Schutz vor Gewalt durch Partner: Sind Fußfesseln die Lösung?
Stuttgart - Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Frau eigene Wege gehen will, und setzen dann auf Gewalt: Immer wieder ignorieren Männer Annäherungsverbote, misshandeln ihre Partnerinnen und Ex-Partnerinnen oder bringen sie sogar um.
Die elektronische Fußfessel, ein aus Sicht von Opferschützern wirksames Mittel gegen die Gefahr, ist im Gewaltschutzgesetz des Bundes in solchen Fällen nicht vorgesehen.
"Es ist nicht nachvollziehbar, warum wir nicht den erfolgreichen Weg, den etwa Spanien eingeschlagen hat, auch hierzulande gehen", betont der Landeschef der Opferschutzorganisation Weißer Ring, Hartmut Grasmück. Zwar sehe das Gewaltschutzgesetz ein gerichtliches Annäherungsverbot vor, aber man müsse das auch überwachen können.
Eine Fußfessel schlägt Alarm, wenn der Täter sich einem gefährdeten Menschen nähert. Es können unmittelbar Schritte zum Schutz des Opfers unternommen werden und das Opfer kann rasch reagieren. Zudem erhöht die ständige Kontrolle die Hemmschwelle für erneute Annäherungen.
In Spanien könnten Gerichte seit 2009 das Tragen von Fußfesseln bei massiver Bedrohung anordnen. Seitdem ist laut dem Weißen Ring die Zahl tödlicher Angriffe auf Frauen rapide zurückgegangen.
In Deutschland waren im Jahr 2022 laut Bundesinnenministerium 133 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet worden. Auch 19 Männer verloren ihr Leben infolge von Partnerschaftskonflikten.
Land sieht keinen Handlungsbedarf
Im baden-württembergischen Innenministerium steht das Thema nicht auf der Agenda. Ein Sprecher verweist auf ein ganzes Bündel von Schutzmaßnahmen für Opfer häuslicher Gewalt. Die Bandbreite reiche von Gefährderansprachen über Ingewahrsamnahme bis zur Deeskalationshaft.
Im Sommer 2021 seien die bestehenden Regelungen aktualisiert und ausgeweitet worden. Seither gibt es in jedem bekannt gewordenen Fall häuslicher Gewalt ein Gefährdungsmanagement. Dazu gehört eine Risikoprognose.
Auch die Polizei kann sich nicht für den Vorschlag des Weißen Rings erwärmen. "Personell ist das nicht umsetzbar, wir sind bei der Polizeidichte bundesweites Schlusslicht, da können wir keine neuen Aufgaben übernehmen", sagt der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Gundram Lottmann.
Zudem handele es sich bei häuslicher Gewalt meist um einfache Körperverletzung. Da müsse die im Polizeigesetz des Landes bereits verankerte Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter Priorität haben.
Fußfessel soll Gefährder in Schach halten
Die Fußfessel ist in Deutschland kein unbekanntes Instrument. So kann sie laut Polizeigesetz im Südwesten auch zur Überwachung potenziell gewaltbereiter Islamisten oder für sogenannte Ausführungen vor der Entlassung genutzt werden. Beispiele: Arzt- oder Familienbesuch.
Der Weiße Ring versteht nicht, warum häusliche Gewalt als Grund für die Fußfessel-Maßnahme nicht ausreicht. "Nordrhein-Westfalen hat sein Polizeigesetz geändert - warum ist das hier nicht möglich?", fragt Grasmück. Auch Hessens Regierung hält die Fußfessel für die angemessene Antwort auf steigende Missachtung richterlicher Näherungs- und Kontaktverboten.
"Die elektronische Überwachung kann entscheidend dazu beitragen, häusliche Gewalt einzudämmen und Femiziden vorzubeugen", meint Ministerpräsident Boris Rhein (52, CDU). Hessen strebt den Einsatz der Fußfessel im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes an.
Grüne wollen mehr Schutz für Frauen
Die Grünen im baden-württembergischen Landtag stehen der Fessel nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. "Beinahe jeden Tag versucht in Deutschland ein Partner oder Ex-Partner, eine Frau zu töten", sagt deren Innenexperte Oliver Hildenbrand. Der Schutz von Frauen vor Partnergewalt müsse intensiviert werden.
Aktuell überarbeite die Landesregierung ihren Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Ob die Fußfessel dazu beitragen könne, die Einhaltung von Annäherungs- und Kontaktverboten effektiver zu gewährleisten, solle offen diskutiert werden, so Hildenbrand.
Titelfoto: Bildmontage: Julian Stratenschulte/dpa, Jonas Walzberg/dpa