Missbrauch und Gewalt in SOS-Kinderdörfern: Diese Zahlen sind erschreckend!
München - Es ist erschreckend! In SOS-Kinderdörfern sind nach Untersuchungen einer unabhängigen Kommission in den vergangenen Jahrzehnten mindestens 189 (!) Grenzüberschreitungen gegenüber Kindern gemeldet worden.
Dabei handelte es sich um körperliche oder auch emotionale Übergriffe sowie Verletzungen der Privatsphäre, aber auch um sexuelle Übergriffe.
Das geht aus dem nun entsprechend vorgestellten Abschlussbericht der Kommission hervor.
In der Hälfte der Fälle gingen die vorliegenden Unrechtshandlungen von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Vereins aus, in 20 Prozent von anderen Betreuten. In einem weiteren Großteil der Fälle waren mehrere Personengruppen betroffen.
Konkret beziehen sich die genannten Zahlen auf den entsprechenden Zeitraum von 1976 bis Juni des vergangenen Jahres. "Grenzverletzungen und Übergriffe gegenüber den anvertrauten Kindern hat es bei SOS-Kinderdorf nicht nur in der Vergangenheit gegeben, sondern auch in der jüngeren Zeit bis heute", so der Kommissionvorsitzende, Klaus Schäfer.
Der Bericht lege einen Grundstein für die weitere Aufarbeitung, die gegenüber den Betroffenen von mitfühlendem Erinnern, Aufklärung und Anerkennung des erlittenen Leids geprägt sein müsse. In SOS-Kinderdörfern sollen Kinder, deren eigene Eltern sich nicht um sie kümmern können, trotzdem in einem familiären Umfeld aufwachsen können.
Sabina Schutter: "Jeder Fall ist einer zu viel"
Ein großer Teil (rund 40 Prozent) der inzwischen bekanntgewordenen Grenzverletzungen und Übergriffe fand dem aktuellen Bericht zufolge in Kinderdorffamilien statt. Ein ebenso großer Teil ereignete sich bei stationären Unterbringungen in Wohngruppen mit Tag- und Nachtbetreuung.
Die Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf e.V., Sabina Schutter, sicherte zu, die Empfehlungen der Kommission aufzugreifen und umzusetzen.
Der Bericht zeige deutlich, "dass es bei SOS-Kinderdorf seit seiner Gründung vor fast siebzig Jahren zu Unrecht, Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen gekommen ist".
"Wir sind zutiefst erschüttert über die Vorkommnisse und bitten alle Betroffenen aufrichtig um Entschuldigung", betonte Schutter. "Wir haben nicht immer gut genug hingehört, nicht alle Beschwerden ernst genommen und nicht angemessen reagiert." Man übernehme die Verantwortung, die Aufarbeitung sei nicht abgeschlossen.
"Wir versprechen: Wir werden jeder Meldung von Unrecht, die uns zur Kenntnis gebracht wird oder wurde, schnell und umfassend nachgehen und im Sinne der Betroffenen handeln. Denn jeder Fall ist einer zu viel", sagte sie weiter.
Titelfoto: Matthias Balk/dpa