AKW-Aus in Neckarwestheim: Bürgermeister warnt vor finanzieller Lage
Neckarwestheim - Für die Gemeinde Neckarwestheim (Landkreis Heilbronn) ist das Ende des dortigen Atomkraftwerks (AKW) mit herben finanziellen Einschnitten verbunden.
Fünf bis zehn Millionen Euro Gewerbesteuer - vorwiegend durch das AKW - sprudelten jährlich in die Kasse, sagte Bürgermeister Jochen Winkler (46, parteilos) der Deutschen Presse-Agentur. Seit er 2016 ins Amt kam, gehe es darum, den Haushalt auf die Zeit nach dem AKW vorzubereiten.
"Wir haben die Luft rausgelassen", sagte der Rathauschef der 4200-Einwohner-Kommune. Die Rücklage sei gut, aber die nächsten Schritte könnten wehtun.
Block 1 des AKW ging 1976 in Betrieb. Er zählte 2011 zu den ersten, die nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima abgeschaltet wurden. Block 2 ging 1989 ans Netz. Eigentlich hätte er als einer der letzten drei Meiler in Deutschland Silvester abgeschaltet werden sollen.
Doch infolge der Energiekrise hat die Bundesregierung die Laufzeit bis Mitte April verlängert, um die Stromversorgung zu sichern.
"Ihr strahlt ja alle" - Neckarwestheim will Atomdorf-Image abschütteln
Die Debatte gehört zu den Themen, von denen Bürgermeister Winkler sagt: "Ich bin auch froh, dass die dann mal weg sind." Die Suche nach einem Endlager und die Gefahr von Terroranschlägen sind weitere.
Wegen der möglichen radioaktiven Belastung war das AKW Winkler zufolge von Anfang an ein Problem für die Landwirtschaft. "Marketingtechnisch ist das auf jeden Fall ein Nachteil." Wein aus der Region werde nicht mit dem Bezug zu Neckarwestheim verkauft. Auch touristisch wurde das Kernkraftwerk lange Zeit ausgeblendet.
Heute versucht die Gemeinde Umwelt und Atomkraft zusammenzubringen: Wenn sie 2023 ihr 900-jähriges Bestehen feiert, ist eine der Nullen im Logo eine Blüte samt Schmetterling. Die andere ein Atomsymbol. "Wir haben davon profitiert und stehen dazu", sagt Winkler.
"Aber wir wollen auch das Image als Atomdorf abschütteln." Es gebe zum Beispiel eine Bürger-Energiegenossenschaft und Freiflächen-Photovoltaik. "Vielleicht kommt irgendwann mal eine Windkraftanlage dazu."
"Ich könnte mich jeden Tag über die grüne Politik aufregen", sagt Edgar Raugust beim Neckarwestheimer Stammtisch bei Kassler und Kartoffelbrei. Die koste "Volksvermögen". Auch sein ehemaliger Kollege Klaus Schell kann die Entscheidung zum Ausstieg nicht nachvollziehen: "Ich sehe das mit Wehmut und Unverständnis."
Titelfoto: Bildmontage: Bernd Weißbrod/dpa, Ferdinando Iannone/dpa,