Tinder war gestern: Generation Ü40 setzt auf andere Apps
Hannover - Flirten am Strand in Cuxhaven, Tanzen in der Disco in Braunschweig oder in der Unimensa in Hannover schnell mal Handynummern tauschen: All das geht derzeit nicht - wer auf der Suche nach einem Partner ist, der muss seine Strategie jetzt anpassen.
In Zeiten von Corona, wo Singles abends öfter als sonst alleine zuhause auf dem Sofa hocken, freuen sich in Niedersachsen nun regionale Dating-Plattformen über Zulauf.
"Dank Parship und anderen großen Plattformen sind Dating-Portale nicht mehr so schmuddelig wie früher. Mittlerweile wurden ältere Menschen auch abgeholt", sagt der Geschäftsführer der Icony GmbH, Uwe Thomas.
Icony mit Sitz im baden-württembergischen Reutlingen ist Betreiber von mehr als 100 regionalen Dating-Plattformen, darunter auch einigen in Niedersachsen.
Und die Registrierungen bei den niedersächsischen Plattformen sind in jüngster Zeit um rund 60 Prozent gestiegen, berichtet der Geschäftsführer.
Thorsten Peetz forscht an der Universität in Bremen zu Liebesbeziehungen im Zeitalter von Tinder. Er hat festgestellt, dass Dating-Apps wie Tinder eher von jüngeren Menschen genutzt werden.
"Die App spricht eher erlebnisorientierte Menschen an, die viel Reisen, sportlich aktiv und vielleicht auch öfter Mal auf Partys sind. Es gibt da eine große Breite an Selbstdarstellungen."
Bei regionalen Dating-Plattformen ist dagegen die Generation Ü40 aktiver. Bei den niedersächsischen regionalen Angeboten wie Flirt38, Moinherz, Verliebt in Niedersachsen oder Harz Herzen sind derzeit etwa 143.000 Nutzer vor allem im Alter zwischen 40 und 60 Jahren angemeldet. Icony sammelt die Nutzerdaten der Plattformen in einem Pool und gibt bei regionalen Gemeinsamkeiten Vorschläge heraus.
"Die regionale Suche funktioniert einfach besser", sagt Geschäftsführer Uwe Thomas. Mit steigendem Alter wachse auch die Hoffnung, eher in der Region einen neuen Partner zu finden - die Heimatverbundenheit nehme zu, die Mobilität ab. "Je älter die Menschen werden, desto ernsthafter wird auch die Suche", sagt Thomas.
Reale Treffen sollten verschoben werden
Auch die Plattform Hannover Singles stellt seit dem Ausbruch des Coronavirus eine erhöhte Aktivität der Nutzer fest. Die Dating-Plattform gibt es schon seit 1999 und damit länger als Tinder. "Größere Plattformen wie Lovoo oder Parship haben uns viele Mitglieder abgegriffen", sagt Betreiber der Plattform, Stephan Nikolaus-Bredemeier.
Doch mit aktuell knapp 22.000 Mitgliedern und etwa 500 Zugriffen am Tag sind die Macher zufrieden.
Bei Gründung vor über 20 Jahre tummelten sich eher jüngere Menschen bei Hannover Singles, inzwischen sind es auch hier die 40- bis 60-Jährigen, die dort vor allem aktiv sind.
Und im Vergleich zu größeren Dating-Plattformen geht es dort übersichtlicher zu. "Das ist bei uns etwas, was die Leute meist auch suchen", sagt Nikolaus-Bredemeier.
Bei der Suche auf Hannover Singles wird nicht nur Alter und Geschlecht abgefragt, auch detaillierte Fragen etwa nach Alkoholkonsum gibt es. Außerdem kann sich jeder so beschreiben, wie er gerne mag.
"Da geben sich Leute, die es ernst meinen, besonders Mühe", berichtet Geschäftsführer Nikolaus-Bredemeier. Und der Vorzug regionaler Plattformen zeige sich spätestens dann, wenn die Nutzer entdeckten, dass sie die gleichen Lieblingsrestaurants hätten oder eine Vorliebe für bestimmte Locations teilten.
Doch wenn auch in Zeiten von Corona das Interesse an Online-Dating zunimmt - Treffen in der realen Welt sollten zunächst noch aufgeschoben werden, empfiehlt die niedersächsische Landesregierung.
"Von Datings sollten Sie in Zeiten von Kontaktbeschränkungen möglichst Abstand nehmen", heißt es im Netz, um direkt hinterherzuschieben: "Unbenommen bleiben Ihnen aber alle weitere Kommunikationsmöglichkeiten, um mögliche romantische Banden zu knüpfen: Eine hingebungsvolle Mail oder sogar ein handgeschriebener Brief ersetzen zwar kein persönliches Treffen, sind aber mitunter nicht weniger aufschlussreich."
Titelfoto: Peter Steffen/dpa