Zu Unrecht in Haft oder U-Haft? Hunderte Fälle in Bayern - Pro Jahr!
Von Britta Schultejans
München - Justizopfern steht nach ungerechtfertigter Haft Entschädigung zu. Für Menschen, die in U-Haft saßen und später freigesprochen wurden, gilt das ebenfalls. In Bayern kommen pro Jahr entsprechend viele Fälle zusammen.
Die bayerische Justiz befasst sich mit Hunderten Fällen von Entschädigungen für Personen, welche beispielsweise zu Unrecht in Haft saßen oder nach der Untersuchungshaft letztlich entlastet wurden.
Die Zahl der "Entschädigungssachen" nach dem anzuwendenden Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen lag nach Angaben des Justizministeriums 2023 bei insgesamt 639.
Dabei entfielen 313 Fälle auf Verfahren, die an Staatsanwaltschaften anhängig waren, 326 auf Verfahren bei Generalstaatsanwaltschaften.
Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag die Gesamtzahl noch bei 719 und 2021 bei insgesamt 706 Fällen.
Wie das Justizministerium bereits 2022 mitteilte, zahlt Bayern pro Jahr rund eine Million Euro an Entschädigungen für Menschen, die etwa zu Unrecht in Haft saßen oder nach einer Untersuchungshaft freigesprochen wurden.
Summen können sich sehen lassen
Im Jahr 2021 waren es rund 1,4 Millionen Euro, die nach dem entsprechenden Gesetz ausgezahlt wurden, wie das Justizministerium auf Anfrage in München mitteilte. In den beiden Jahren davor waren es jeweils etwa eine Million Euro gewesen.
Die Summen für die Jahre 2022, 2023 und 2024 teilte das Ministerium auf Anfrage nicht mit.
Eine Entschädigung nach dem StrEG setzt kein Fehlverhalten staatlicher Stellen voraus. Die Gelder umfassen also nicht nur Entschädigungen für eine Haft, die sich im Nachhinein als ungerechtfertigt herausstellt, sondern zudem auch Zahlungen nach Festnahmen, wenn das Verfahren gegen den Festgenommenen dann später eingestellt wird.
Abgedeckt sind auch Schäden aus einstweiliger Unterbringung, aus Beschlagnahmungen oder einem vorläufigen Berufsverbot.
Fall von Manfred Genditzki sorgt für Aufsehen
Derzeit macht der Fall von Manfred Genditzki (64) weiterhin Schlagzeilen, der freigesprochen wurde, nachdem er mehr als 13 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis gesessen hatte. Er hat den Freistaat verklagt und fordert mindestens 750.000 Euro.
Im September 2023 hatte Genditzki nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft München eine Entschädigung von 368.700 Euro erhalten. Dieser Betrag entspricht der Entschädigung für 4916 Tage im Gefängnis, denn pro Tag stehen ihm nach dem StrEG 75 Euro zu. "Das ist verflixt wenig für 14 verlorene Jahre", sagte Anwältin Regina Rick und verwies auf Pläne der Politik, den Satz von 75 Euro auf 100 Euro pro Tag im ersten halben Jahr und 200 Euro danach entsprechend deutlich zu erhöhen.
Sie kritisierte vor allem, dass ihrem Mandanten "Geld für Kost und Logis" abgezogen worden sei. "Auf die Kost und die Logis hätte er gern verzichtet." Auch gegen das Ergebnis dieses StrEG-Verfahrens wollen Genditzki und Rick klagen.
Titelfoto: Christophe Gateau/dpa