Arbeit hinter Gittern: Gibt es im Ländle bald mehr Lohn für Häftlinge?
Stuttgart - Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Stundenlöhnen für Gefangene stellt Baden-Württemberg seine Regelungen und Gesetze auf den Prüfstand.
Es sei noch unklar, ob die von den Karlsruher Richtern kritisierte Entlohnung in Bayern und Nordrhein-Westfalen auch in den baden-württembergischen Gefängnissen angepasst werden müsse. Sicher sei aber, dass das Land in den kommenden beiden Jahren ein neues und vom Gericht gefordertes Konzept für die Resozialisierung seiner Gefangenen erstellen werde.
Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte Juni zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen recht gegeben. Sie hatten gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt.
Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind demnach verfassungswidrig, wenn dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht. Gefangene müssten Sinn und Nutzen von Arbeit erkennen.
In Baden-Württemberg liegen die Stundenlöhne von Gefangenen laut Justizministerium zwischen 1,53 und etwa 2,55 Euro - abhängig von der Art der Arbeit. In der Sicherungsverwahrung wird etwas mehr gezahlt. Gearbeitet wird zum Beispiel in der Schreinerei der Haftanstalt, in der Schlosserei, der Polsterei oder auch als Buchbinder und Mediengestalter. Zum einen erstellen Gefangene Gegenstände, die vom Gefängnis verkauft werden. Zum anderen produzieren sie für Unternehmen.
Strafgefangene sind in Deutschland gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Mindestlohn gilt in JVAs nicht, da es nicht um Arbeit im eigentlichen Sinne, sondern um Resozialisierung der Straftäter gehen soll. Neben Geld und regulären Urlaubstagen bekommen Häftlinge auch zusätzliche Freistellungstage. Ob die ihnen zugewiesenen Aufgaben sie auch tatsächlich auf ein Leben in Freiheit vorbereiten, ist bei den Häftlingen ebenso umstritten wie bei ihren Interessenvertretungen und zuletzt bei Verfassungsrichtern.
"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nehmen wir zum Anlass, im Rahmen eines länderübergreifenden Austausches ein Gesamtkonzept zu erarbeiten", sagte Justizministerin Marion Gentges (52). Es müssten in jedem Fall die besonderen Umstände des Justizvollzugs und die Verantwortung des Landes auch für die Gefangenen berücksichtigt werden.
"Das ist Teil einer sorgfältigen Abwägung und verbietet jeden Schnellschuss", sagte die CDU-Ministerin.
Mindestlohn im Gefängnis?
Für das geforderte Resozialisierungskonzept habe das Bundesverfassungsgericht komplexe Abwägungsentscheidungen vorausgesetzt, sagte ein Sprecher des Justizministeriums.
Alleine will das Land diese aber zunächst nicht treffen: Da sich auch andere Länder mit der Frage des gerechten Stundenlohns auseinandersetzen, sei ein länderübergreifende Absprache sinnvoll, sagte der Ministeriumssprecher.
Der Strafvollzugsausschuss der Länder befasse sich daher mit dem Thema. Vertreter der Landesministerien, des Bundesjustizministeriums und der Generalbundesanwaltschaft kämen nach ersten Gesprächen Ende September zu einer Herbsttagung zusammen.
Zumindest ein bisschen drängt die Zeit: Die Bundesländer müssen die Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen.
Um die Stundenlöhne für die baden-württembergischen Gefangenen zu berechnen, wird das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines normalen Beschäftigten aus dem vorletzten Jahr herangezogen. Allerdings erhalten Strafgefangene nur neun Prozent dieses Entgelts. Es gibt dabei fünf Vergütungsstufen - von ganz einfachen bis zu hochkomplexen Tätigkeiten. Zum Grundlohn können noch Erschwernis-, Überstunden- und Leistungszulagen sowie solche für ungünstige Zeiten hinzukommen. Die tägliche Arbeitszeit liegt in den Vollzugsanstalten zwischen 5 und 7,5 Stunden.
Einen unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund geforderten Mindestlohn wird es aber sicher nicht geben. Denn neben der Vergütung für Gefangene stehen auch die Ausgaben, die den Ländern durch die Inhaftierten entstehen.
Nach Angaben des Justizministeriums liegen die gesamten Aufwendungen für die Gefangenenbeschäftigung - darunter die Personalkosten des sogenannten Werkdienstes, Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung der Gefangenen, Energiekosten und Ausgaben für Arbeitskleidung, Maschinen und Transport - bei rund 57 Millionen Euro.
Die reinen Lohnkosten betrugen im Jahr 2022 hingegen lediglich 9,8 Millionen Euro.
Titelfoto: dpa | Daniel Karmann