Was machen Bundestags-Abgeordnete eigentlich den ganzen Tag für ihr Geld?
Berlin - Was machen Bundestags-Abgeordnete eigentlich, wenn sie nicht im Plenarsaal sitzen? Diese Frage haben sich sicherlich viele von Euch schon einmal gestellt. Wir haben den Dresdner CDU-Abgeordneten Markus Reichel (53) einen Tag lang durch die schier endlosen Gänge des Parlamentskomplexes begleitet. So viel soll verraten sein: Am Abend haben die Schrittzähler geglüht, die Köpfe geraucht und die gar nicht mal so hochwertig gesättigte Mägen zwischen den Kniekehlen gehangen.
Der Start in den Tag
Wir treffen den Abgeordneten Markus Reichel um 11 Uhr in seinem Büro. Wir sind längst nicht sein erster Termin an diesem Montag. Frühmorgens bestieg er in seinem "Lebensmittelpunkt" Dresden den Zug, um bereits um 9 Uhr an einem Expertengespräch zur Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen teilzunehmen.
Nach einem kurzen Interview heften wir uns an die Fersen von Reichel, dessen Tag heute erst weit nach 19 Uhr enden soll.
Diese rappel vollen Tage sind keine Seltenheit. Reichel betrachtet Berlin deshalb vor allem als Arbeitsort und möchte sich hier keine Wohnung nehmen. Die wenigen freien Stunden, bis es am Freitagabend wieder heim geht, verbringt er beim Sport oder im Hotel.
Abgeordneter sein heißt Chef sein
Um die zahlreichen Termine, Sitzungen und Anfragen koordinieren zu können, unterhält jeder Abgeordnete ein Büro mit mehreren Angestellten - er wird mit seiner Wahl also automatisch zum Chef. Eine Herausforderung, zumal es auch in Dresden noch ein Team zu leiten gibt. Aber: "Ich kann heute sagen, dass ich inzwischen fest im Sattel sitze."
Immerhin muss Reichel seine Mitarbeiter, mit denen er heute die wichtigen Themen der Woche bespricht, nicht aus eigener Tasche bezahlen. Wie auch bei seinen 735 anderen Parlamentskollegen steht ihm hierfür ein festes Budget von 23.205 Euro zur Verfügung, um das sich die Bundestagsverwaltung kümmert.
Im Ausschuss kommt es auf die Expertise an
Auch wenn an diesem Tag für Reichel keine Bundestagssitzung auf dem Programm steht, sind die Abgeordneten keinesfalls untätig. Innerhalb des Parlaments teilen sie sich auf die verschiedensten Ausschüsse auf.
Bestenfalls kommen hier die Stärken jedes Einzelnen zum Tragen. "Ich möchte vor allem meine Wirtschaftsexpertise einbringen", sagt Reichel, der es in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie Digitales geschafft hat.
Heute steht eine Anhörung zur "Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in deutsches Recht" auf dem Plan. Jeder Abgeordnete hat darin sechs Minuten Zeit, um die geladenen Experten zu befragen.
Die sind zu großen Teilen von zu Hause zugeschaltet, sitzen in ihrer Küche oder im Wohnzimmer. Das mindert den professionellen Anstrich der Veranstaltung mindestens genauso wie die technischen Probleme, die immer wieder auftreten.
Von Termin zu Termin, das kann dauern!
Um zu wenig Bewegung zwischen seinen Terminen muss sich Reichel auch an diesem Montag keine Sorgen machen. Schon der Bundestagskomplex allein ist unfassbar weitläufig.
Ein ganzes Labyrinth von Tunneln und Brücken verbindet die verschiedenen Gebäude teils über Flughafen ähnlichen Laufbändern miteinander. Zum Genießen der imposanten Architektur und des tollen Ausblicks bleibt da nur wenig Zeit.
Und trotzdem geht Reichel auch gern mal zu seinen anderen Terminen zu Fuß, "sofern ich mir das einrichten kann. Berlin ist zwar keine schöne, aber eine in sich interessante Stadt."
Gegessen wird dann, wenn es nicht passt
Auch ein Bundestagsabgeordneter hat mal Hunger. Den zu stillen, ist aber gar nicht so einfach. Wer im Bundestagskomplex eine hochwertige Essensversorgung erwartet, sieht sich getäuscht.
Als es Reichel um 14.45 Uhr endlich mal schafft, sich 15 Minuten zum Essen freizuschaufeln, hat die schönste Kantine, der sogenannte "Lampenladen", schon lange zu. Im angrenzenden Imbiss gibt es immerhin noch Linsensuppe und pappige Brötchen, garniert mit gewohnter preußischer Freundlichkeit. Guten Appetit...
Im Plenum greift Reichel zum Stift
Lediglich einen Bruchteil seines Daseins als Abgeordneter verbringt Markus Reichel im Plenum, dem sicher bekanntesten Motiv des Hauses. Heute betritt er es nur, weil wir mit ihm einige Sequenzen für unsere Dokumentation aufzeichnen, die im Laufe des Tages auf dem TAG24-Instagram-Kanal erscheinen wird.
Wenn das Parlament zusammenkommt, sitzt Reichel als Neuling aber nicht nur in der letzten Reihe. Er ist einer von insgesamt 66 Schriftführern, die abwechselnd mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (54, SPD) den Sitzungsvorstand bilden, Anträge und Wortmeldungen entgegennehmen, Schriftstücke verlesen, Rednerlisten führen oder Ergebnisse von Abstimmungen feststellen.
Abschied, aber noch lange kein Feierabend
Am Nachmittag ist es Zeit, Abschied von Markus Reichel zu nehmen. Nach mehreren gemeinsamen Stunden verabschiedet er sich in das weite Gewirr seines Abgeordnetenhauses. Zwei interne Termine mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stehen noch an. Morgen geht es dann bereits um 8 Uhr wieder los.
Mehr über Markus Reichel erfahrt Ihr im heute auf TAG24 veröffentlichten Interview mit ihm.
Titelfoto: Paul Hoffmann