Riesen Steine geben Rätsel auf: Was hat es mit den Hünengräbern auf sich?
Rerik - Vielleicht hat sich manch Spaziergänger in Mecklenburg-Vorpommern schon einmal über die großen Steinansammlungen in der Natur gewundert. So große Steine - wie kommen die alle dorthin? "Das müssen doch Hünen transportiert haben!", kommt es vielleicht in den Sinn.
Kommen solche Gedanken auf, treffen Zeitalter aufeinander. Denn: Auch die Menschen im Mittelalter vermuteten, nur sogenannte Hünen, also Riesen, hätten die tonnenschweren Steine bewegen können. Aber worum handelt es sich bei den Steinanlagen überhaupt?
Zwischen idyllischer Küstenlandschaft und ruhigen Wäldern sind im Land rund 400 sogenannte Großsteingräber oder Megalithanlagen zu finden.
Der Begriff Hünengräber ist volkstümlich und stammt noch aus dem Mittelalter, erklärt Thomas Köhler. Die Megalithanlagen stammen laut Köhler aber aus der Jungsteinzeit, etwa 3500 bis 1800 vor Christus.
Köhler ist Leiter des Heimatmuseums in Rerik und bietet regelmäßig geführte Touren zu den Anlagen an. Eben erst habe ihn eine Gruppe von acht interessierten Personen begleitet. "Sie sind die ältesten, sichtbaren Bauwerke von Menschen hier in unserer Landschaft", erklärt er.
Manche der Gräber seien sogar über 40 Meter lang.
Diesen Zweck hatten die Steinanlagen
Tatsächlich seien die Anlagen aber nicht von Hünen errichtet worden. "Da ist nichts Hünenhaftes dabei, und man sollte unseren Vorfahren ruhig etwas zutrauen", verdeutlichte Köhler. Die Megalithanlagen seien von den Menschen der Trichterbecherkultur errichtet worden, die mit Ackerbau und Viehzucht begannen und sesshaft wurden.
Die Anlagen seien auch als Grabstätten, aber in erster Linie als Kultstätten genutzt worden. "Wir würden hier heute eine Kirche auch nicht als Friedhof bezeichnen, nur weil sich unter dem Fußboden Gräber befinden", vergleicht Köhler.
Man spreche auch von rituellen Landschaften, die oft abseits der Siedlungs- und Wirtschaftsareale lagen. Es könne sich bei den Megalithanlagen aber auch um Kalenderpunkte gehandelt haben. Außerdem habe man in manchen Steinen Ritzzeichnungen gefunden.
Die Anlagen aus Granitsteinen seien dann von späteren Kulturen weiterverwendet und teilweise bewusst mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt worden. Einst hätten über 1000 dieser Bauwerke in der Landschaft gestanden - aber im Industriezeitalter sie die Anzahl geschrumpft.
"Da wurde das Ganze als sogenannter Hünenschotter zum Teil eben für den Straßenbau verwendet oder auch für Fundamente von Kirchenhäusern, Ställen oder Scheunen."
Wie kamen die tonnenschweren Steine dorthin?
Doch woher kamen die großen Steine, und wie konnten sie ohne technische Hilfsmittel, wie wir sie heute haben, transportiert werden?
In Norddeutschland wurden Findlinge für die Errichtung der Gräber benutzt, welche die letzte Eiszeit hinterlassen hatte, erklärt Alexander Schacht von der Denkmalschutzbehörde im Landkreis Rostock.
Der Transport sei wahrscheinlich im Winter über hölzerne Rollen wie Baumstämme und mittels Zugtieren erfolgt. Dies setzte aber beachtliche logistische und organisatorische Fähigkeiten voraus, denn die Steine seien über größere Entfernungen bewegt worden.
Zu den größten erhaltenen Megalithgräbern zählt etwa der "Teufelsbackofen" im Everstorfer Forst bei Grevesmühlen oder das Großsteingrab in Katelbogen bei Bützow.
Für viele Besucher und Pilger sind die Hünengräber noch heute faszinierende Zeugnisse menschlicher Schaffenskraft und haben auch eine spirituelle Bedeutung, erklärt Köhler. Bis heute behielten sie ihre mystische Anziehungskraft. Es gebe ja auch den sogenannten Wicca-Kult, erinnert sich Köhler. "Das sind dann eben Frauen und Männer, die sich auf diese alten Naturreligionen besinnen", sagt er.
Zu großen Festen des keltischen Jahreskreises, wie etwa der Winter- oder Sommersonnenwende, werden die Grabstätten, so Köhler, auch gerne aufgesucht. "Manchmal sieht man, dass Blumenkränze abgelegt sind oder dort aufgeschnittene Früchte liegen."
Titelfoto: Bernd Wüstneck/dpa