Sachsen-Anhalt will das Hilfesystem für Frauen von häuslicher Gewalt überarbeiten!
Magdeburg - Für Frauen, die von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen sind, gibt es in Sachsen-Anhalt ein umfangreiches Beratungs- und Hilfesystem. Allerdings bestehen diverse Hürden, weswegen die Unterstützung nicht immer ankommt.
In einem Antrag, den die Linksfraktion in dieser Woche in den Landtag einbringt, wird kritisiert, dass der Zugang zum Hilfesystem nicht barriere- und kostenfrei ist und bestimmte Personengruppen wenig bis gar keine Berücksichtigung finden. Die Landesregierung betont, sie arbeite an Veränderungen.
Fraktionschefin Eva von Angern (46, Die Linke) kritisiert etwa den Eigenanteil, der teils für die Unterbringung in Frauenschutzhäusern fällig wird, wenn die Frauen nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Die Tagessätze seien je nach Träger unterschiedlich.
Von Angern berichtete von einem Beispiel im Burgenlandkreis, wo 15 Euro für die Frau und 5 Euro für jedes Kind pro Tag gezahlt werden müssen.
Das sei unter Umständen eine so große Hürde für Frauen, dass sie zu ihren gewalttätigen Ehemännern zurückkehrten. "Das ist natürlich eine Katastrophe".
Koalition kündigt Aktionsplan an
Das SPD-geführte Sozialministerium erklärte auf Nachfrage:
"Die Schutz- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre mitbetroffenen Kinder müssen niedrigschwellig sein. Hierzu gehört auch, dass die Inanspruchnahme der Angebote nicht an finanzielle Hürden gekoppelt werden darf. Daher hat auch das Land Sachsen-Anhalt ein großes Interesse, diesen Eigenanteil zukünftig abzuschaffen."
Die Umsetzungsmöglichkeiten würden geprüft.
Im Koalitionsvertrag haben CDU, SPD und FDP einen Aktionsplan angekündigt, in dem es insbesondere um den barrierefreien Zugang zum Hilfesystem sowie um Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderungen gehen soll.
Die Linke fordert, dass die Landesregierung den Plan zügig erstellen und präsentieren soll. Zudem müssten eigenständige Angebote für Kinder und Jugendliche geschaffen werden, die von Gewalt betroffen oder mitbetroffen seien. Das Hilfesystem müsse besser finanziell ausgestattet werden.
Sachsen-Anhalt plant Verbesserung für den barrierefreien Zugang zum Hilfesystem
Laut Sozialministerium wird derzeit die Kabinettsbefassung zum Aktionsplan "Progress Umsetzung der Istanbul-Konvention in Sachsen-Anhalt" vorbereitet.
Es seien Stellungnahmen der Akteure des landesweiten Netzwerkes für ein Leben ohne Gewalt, Studien sowie Bestandsaufnahmen zugrunde gelegt. Ziel sei, das Hilfesystem so zu gestalten, dass es genau jene Leistungen biete, die von Gewalt betroffene Frauen und Kinder benötigen.
"Sachsen-Anhalt wird die Zugangsmöglichkeiten für spezifische Zielgruppen zum Hilfesystem verbessern", so das Sozialministerium.
Es gehe etwa darum, die Frauen besser über die Möglichkeiten zu informieren - und zwar unabhängig davon, wo sie sich befinden, woher sie kommen oder welche möglichen Beeinträchtigungen sie haben.
Für jede Frau sollten Lösungen gefunden werden. Das Land unterstütze weiterhin Dolmetscherleistungen, dazu gehöre auch Gebärdensprache. Es sollten aber auch Info-Materialien überarbeitet werden.
Anzahl der von Partnerschaftsgewalt betroffenen Personen steigt
In Sachsen-Anhalt gibt es 19 Frauenhäuser mit insgesamt 117 Schutzplätzen. Im vergangenen Jahr nahmen sie 493 schutzsuchende Frauen und 609 Kinder auf, wie aus Zahlen des Landesverwaltungsamts hervorgeht.
Damit stieg insbesondere die Zahl der Kinder im Vergleich zum Vorjahr an; 2021 hatten 490 Frauen mit 580 Kindern Zuflucht gefunden.
Neben den Frauenhäusern gibt es spezielle Frauenberatungsstellen, Fachberatungsstellen für Betroffene sexualisierter Gewalt, Hilfsangebote für Frauen, die von Frauenhandel und Zwangsverheiratung betroffen sind und auch Täterberatung für Jungen und Männer.
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2022 in Sachsen-Anhalt rund 5100 Betroffene von Partnerschaftsgewalt beziehungsweise Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Das waren 543 mehr als ein Jahr zuvor. Dabei handelt es sich um das sogenannte Hellfeld.
Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt und die Beratungs- und Hilfseinrichtungen gehen von einem erheblich größeren Dunkelfeld nicht erfasster Fälle aus.
Titelfoto: Maurizio Gambarini/dpa