"Farmrebell" Benedikt Bösel: So will er die Landwirtschaft zum Klimaretter machen
Die Sommer werden heißer und vor allem trockener. Das stellt viele Landwirte vor wachsende Probleme. Auch Benedikt Bösel (38), der 2016 den elterlichen Betrieb in Alt Madlitz in Brandenburg übernahm, sah sich an einem Scheideweg und beschloss, den Weg hin zu einer regenerativen Landwirtschaft zu beschreiten. Wie beschwerlich, aber auch hoffnungsvoll dieser für den jungen Familienvater und sein Team ist, zeigt die Doku "Farm Rebellion" ab 14. Juni auf Disney+.
Benedikt Bösel: Im Winter 2017 hatten wir zuerst zwei große Stürme und danach kam die erste Dürre. Da habe ich gemerkt, dass ein 'weiter so' nicht funktionieren wird. Der Klimawandel ist in Brandenburg heute schon real und es wird auch noch schwieriger werden. Deswegen begann ich auf der ganzen Welt nach neuen Wegen zu suchen.
Landwirtschaft ist nicht nur Primärproduktion von Lebensmitteln, sondern der Schlüssel für unsere Zukunft. Klimaanpassung, Biodiversität, Gesundheit, Entwicklung ländlicher Räume und Chancengleichheit – alles wird durch die Art der Landnutzung geprägt. Dafür "rebellieren" wir.
TAG24: Was machen Sie genau auf "Gut&Bösel"?
Bösel: Wir testen und erforschen unterschiedliche Methoden der regenerativen ökologischen Landwirtschaft. Beispielsweise Agroforst oder syntropischer Agroforst. Die Idee der Syntropie ist, dass die Dinge gemeinsam funktionieren, wie ein gesundes Ökosystem. Also dass unterschiedliche Strauch- und Baumarten, Kräuter und Leguminosen auf unterschiedlichen Höhen in schmalen Baumstreifen wachsen, die parallel zueinander über die Felder verlaufen. Zwischen den Streifen nutzen wir die Fläche weiterhin landwirtschaftlich.
Zudem versuchen wir unsere Rinder ebenfalls in diese Kreisläufe zu integrieren. Das bedeutet, wir versuchen die Land-, Forst- und Viehwirtschaft wieder zusammenzuführen. Denn besonders die Tiere sind wichtig für den Nährstoffkreislauf und die Biodiversität.
Angepasst an Dürre und Hitze
Bösel: Der Boden ist deswegen so wichtig, weil über 95 Prozent der Nahrung aus dem Boden kommt. Wenn ich eine Handvoll gesunden Boden in der Hand halte, sind da mehr Organismen drin, als es Menschen gibt. Und diese Organismen machen das Essen für uns überhaupt erst verdaubar.
Wenn wir Lebensmittel aus einem kranken oder toten Boden essen, sind da vielleicht Kalorien drin, aber eben nicht mehr diese Diversität an Mikrobiom, die wir brauchen, um gesund zu sein. Außerdem kann gesunder Boden viel besser Wasser aufnehmen und speichern. Und die Böden der Welt sind mit Abstand die größten Kohlenstoffsenken.
TAG24: Die Umstellung auf regenerative Landwirtschaft ist ein langwieriger Prozess. Gibt es trotzdem schon erste Erfolge?
Bösel: "Wo man Erfolge sehen kann, ist beim Bodenaufbau in den Agroforst-Reihen. Es ist erstaunlich, wie viel besser der Boden in sehr kurzer Zeit wird. Was man auch unheimlich gut sehen kann, welchen positiven Einfluss Kühe auf das Ökosystem haben, und zwar beim Bodenaufbau und der Biodiversität.
Und eine kleine Geschichte, die uns sehr viel Hoffnung macht: Wir pflanzen inzwischen die meisten Agroforstsysteme über Saatgut, also Äpfel, Pflaumen, Birnen. Die daraus entstehenden Bäume, die sich selber entschieden haben, dort zu wachsen, sind unglaublich gut angepasst an Trockenheit, Hitze und wenig Wasser."
Veränderung für eine nachhaltige Zukunft
Bösel: Die entscheidende Frage ist: Können wir landwirtschaftliche Systeme entwickeln, von denen die Landwirte gut leben können, wo die Kinder Lust haben, das später auch zu machen, wo wir den Boden und das Ökosystem aufbauen und gleichzeitig hochwertige Lebensmittel produzieren?
TAG24: Und können Sie?Bösel: Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass wir als Spezies die Grundlagen unseres Umgangs mit den natürlichen Ressourcen grundlegend verändern könnten, würde ich es wahrscheinlich auch nicht machen. Aber wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun!
TAG24: Kann jeder etwas zur "Revolution" beitragen?Bösel: Über die Kaufentscheidung entscheide ich jedes Mal, welche Art von Landwirtschaft ich unterstützen möchte. Auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon kann ich was tun. Wenn man Unkraut jätet, sollte man das nicht wegschmeißen, sondern direkt liegen lassen, damit der Boden immer bedeckt ist. Das hat schon einen großen Einfluss.
Über Benedikt Bösel
2019 begann er mit der Integration neuer Konzepte wie ganzheitlichem Weidemanagement, Kompostierung, syntropischem Agroforst, Waldumbau und dem Aufbau einer Baumschule.
2021 gründete er die Finck Stiftung, die gemeinsam mit der Bundesregierung und vielen weiteren Instituten die Methoden der regenerativen Landwirtschaft in Alt Madlitz wissenschaftlich begleitet.
Sein Buch "Rebellen der Erde: Wie wir den Boden retten und damit uns selbst" erschien am 30. März 2023 im Scorpio Verlag.
Infos: www.gutundboesel.org
Titelfoto: Bildmontage: Disney+, 2021 The Walt Disney Company/Megaherz