Steinmeier löst Bundestag auf und setzt Neuwahl an
Berlin - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (68) hat den Bundestag aufgelöst und die Neuwahl für den 23. Februar kommenden Jahres angesetzt.
Er reagierte damit auf das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition im November und die verlorene Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag kurz vor Weihnachten.
Politische Stabilität sei in Deutschland ein hohes Gut, die Auflösung des Bundestages vor dem Ende der Legislaturperiode und vorgezogene Neuwahlen seien der Ausnahmefall, sagte Steinmeier im Schloss Bellevue. "Aber gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt braucht es für Stabilität eine handlungsfähige Regierung und verlässliche Mehrheiten im Parlament."
"Die jetzige Regierung verfügt ausweislich der Abstimmung über die Vertrauensfrage über keine Mehrheit mehr, aber auch für eine anders zusammengesetzte Regierung habe ich in den Gesprächen keine Mehrheiten erkennen können. Deshalb bin ich überzeugt, dass zum Wohle unseres Landes Neuwahlen jetzt der richtige Weg sind", sagte Steinmeier.
Das Grundgesetz habe für diese Situation Vorkehrungen getroffen. Der Bundestag arbeite weiter bis sich ein neuer Bundestag konstituiert habe. "Unsere Demokratie funktioniert, auch in Zeiten des Übergangs."
Steinmeier: "Problemlösen muss wieder Kerngeschäft der Politik werden""
Steinmeier wies auf die lange Auseinandersetzung über das Ob und Wie einer Neuwahl und auf den nun bevorstehenden Wahlkampf hin. Anschließend werde es an der Zeit sein, "dass das Problemlösen wieder zum Kerngeschäft von Politik wird". Dies erwarteten die Menschen. Sie erwarteten tragfähige Vorschläge für eine gute Zukunft und für ein Land, das sich in schwieriger Zeit behaupten könne. Steinmeier sagte, er glaube, die Menschen verstünden, dass auch schmerzhafte Wahrheiten dazugehörten.
Die nächste Bundesregierung habe große Aufgaben vor sich, sagte Steinmeier. "Deshalb muss es in den kommenden Wochen um die besten Lösungen gehen für Herausforderungen unserer Zeit." Er nannte die wirtschaftlich unsichere Lage, die Unternehmen in Schwierigkeiten bringe und Arbeitsplätze gefährde, die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine mit ihren Auswirkungen auch in Deutschland, die drängenden Fragen der Steuerung von Zuwanderung und Integration, den Klimawandel sowie das friedliche und sichere Zusammenleben in unserem Land.
Die Debatte über die besten Lösungen könne natürlich auch mit Zuspitzungen und Schärfe geführt werden, gerade im Wahlkampf. "Das verträgt unsere freiheitliche Demokratie oder mehr noch, sie braucht den Wettstreit der Ideen", sagte Steinmeier. "Aber ich erwarte, dass dieser Wettstreit mit Respekt und mit Anstand geführt wird – schon allein deshalb, weil nach der Wahl die Kunst des Kompromisses gefragt sein wird, um eine stabile Regierung zu bilden."
Er wandte sich gegen Einflussversuche von außen. Auch dürfe im Wahlkampf Gewalt und nichts, was sie vorbereite, keinen Platz haben. "Verunglimpfung, Einschüchterung, Gewalt – all das ist Gift für die Demokratie. All das beschädigt unsere Demokratie. Wir müssen Gewalt ächten! Das erwarte ich von allen, die sich um Verantwortung bewerben."
Originalartikel von 11.11 Uhr, zuletzt aktualisiert um 11.22 Uhr.
Titelfoto: Carsten Koall/dpa