Zehntausende demonstrieren in Georgien: Doch warum eigentlich?
Tiflis - Seit Tagen sind immer wieder Bilder in den Nachrichten zu sehen, die Zehntausende Menschen bei Protesten auf den Straßen Georgiens zeigen. Während die Bevölkerung sich um ihre Zukunft innerhalb Europas fürchtet, sind westliche Politiker besorgt. Doch was ist der Auslöser für die Massendemonstrationen?
Schuld ist eine Initiative der georgischen Regierung. Die will ein neues Gesetz erlassen, das ihrer Aussage nach den Einfluss des Auslands auf die Zivilgesellschaft beschränken soll. Der offiziellen Begründung nach sei der besonders über sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu groß.
Die erhalten in der Tat mehr als 20 Prozent ihrer Gelder von jenseits der Grenze und setzen es in Georgien für Projekte zu Demokratieförderung, Medien, Soziales, Umwelt und Wirtschaft ein. "Ich glaube, dass die Investitionen der EU, der USA und anderer Geber in die Zivilgesellschaft sehr sinnvoll gewesen sind", sagt Stephan Malerius, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiflis.
Finden auch die Kritiker des Gesetzes, die hinter den Plänen der Regierung ein ganz anderes Motiv befürchten. Sie haben Angst, dass es eigentlich nur darum gehe, die NGOs mundtot zu machen und diese von der westlichen Finanzierung abzuschneiden.
Doch wer könnte daran Interesse haben? Russland! Schon lange möchte sich Georgien vom Einfluss seines Nachbarn lösen, hat den Beitritt in NATO und EU fest in der Verfassung verankert. Das dürfte Putin und Co. allerdings so gar nicht gefallen.
"Russisches Gesetz" sorgt international für Besorgnis
In der Tat ist Moskau auch eines der wenigen Länder, dass das "russische Gesetz" (so wird es im Volksmund bereits genannt) verteidigt. "Kein souveräner Staat möchte die Einmischung anderer Länder in seine Innenpolitik", so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (56).
Fest steht, dass das Gesetz dem Weg Georgiens in Richtung Westen massiv erschweren könnte. "Georgien ist an einem Scheideweg. Es sollte seinen Kurs nach Europa fortsetzen", so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (65, CDU).
Neben von der Leyen zeigen sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (43, Grüne) und elf andere EU-Amtskollegen besorgt. In einem gemeinsamen Brief an EU-Chefdiplomaten Josep Borrell (77) baten sie ihn jetzt, umgehend über drohende Auswirkungen zu informieren.
"Das Gesetz sei mit den Fortschritten Georgiens auf seinem Weg in die EU unvereinbar. "Dieses vorgeschlagene Gesetz ist ein weiteres Anzeichen für einen besorgniserregenden Rückschritt in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte in Georgien."
Update 14.52 Uhr: Trotz aller Proteste stimmte das Parlament am Dienstag für das neue Gesetz.
Titelfoto: dpa/Zurab Tsertsvadze