Dürfen die das? Billig-Strom und -Gas nur für Kirchenmitglieder!
Potsdam/Berlin - In Zeiten der Energiekrise sucht wohl jeder nach dem günstigsten Anbieter für Strom und Gas. Für Berliner und Brandenburger bietet sich dafür quasi eine göttliche Lösung an, doch ist das überhaupt rechtens?
Erst am gestrigen Donnerstag hat der Berliner Grundversorger Vattenfall mit Verweis auf deutlich gestiegene Beschaffungskosten eine saftige Preiserhöhung von knapp 13 Prozent angekündigt.
Mit den neuen Verbrauchspreisen, die ab Oktober gelten, bleibt der Stromkonzern zwar noch knapp unterhalb des ursprünglich veranschlagten Preisniveaus für die Zeit bis Juni 2022, doch die eingesparte EEG-Umlage ist mit der neuen Erhöhung quasi hinfällig.
Davon werden rund 1,4 Millionen Berlinerinnen und Berliner betroffen sein. Für Kirchenmitglieder bietet sich jedoch eine Chance, der Preisspirale zu entkommen, denn die Stadtwerke Potsdam bieten in Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche im Potsdamer Land den vergünstigten Tarif "EchtKircheÖko" an, wie "Bild" berichtet.
Demnach kostet die Kilowattstunde Kirchenstrom für Katholiken in Berlin nur 25,28 Cent. Gehört man der evangelischen Konfession an, wird der Preis mit 29,71 Cent zwar etwas höher, man liegt aber dennoch weiterhin deutlich unter den veranschlagten 39,76 Cent für "Normalbürger". Zum Vergleich: Bei Vattenfall kostet die Kilowattstunde für alle "nur" 33,12 Cent.
Potsdamer Stadtwerke bevorzugen Kirchenmitglieder bei Preis für Strom und Gas
Auch beim Gas kann man bei den Potsdamer Stadtwerken als Kirchenmitglied erheblich sparen. In diesem Fall zahlt man nämlich nur 8,07 Cent gegenüber den sonst geforderten 13,24 Cent.
Hat sich die katholische Kirche hier also ein geschicktes Mittel ausgedacht, um neue Mitglieder für sich zu werben? Nein, denn die Möglichkeit, einen ökologischen Kirchenstrom von den Stadtwerken Potsdam zu beziehen, besteht bereits seit 2004, die Vereinbarung für Gas wurde 2020 abgeschlossen.
Grund für die Aushandlung des Kirchenstroms war der Wunsch der Gemeinden und vieler Mitglieder, Ökostrom zu beziehen sowie die Ablehnung gefährlicher Atomenergie.
Doch ist das überhaupt erlaubt? Laut Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes eigentlich nicht, denn da heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, [...], seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Bislang hat diese offensichtliche Bevorzugung niemanden gekümmert, doch mittlerweile regt sich Widerstand dagegen. "Eine Bevorzugung religiöser Überzeugungen bei Strom- und Gaspreisen darf es nicht geben", zitiert "Bild" den Linken-Politiker Stefan Wollenberg, der auch im Aufsichtsrat der Potsdamer Stadtwerke sitzt. Steht dem göttlichen Strom also der Abgesang bevor?
Titelfoto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa