Heldenhaft! Spider-Man will kranken Kindern Mut machen
Speyer - Dieser Mann im Spider-Man-Kostüm zieht viele Blicke auf sich. Doch nicht nur sein Kostüm ist heldenhaft, denn sein Ziel ist es, kranken Kindern ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. TAG24 sprach mit ihm.
Unter dem Kostüm steckt Claudio Cantali (44) mit einer Mission. Er will kranken Kindern Mut zusprechen - und wer könnte das besser als ein Superheld?
Als Spider-Man besucht er Kinder, die an Leukämie leiden, im Rollstuhl sitzen, herzkrank oder geistig beeinträchtigt sind und in ihrer schweren Zeit eine Aufmunterung brauchen.
Cantali bezeichnet sie alle als "kleine Helden", denn "sie kämpfen so sehr gegen ihre Krankheit, müssen Bluttests und ständige Arztbesuche über sich ergehen lassen." Er habe großen Respekt vor den Kleinen.
Manche Kinder freuen sich, wenn er in seinem Kostüm plötzlich vor der Tür steht, andere schauen ihn in seinem Spider-Man-Kostüm mit großen Augen an und wieder andere weinen vor Schreck.
Nach einer kurzen Aufwärmphase ist das Eis meist schnell gebrochen, und "das Kind entscheidet, wie sein Superhelden-Moment aussieht". Mal spielen sie zusammen, mal zeigt das Kind ihm sein Kinderzimmer - es sei ganz individuell. Ein Geschenk bringt er immer mit.
Max versprach Spider-Man, wieder gesund zu werden und wurde krebsfrei
Der Ehrenamtliche will dem Kind einen schönen und unbeschwerten Tag bereiten, an dem die Krankheit mal nicht an erster Stelle steht. "Ich möchte, dass der kleine Held die schlechten Momente vergisst und einfach nur Kind sein darf."
Bei jedem Besuch lässt sich Spider-Man von den Kindern versprechen, dass sie wieder gesund werden. Max' Eltern berichteten ihm vor Kurzem, dass er sein Versprechen eingelöst hat.
Als Spider-Man Max das erste Mal besuchte, "ging es dem Jungen schlecht", wie sich Cantali erinnert. Er litt an Leukämie und war von seiner Krankheit gezeichnet. Sein kahler Kopf und sein magerer Körper sprachen für sich.
Als er drei Jahre später die Familie noch einmal besuchte, stand Max mit einer Haarpracht und krebsfrei vor ihm. "Ich habe Gänsehaut bekommen." Das sei ein unvergesslicher Moment.
Die Begegnungen mit kranken Kindern fallen ihm nicht immer leicht. "Man nimmt das immer mit", sagt der 44-Jährige. Doch indem er darüber spreche, könne er es verarbeiten.
Alles begann mit einer Comic-Veranstaltung
Alles begann vor rund sieben Jahren, als ein Freund Claudio, der hauptberuflich Warenhausdetektiv ist, fragte, ob er mit ihm eine Comic-Messe besuchen wollte. Die beiden besorgten sich Kostüme, doch wegen einer Autoreparatur konnten sie nicht fahren.
Bevor das Kostüm also komplett verstaubte, begleitete Claudio an Fasching seinen Sohn in den Kindergarten und entdeckte, wie beeindruckt die Kinder waren. Plötzlich war die Idee geboren, kranken oder sozial benachteiligten Kindern als Spider-Man Mut zuzusprechen.
Als er seiner Frau Susanne von der Idee erzählte, unterstützte sie ihn sofort. Noch heute wird er zu jedem Besuch entweder von seiner Frau oder seinen zwei Töchtern Laura (21) oder Michelle (22) begleitet. Die ganze Familie unterstützt das Projekt und hilft beim Organisieren.
Über eine Facebookseite können sich Eltern melden, die Spider-Man gern zu sich nach Hause oder in ein Krankenhaus einladen wollen.
Manche Eltern fragen ihn auch für Geburtstage gesunder Kinder an, und "ich kann da schwer nein sagen", sagt der Herzensgute. Natürlich freut er sich, wenn die Eltern für das Projekt spenden, doch ein Muss ist es nicht.
Durch Corona musste auch ein Superheld erfinderisch werden
In Corona-Zeiten sind die Besuche bei den kranken Kindern nicht möglich. Doch einen Superhelden hält nichts auf, auch keine Pandemie.
Rund 20 Besuche im Monat hatte der ehrenamtliche Mutmacher vor Corona. Dabei vereinbarte er am Tag nur einen Besuch, denn "ich will mich auf den kleinen Helden konzentrieren und nicht im Hinterkopf noch einen Termin im Kopf haben", sagt der Mann aus Speyer.
Seit Corona versendet Spider-Man nun Videobotschaften, Autogrammkarten oder kleine Mutmacher-Pakete an die kleinen Helden. Das nimmt täglich ein bis zwei Stunden ein.
Um die Überraschung nicht kaputtzumachen, verraten wir natürlich nicht ganz genau, was darin ist, doch Claudio versichert, es seien Dinge, die kleinen Spider-Man-Fans gut gefallen.
Innerhalb seiner siebenjährigen Tätigkeit als "freundliche Spinne aus der Nachbarschaft" hat sich auch sein Blickfeld erweitert und er schaue nicht mehr nur geradeaus, sondern auch mal nach links und rechts. Wenn er heute jemand bettelnd auf der Straße sieht, gibt er ihm immer Geld. Es gebe immer jemand, der Hilfe braucht. "Man kann auch ohne Maske ein Held sein".
Auf die Frage, was sein schönster Moment war, antwortet Cantali: "Alle sind so schön, dass ich mir keinen Moment aussuchen kann, der am schönsten war. Jeder Tag war ein toller Tag".
Sein 11-jähriger Sohn Leon ist schon großer Spider-Man-Fan. Wer weiß, vielleicht tritt er ja in die Fußstapfen seines heldenhaften Vaters.
Titelfoto: Claudio Cantali