriesen-Zeitung" berichteten, soll die Halle Sitz einer Consultingfirma sein, deren Betreiber im Zentrum der Ermittlungen steht. Die Polizei machte zu ihm und den vier weiteren Hauptverdächtigen im Alter zwischen 26 und 62 Jahren keine weiteren Angaben. Niemand wurde festgenommen. Aber: "Der Verdacht steht im Raum, dass es sich hier um ein mutmaßlich kriminelles Netzwerk handelt", sagte Ellermann.
Die Männer stehen im Verdacht, für eigene Zwecke und für beauftragte Unternehmen während der Corona-Pandemie mit "bewusst falschen Angaben" in 104 Fällen bei den Corona-Soforthilfen und in 259 Fällen bei den darauffolgenden Überbrückungshilfen insgesamt rund 26 Millionen Euro in Niedersachsen und weiteren Bundesländern beantragt zu haben.
Schaden in Millionenhöhe vermutet
Noch werde ermittelt, wie hoch genau der Betrag an mutmaßlich illegal geflossenen Zahlungen gewesen sei und inwieweit auch die beauftragten Kleinunternehmen davon wussten, sagte der Polizeisprecher. Die Ermittler gehen aber bereits von einem mutmaßlichen Schaden von mehreren Millionen Euro aus.
Bei den Durchsuchungen in Hamburg, Neumünster, Bonn, Oldenburg, Aurich, Wiesmoor und weiteren Gemeinden in Ostfriesland sicherten die Beamtinnen und Beamten Abrechnungen, digitale Speichermedien, mobile Endgeräte, Bargeld und hochwertige Uhren. Zudem wurden Vermögensarreste in Höhe von 3,5 Millionen Euro erlassen.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte in einer Mitteilung, dass eine intensive und länderübergreifende Polizeiarbeit in dem umfangreichen Verfahren zum Erfolg geführt habe. "Gerade in den zurückliegenden Jahren waren pandemiebedingt viele Unternehmen und Menschen auf staatliche Hilfsprogramme angewiesen.
Es ist deshalb besonders niederträchtig, wenn einzelne Menschen versuchen, diese Programme auszunutzen, um sich widerrechtlich selbst zu bereichern", sagte der SPD-Politiker. "Mir ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, diese Wenigen auch strafrechtlich zu verfolgen und die erlangten Gelder wieder zurückzuholen."
Verfahren gegen Betreiberin von Corona-Teststation
Auch der Präsident der Polizeidirektion Osnabrück, Michael Maßmann, wertete den Einsatz als Ermittlungserfolg. "Es ist gelungen, ein mutmaßliches kriminelles Netzwerk aus dem Bereich des Subventionsbetrugs zu zerschlagen. Wir konnten den Fiskus vor einem großen Millionen-Schaden bewahren", sagte Maßmann.
Auch Räume einer 31 Jahre alten Frau aus Aurich wurden bei dem Einsatz am Dienstag durchsucht. Gegen sie läuft bereits ein Verfahren wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetruges.
Als Betreiberin mehrerer Corona-Teststationen soll sie nicht erfolgte Tests über die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen abgerechnet und so einen Schaden von mehr als einer Million Euro angerichtet haben.
Deswegen hatten Polizei und Staatsanwaltschaft bereits Ende März mehrere Objekte in Aurich, Hannover und Oldenburg durchsucht. Inwieweit sie bei den neuen Betrugsfällen beteiligt ist, ist noch unklar. Die Frau spiele in dem Verfahren eine Rolle, sie werde aber nicht als Hauptverdächtige geführt, sagte Polizeisprecher Ellermann.
Laut der Polizei kamen die Ermittlungen, die von der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück und der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführt werden, bereits im April 2020 durch Verdachtsanzeigen von einer niedersächsischen Förderbank ins Rollen. Diese führten nun zu den Durchsuchungen.
Titelfoto: Hauke-Christian Dittrich/dpa