Nach Fluchten bei Verhandlungen: Wie sicher sind die Gerichtsgebäude in Bayern?
München - Nach den Fluchten von Angeklagten aus zwei bayerischen Gerichten hat das Justizministerium begonnen, die Sicherheitskonzepte aller Gerichte im Freistaat zu überprüfen. In Regensburg und Coburg hatten die Vorfälle bereits Konsequenzen.
Alle 99 ordentlichen Gerichte in Bayern sollten bis zum vergangenen Freitag ihre örtlichen Sicherheitskonzepte dem Ministerium vorlegen. Nach Eingang würden diese schnellstmöglich geprüft, teilte ein Sprecher des Ministeriums in München mit. Sicherheitslücken seien nicht akzeptabel.
Besonderes Augenmerk liegt bei der Sicherheitsüberprüfung demnach auf den Besprechungsräumen für Anwälte und ihre Mandanten sowie auf der Fesselung von Angeklagten im Gebäude.
Ein verurteilter Mörder war Anfang Januar während einer Besprechung mit seinem Anwalt aus dem Amtsgericht Regensburg geflohen. Der 40-Jährige war zu diesem Zeitpunkt nicht gefesselt und entkam durch ein nicht gesichertes Fenster eines Besprechungszimmers.
Einem 47-jährigen 100-fachen Sexualstraftäter gelang am Montag der vorigen Woche die Flucht aus dem Landgericht Coburg. Der Mann wurde gerade ohne Fesselung zur Toilette gebracht, als er plötzlich losrannte, ein Fenster eines Aufenthaltsraumes für Zeugen aufbrach und entkam.
Nach Ansicht der Bayerischen Justiz-Gewerkschaft (BJG) spielte bei den erfolgreichen Fluchtversuchen auch die fehlende Ortskenntnis der Polizei eine entscheidende Rolle.
Mörder und Sex-Täter konnten wieder eingefangen werden
An den Gerichten in München, Nürnberg und Augsburg übernehmen nach Ministeriumsangaben Justizvollzugsbedienstete die Vorführung der Angeklagten - an allen anderen Standorten die Polizei.
Um die Sicherheit an den Gerichten zu erhöhen, sollte deshalb nach Ansicht des BJG-Landesvorsitzenden Hans-Joachim Freytag die Vorführung von Angeklagten und Gefangenen künftig ganz auf die Justizwachtmeister an den Gerichten übertragen werden. Dies würde Personal bei der Justiz binden und bei der Polizei freisetzen und sei für den Freistaat mindestens kostenneutral, sagte Freytag.
Am Amts- und Landgericht Regensburg wurde nach der Flucht des Angeklagten bereits nachgebessert: In einer neuen Hausordnung sei festgelegt worden, dass Angeklagte, die gefesselt bei Gericht ankommen, dies im Gebäude stets auch bleiben müssen, teilte ein Sprecher des Landgerichts mit.
Am Landgericht Coburg soll nach dem Vorfall die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert werden, so ein Sprecher. Mögliche bauliche Änderungen würden noch geprüft - etwa ob Fenster künftig anders gesichert werden.
An anderen Gerichten wie etwa dem Strafjustizzentrum in München sieht man dagegen keinen Anlass für größere Änderungen. Das Sicherheitskonzept werde ständig überprüft und nachjustiert, sagte ein Sprecher des dortigen Oberlandesgerichts.
Der Geflüchtete aus Regensburg war nach mehreren Tagen in Frankreich von der Polizei gefasst worden. Nach seiner Auslieferung sitzt er wieder in Bayern in Haft.
Die Flucht des Mannes aus Coburg endete am nächsten Tag mit einer Festnahme. Beide Männer wurden in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt.
Titelfoto: Pia Bayer/dpa