Häftlinge auf der Bühne! In diesem Gefängnis ist im November wieder einiges geboten
Straubing - Beim Theaterensemble im Straubinger Gefängnis steigt das Lampenfieber: Am Samstag ist die Premiere des neuen Stücks. Auf der Bühne zu stehen ist für die Häftlinge Teil der Resozialisierung - und Spaß machen soll es auch.
Es geht um Hochstapelei. Es wird gelogen, mitunter auch betrogen und das Briefgeheimnis verletzt - im neuesten Theaterstück der Laienschauspielgruppe der Justizvollzugsanstalt dreht sich alles um einen falschen Beamten sowie um ein paar Kleinstädter, die alle reichlich Dreck am eigenen Stecken haben.
Die Premiere von "Der Revisor" nach Nikolaj Gogol findet am 4. November 2023 statt. Regisseur ist Sebastian Goller. Die Schauspieler sind Häftlinge.
Im Straubinger Gefängnis sitzen Gefangene ein, die langjährige oder lebenslange Strafen verbüßen.
Die vergangene Spielzeit liegt wegen der Corona-Pandemie einige Zeit zurück: Seit dem Jahr 2019 gab es keine Aufführungen mehr. Entsprechend groß ist die Anspannung. Der Hauptdarsteller, der den falschen Beamten spielt, gehört zu den Routiniers der Gruppe.
Die Leute seien ehrgeizig, sagt er. "Ich will hier Leistung bringen." Das Publikum zahle schließlich auch Eintritt.
Theaterensemble im Straubinger Gefängnis: Sechs bis acht Monate Vorbereitungszeit auf Auftritte!
Sechs bis acht Monate Vorbereitungszeit liegen hinter ihnen. In der Woche vor der Premiere probt die Gruppe fast täglich. Blamieren will sich keiner.
Das strengste Publikum sitze bei der Generalprobe in den Zuschauerreihen der JVA-Turnhalle - nämlich die Mitgefangenen, berichtet der Hauptdarsteller. Aber auch wenn entsprechende Angehörige unter den Besuchern seien, sei die Nervosität sehr groß.
Die Auswahl des Stückes spielt ein wenig mit der Umgebung, in der es aufgeführt wird. Etwa, wenn der falsche Beamte fürchtet, man könnte ihn ins Gefängnis werfen, oder wenn der bestechliche Bürgermeister fleht: "Herr, sei uns Sündern gnädig."
Der Darsteller des Bürgermeisters ist auch schon länger Mitglied der Theatergruppe. Die Bühnenerfahrung merkt man ihm und dem Hauptdarsteller an. Aber auch der Rest der Gruppe - die meisten sind erstmals dabei - lässt sich die Nervosität nicht anmerken, ist voller Motivation und Spielfreude dabei.
Regisseur Sebastian Goller sagt, er habe sich früher keine Gedanken über das Thema Resozialisierung gemacht.
Justizvollzugsanstalt Straubing im November: Interessierte können Theaterstück besuchen
Seit er im Jahr 2019 die Leitung des Ensembles übernahm, sei ihm durchaus bewusst, wie wichtig es für die Häftlinge sei, in ihrer Freizeit Kurse zu belegen - und sich somit vom Alltag abzulenken.
Bei der Theaterarbeit lerne er die Menschen hinter den jeweiligen Taten, welche sie begangen haben, kennen, so Goller. Der dazu ausführt: "Ich habe mir die Frage gestellt: 'Kann ich mir vorstellen, dass einer mein Nachbar ist?' Und ja, das kann ich."
Er versuche bei den Proben eine entspannte Atmosphäre in der Gruppe zu schaffen, sagt Goller.
Aber, so schränkt er im selben Atemzug ein: Er habe sich vorab nicht informiert, wer für welche Tat verurteilt worden ist. Und: "Ich bin kein Betroffener, ich kenne die Opfer nicht." Das mache es einfacher.
An den ersten drei Wochenenden im November gibt es insgesamt sechs Aufführungen. Eintritt ist möglich für alle Interessierten ab 14 Jahren.
Titelfoto: Armin Weigel/dpa