Alles nur Show kurz vor Wahl? Polizei und BKA widersprechen deutlich AfD-Darstellungen

Bayern - Es waren zwei Vorfälle, bei denen ausgerechnet die beiden AfD-Spitzen unter Beschuss zu stehen schienen: Alice Weidel (44) und Tino Chrupalla (48). Im Gegensatz zu den Informationen der Ermittler klingt alles, was von AfD-Seite kommt, letztendlich deutlich dramatischer.

Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla (48) musste bei einem Auftritt in Ingolstadt seinen Besuch abbrechen und in einem Krankenhaus untersucht werden.
Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla (48) musste bei einem Auftritt in Ingolstadt seinen Besuch abbrechen und in einem Krankenhaus untersucht werden.  © RONNY HARTMANN/AFP

Was genau in beiden Fällen vorgefallen ist, wissen konkret aktuell nur die Involvierten. Jedoch gehen die jeweiligen Aussagen der rechtsextremen Partei deutlich in eine drastischere Darstellung, als es bei Bundeskriminalamt oder Polizei beschrieben wird.

AfD-Chefin Weidel hat am Tag der Deutschen Einheit einen Auftritt bei einer Kundgebung ihrer Partei aus Sicherheitsgründen abgesagt.

"Am vorletzten Wochenende gab es einen sicherheitsrelevanten Vorfall. Frau Weidel und ihre Familie wurden von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht, da sich Hinweise verdichtet hatten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten", teilte ein AfD-Sprecher zu der Entscheidung Weidels mit.

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Dem widerspricht nun das Bundeskriminalamt (BKA), das für den Personenschutz der Politikerin verantwortlich ist. Gegenüber "Focus" äußerte ein BKA-Sprecher, die Absage der Teilnahme sei nicht auf deren Veranlassung oder Empfehlung hin passiert.

Weidel soll dann mit ihrer Familie nach Mallorca geflogen sein. Ein Redner behauptete bei der Veranstaltung in Mödlareuth, sie sei zuvor in ein sogenanntes "Safe House" gebracht worden, das sie nicht verlassen dürfe.

Ihr Sprecher sagte später, dass diese Darstellung nicht korrekt gewesen wäre. Nach der Wahl in Bayern und Hessen gab Weidel im ZDF am Sonntagabend zu, dass die Safehouse-Berichte eine Falschmeldung der AfD gewesen seien.

Einen Tag später kam es – wieder laut AfD-Darstellung – zu einem "tätlichen Vorfall" gegen Chrupalla (48) in Ingolstadt. Ein Sprecher erzählte von einer "Einstichstelle", der Politiker sei intensivmedizinisch beobachtet worden.

Polizei in Bayern ermittelt vorerst gegen Unbekannt

Tino Chrupalla steht zusammen mit AfD-Chefin Alice Weidel (44, r.) an der Spitze der rechtsextremen Partei.
Tino Chrupalla steht zusammen mit AfD-Chefin Alice Weidel (44, r.) an der Spitze der rechtsextremen Partei.  © Odd ANDERSEN/AFP

Was nach einem mutmaßlichen Angriff oder gar Attentat klingen mag, verliert enorm an Wirkung, wenn man die Darstellung der Polizei sieht.

"Bei der Veranstaltung in Ingolstadt haben nach dem derzeitigen Kenntnisstand mehrere Personen Selfies mit Herrn Chrupalla gefertigt, bei denen es zu einem leichten Körperkontakt kam. Es liegen zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Erkenntnisse vor, dass Herr Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde", meldeten die Beamten zu diesem "Fall".

"In zeitlichem Abstand hierzu, auf dem Weg zur Bühne, verspürte Herr Chrupalla Schmerzen im Oberarm. Aufgrund weiterer gesundheitlicher Beschwerden wurde Herr Chrupalla zur medizinischen Versorgung in das Klinikum Ingolstadt verbracht." Es sei eine oberflächliche Schwellung festgestellt worden, die ersten Untersuchungen in der Klinik verliefen unauffällig.

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"Diese Informationen beruhen auf den zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Zeugenaussagen", gab die Polizei bekannt. Zu diesen Zeugen zählen auch Chrupalla und seine Personenschützerin. Gutachter und Polizei versuchen zu klären, ob hinter dem Vorfall tatsächlich ein Fremdverschulden steckt.

Beide Vorfälle fanden in Bayern statt, wenige Tage vor der Landtagswahl am 8. Oktober. Wurde am Ende aus diesem Grund alles schlicht viel dramatischer inszeniert, als es tatsächlich passiert ist? Oder steckt mehr dahinter, als bislang gesichert mitgeteilt werden konnte?

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AfD-Politiker Frank Magnitz und die Legende vom Kantholz

Im Januar 2019 sorgte der AfD-Politiker Frank Magnitz (71) für Schlagzeilen.

Er soll – in der Nähe einer Veranstaltung der Linken – von mehreren Vermummten überfallen und mit Tritten gegen den Kopf und einem Kantholz attackiert worden sein. Auch das stimmte nur zum Teil.

Nachdem zuerst von einem "Mordanschlag" und "Ergebnis rot-grüner Hetze" gesprochen worden war, relativierte der Politiker selbst, nachdem bekannt wurde, dass eine Videoanlage den Vorfall filmte. Auf dem Video waren laut Ermittler weder Tritte gegen den Kopf noch ein Kantholz zu sehen. "Es kann auch ein Raubüberfall gewesen sein", so Magnitz gegenüber der "Bild".

Die Polizei veröffentlichte das Video.

Dort wird der Politiker von hinten mit einem heftigen Schlag gegen den Hinterkopf/Nacken-Bereich umgerempelt und im Fallen noch einmal geschlagen. Der Angreifer und die beiden passiven Begleiter ergriffen daraufhin die Flucht.

Titelfoto: Odd ANDERSEN/AFP

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