Tierheime in Not: Werden zukünftig Haustiere einfach auf der Straße ausgesetzt?
Wiesbaden - Die Erhöhung der Tierarztkosten macht den Heimen zu schaffen. Sie fürchten weitere Tier-Abgaben, wenn sich die Halter die Behandlungen nicht leisten können. Dabei sind viele Heime jetzt schon voll.
Der wegen Energiekosten schwierige Winter ist gemeistert, doch die hessischen Tierheime gehen nicht froh in den Frühling. "Im Prinzip hat sich nicht viel verändert", erklärt Sigrid Faust-Schmidt vom hessischen Landestierschutzverband in Altenstadt. Die Liste der Probleme ist lang: höhere Kosten für Tierarzt, Angestellte und Futter, Personalmangel bei den Tierpflegern, weniger Vermittlungen, immer mehr Abgaben auch von schwierigen oder vernachlässigten Tieren.
Immerhin muss nun nicht mehr so viel geheizt werden wie in den kalten Monaten. Zudem können die Tierheime sich wieder mit Veranstaltungen Geld dazuverdienen. Auch sind die staatlichen Hilfen, etwa der Energiekostenzuschuss vom Land, bei den Heimen angekommen, die Spendenbereitschaft von privater Seite ist vielerorts ungebrochen.
"Dank unserer großartigen Mitglieder und Spender sind wir kostenmäßig sehr gut durch den Winter gekommen", berichtet Karsten Pflücker vom Tierheim "Wau-Mau-Insel" in Kassel. Der Tierschutzverein in Wiesbaden hat sogar neue Mitglieder und Tierpaten gewonnen, nach einem Aufruf in der Lokalzeitung wurde zudem Geld und Futter gespendet.
Schwierig ist die Lage trotzdem. "Das größte Problem ist die Erhöhung der GOT", sagt Faust-Schmidt. Die neue "Gebührenordnung für Tierärzte" mit ihren drastischen Erhöhungen ist seit dem 22. November 2022 in Kraft. Das trifft die Tierheime zum einen unmittelbar, wenn ihre Tiere behandelt werden müssen. So berichtet das Tierheim in Kassel, im Schnitt 30 bis 40 Prozent mehr für den Tierarzt zahlen zu müssen.
Besonders teuer wird es natürlich bei Operationen. "Wir sind bei einer OP schnell im vierstelligen Euro-Bereich", rechnet die Vorsitzende des Tierschutzvereins Wiesbaden, Henriette Hackl, vor.
Hohe Tierarztkosten werden für Haustierbesitzer zunehmend zum Problem
Tierheime bekommen immer wieder Anrufe von verzweifelten Tierbesitzern, die sich die Behandlung beim Veterinär nicht mehr leisten können. Die Tierschützer befürchten daher steigende Abgabezahlen.
Doch viele der Unterkünfte sind bereits jetzt voll, schon lange werden mehr Tiere abgegeben als vermittelt. Unerzogene Hunde, deren Zahl seit über zehn Jahren steigt, verstärken das Problem. "Ihnen muss das kleine Hunde-Einmaleins beigebracht werden, um überhaupt eine Vermittlungschance zu haben. Damit meine ich noch nicht einmal echte Problemhunde, die von Behörden sichergestellt werden", erklärt Hackl von den Wiesbadener Tierschützern.
Doch wohin mit dem Tier, das nicht mehr gehalten werden kann, wenn die Heime voll sind? "Wir schätzen, dass künftig mehr Tiere ausgesetzt werden", sagt Faust-Schmidt vom Landestierschutzbund.
Erschwerend komme hinzu, dass viele Tierpensionen in der Coronazeit mangels Nachfrage aufgegeben hätten, sodass die Unterbringung während der Arbeits- und Urlaubszeit oder einer Krankheit jetzt noch schwerer als vor dem Beginn der Pandemie sei.
"Wir brauchen einen Plan, wie man Tierheime dauerhaft finanziell stützt", fordert angesichts der vielen Probleme die Wiesbadenerin Hackl. Zum Beispiel könnten die Heime an den Hundesteuer-Einnahmen beteiligt oder ihnen von den Behörden mehr Geld für sichergestellte und gefundene Tiere gezahlt werden, schlägt sie vor.
Die Einführung eines Hundeführerscheins könne helfen, dass weniger Tiere unüberlegt angeschafft würden. Und eine Aufhebung der hessischen Hundeverordnung, die bestimmte Rassen als "gefährlich" einordnet und die Haltung nur unter Auflagen erlaubt, würde die Vermittlung dieser Tiere erleichtern.
Titelfoto: Swen Pförtner/dpa