Schicksale der Flut in Bayern: Erinnerungen von Jahrzehnten einfach davongespült
Baar-Ebenhausen - Ölgestank, aufgequollene Möbel und durchnässte Aktenordner. In manchen Hochwassergebieten in Bayern ist die Flut schon abgelaufen, hat aber Berge von Müll hinterlassen. Die Bürger werden noch lange aufräumen.
Menschen schleppen im Akkord ihr Hab und Gut aus den Kellern und türmen vor dem Haus Berge von Sperrmüll auf. Helfer verladen dieses dann auf Anhänger oder werfen es in die bereitstehenden Container. In etlichen Straßen von Baar-Ebenhausen und dem benachbarten Reichertshofen bietet sich am Mittwoch dieses Bild bei fast allen Häusern.
Drei Tage nach dem verheerenden Hochwasser ist in den beiden Gemeinden, die es in dem oberbayerischen Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm mit am schlimmsten getroffen hat, Aufräumen angesagt. Die Schäden sind enorm.
"Wir können das noch überhaupt nicht beziffern", sagen viele Bewohner, die aber oftmals wenigstens eine Elementarschadenversicherung haben. Reihenweise sind Keller vollgelaufen, bei manchen stand die Flut auch noch im Erdgeschoss.
Jolanta Rzepka lebt mit ihren erwachsenen Kindern seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Parkstraße in Baar-Ebenhausen südlich von Ingolstadt. So etwas habe sie noch nicht erlebt, erzählt die Mutter. Mit etwas Wasser im Keller wegen des steigenden Grundwasserspiegels hatte Rzepka gerechnet - aber nicht mit einem Dammbruch an der nahen Paar: "In drei Minuten ist die Straße bis zum Knie zugelaufen."
Binnen fünf bis zehn Minuten sei der Ort evakuiert worden und alle hätten raus gemusst. Wegen eines Umbauprojekts hatte die Familie viel Hausrat im Keller zwischengelagert, wo alles überflutet wurde. Nun versucht Rzepka bei den nassen Dokumenten zu retten, was zu retten ist.
Hochwasser in Bayern: Heizöl besorgt Bürger und Behörden
Vor einem Haus in der Nachbarschaft türmt sich im Vorgarten ein Müllberg: eine Stehlampe, Kleidung, Stühle, Geschirr und ein paar Elektrogeräte. Doch für viele ist dieser materielle Verlust nicht das Schlimmste. Denn auch kaum zu ersetzende Akten sowie Bilder und andere Erinnerungen aus Jahrzehnten sind zerstört.
Vor einem Haus liegen ein paar Fotoalben. Darin Bilder von Reisen nach Sri Lanka, Bordeaux und Bad Tölz, verrät die Aufschrift. Die Hausbesitzerin sagt, das seien nicht ihre Alben. Sie habe diese nach dem Hochwasser auf ihrem Grundstück entdeckt. "Ich weiß nicht, wem das gehört." Nur ein paar Meter entfernt haben sich alte Dias rund um einen Gullydeckel gesammelt.
Längst noch nicht überall ist das Wasser schon ganz aus den Häusern draußen. Schläuche liegen auf den Straßen, aus denen das abgepumpte Nass läuft. Feuerwehrleute helfen mit der Technik.
Die wenigsten der Brandschützer kommen aus der Region. Fast alle sind aus dem Landkreis München gekommen - Haar, Gräfelfing, Planegg, Neubiberg oder Hohenbrunn steht auf den Einsatzfahrzeugen.
Die Unterhachinger haben ihren speziellen Umweltschutz-Wagen mitgebracht. Damit wird nun verschmutztes, oftmals mit Öl kontaminiertes Wasser aus den Kellern gepumpt und in großen Kunststoffkanistern gesammelt, damit es nicht in den Wasserkreislauf gelangt.
Denn die Bürger und die Behörden sind derzeit insbesondere wegen des aus vielen Tanks ausgelaufenen Heizöls besorgt.
Hochwasser-Opfer: "Der Keller war bis zur Decke voll"
Auch Immobilieneigentümer, die selbst keine Ölheizung haben, müssen mit dem stinkenden Ölwasser klarkommen. "In Baar-Ebenhausen stellt sich das Problem besonders massiv dar", berichtet die Kreisbehörde.
Ein Fachmann des Technischen Hilfswerks (THW) kümmere sich um das Abpumpen der Keller. Das Öl werde dann an der Wasseroberfläche abgesaugt und zur nahen Bayernoil-Raffinerie in Neustadt transportiert.
"Dort erfolgt die aufwändige Aufbereitung in einer speziellen Separationsanlage des THW mit anschließender Weiterverarbeitung in der Bayernoil", teilt das Landratsamt mit.
Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben die größte Raffinerie im Freistaat. Landrat Albert Gürtner (64, Freie Wähler) sieht es angesichts der Katastrophe als Glücksfall, dass er solch ein Spezialunternehmen in seinem Landkreis hat und einbinden kann.
Auch Rainer Habermeyer hat nun den Ölgeruch im Keller, ohne selbst Heizöl genutzt zu haben. "Der Keller war bis zur Decke voll, Gott sei Dank ist es uns nicht ins Erdgeschoss reingelaufen", erzählt er.
Um den Schutt zu beseitigen, hat er sich gleich einen Container in die Einfahrt stellen lassen. "Es schaut ein bisschen aus wie im Krieg", sagt er, während Helfer das ruinierte Mobiliar über die enge Außentreppe aus dem Keller tragen.
Anwohner sauer: "Wir werden nur allein gelassen"
Einer der Anwohner mit ausgelaufenen Öltanks ist Adolf Eugel. Rund 6000 Liter hatte er in mehreren Tanks gelagert. Wie viel genau ausgelaufen ist, kann er aber bisher nicht sagen. Eugel hatte bereits ein Fachunternehmen mit dem Abpumpen des Kellers beauftragt.
Nachdem nun die Spezialisten der Feuerwehr in der Gegend sind, konnte er den Auftrag stornieren. Jetzt wartet er, dass die Feuerwehrleute Zeit haben. "Die haben noch 43 Haushalte mit diesem Ölproblem", berichtet er.
Einige Häuser weiter hat Bezirkskaminkehrermeister Markus Schweiger seine daheim aufbewahrten Werkzeuge und Messgeräte verloren. Auch die erst im Januar neu eingebaute Heizung sei betroffen - "alles kaputt". Seine Helfer müssen einen im wahrsten Sinn besonders schweren Schuttberg mühsam entfernen.
Der Schornsteinfeger hatte zwei Tonnen Holzbriketts eingelagert. Die aus Sägespänen gepressten Briketts sind durch das Wasser massiv aufgequollen und müssen nun mühsam mit Schubkarren in den Container vor dem Haus bugsiert werden. "Das sind jetzt acht Tonnen", sagt Schweiger.
Für Ärger sorgt bei etlichen Bürgern insbesondere, dass sich die Kommunen zu wenig um das Müllproblem kümmerten. Viele hatten gehofft, dass der Müll abgeholt wird. Doch die Leute müssen sich selbst um den Abtransport zu Sammelstellen kümmern oder einen Containerdienst beauftragen.
"Wir werden nur allein gelassen", schimpft ein Mann. "Organisiert ist gar nichts", ergänzt die Frau neben ihm.
Titelfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa