Die Tierschutzpartei im Interview: "Wir sind grüner als die Grünen"

Berlin - Nachdem wir Euch mit unserem Politik-Special BundesTAG24 in den vergangenen Wochen die großen Parteien und deren Spitzenpolitiker näher vorgestellt haben, kommen nun die Kleinparteien dran. Häufig sieht man deren Wahlplakate auf der Straße hängen, weiß aber gar nicht so recht, wofür diese stehen. Heute im Interview: Dr. Marcel Krohn von der Tierschutzpartei.

Die Heilpraktikerin und Hamburger Landesvorsitzende Franzisca Heiss auf einem Wahlplakat der Tierschutzpartei.
Die Heilpraktikerin und Hamburger Landesvorsitzende Franzisca Heiss auf einem Wahlplakat der Tierschutzpartei.  © IMAGO/Hanno Bode

TAG24: Geben Sie unseren Lesern doch mal einen kurzen Überblick: Was genau ist die Tierschutzpartei?

Dr. Marcel Krohn: Die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ - Tierschutzpartei wurde 1993 gegründet mit dem klaren Ziel, Tierrechte in die Parlamente zu bringen. Nach beinahe 30 Jahren hält unsere Partei in jedem politischen Themenfeld Antworten bereit. Sie versteht sich als sozial-progressive, pazifistische Partei mit einem klaren Bekenntnis zu Europa. Tierrechte stehen nach wie vor ganz oben auf der Agenda. Eng damit verbunden und von großer Dringlichkeit ist der Klimaschutz.

TAG24: In Ihrem Wahlprogramm fordern Sie ein neues Tierschutzministerium. Nehmen wir mal an, es würde gegründet werden ... Was wären dessen erste und dringlichste Aufgaben?

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Krohn: Obwohl Tierschutz im Grundgesetz verankert ist, leiden Hunderte Millionen Tiere und werden nach wie vor wie Sachen behandelt anstatt wie fühlende und zu Intelligenz befähigte Wesen. Oft fehlt es an den entsprechenden Gesetzen, noch öfter am Willen oder an der personellen Ausstattung, diese Gesetze auch zu kontrollieren. Und auch in puncto Artenschutz sind einschneidende Maßnahmen mit entsprechenden Gesetzesinitiativen nötig.

Konkrete Sofortmaßnahmen wären:

  • Kastenstand, Anbindehaltung, lange Tiertransporte, Tötung männlicher Küken, Amputationen und sämtliche andere dem grundgesetzlich verankerten Tierschutz zuwiderlaufende Praktiken sind sofort und ausnahmslos zu verbieten.
  • Bestandsobergrenzen einführen, die Massentierhaltung verbieten, indem jegliche aktuell nach Immissionschutzrecht zu genehmigende Tierhaltungsanlagen nicht mehr genehmigungsfähig sind und eine Flächenbindung von 1,5 sogenannter "Großvieheinheiten" pro Hektar gilt.
  • Umsatzsteuerreduzierung für pflanzliche Lebensmittel auf 4 Prozent und für ökologisch angebaute sowie regional/fair produzierte, pflanzliche Lebensmittel auf 2 Prozent, Finanzierung über Erhöhung der Umsatzsteuer für Fleischprodukte.
  • Landwirte, die auf pflanzliche Landwirtschaft umsteigen, müssen sich auf die Unterstützung unserer Gesellschaft verlassen können. Und wer mehr ökologische Maßnahmen als gesetzlich vorgesehen einhält, muss ganz besonders unterstützt werden.
  • Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen zusammen mit der EU einen verbindlichen Ausstiegsplan aus der aktuell bestehenden unethischen und klimaschädlichen Tierhaltung vorlegen, insbesondere auch, damit Artensterben, Regenwaldrodung, Pandemierisiken, Boden- und Gewässerschäden endlich gestoppt werden.

Tierschutzpartei will bedingungsloses Grundeinkommen, mehr Geld für Kultur und ein liberales Asylrecht

Die Tierschutzpartei hat sich auch nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum zum Ziel gesetzt.
Die Tierschutzpartei hat sich auch nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum zum Ziel gesetzt.  © dpa/Carsten Koall

TAG24: Auf einem Ihrer Wahlplakate steht: "Tierschutz schützt vor Pandemien". Das müssen Sie uns näher erklären ...

Krohn: Fast 70 Prozent aller Infektionskrankheiten beim Menschen stammen ursprünglich von Tieren, unter anderem auch Corona. Insbesondere bergen die durch Massentierhaltung und Antibiotikaeinsatz hervorgebrachten multiresistenten Erreger große Gefahren. Aber auch durch den Verzehr von Wildtierfleisch können gefährliche Erreger übertragen werden.

TAG24: Für welche Themen setzt sich die Partei neben dem Tierschutz noch ein? Was würde sich mit Ihnen im Bundestag ändern?

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Krohn: Klima- und Umweltschutz stehen bei uns ganz oben – wir sind grüner als die Grünen! Wir stehen darüber hinaus für den gesteuerten Umbau der Arbeitsgesellschaft (perspektivisch unter Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens), für die Herstellung größtmöglicher Chancengleichheit, für bessere Bildung mit individueller Förderung von Stärken, für schnelleren digitalen Ausbau, für stärkere Förderung der Kultur, für mehr internationale Solidarität und für ein liberales Asylrecht.

TAG24: Apropos Bundestag: Warum lohnt es sich eigentlich, Parteien zu wählen, die den Sprung in selbigen wahrscheinlich nicht schaffen werden?

Krohn: Es lohnt sich, weil ein klares Zeichen gesetzt werden kann, das uns in unserer (noch außerparlamentarischen) Arbeit stärkt, gleichzeitig für die Grünen beispielsweise ein Warnhinweis ist, dass viele Menschen eine ambitioniertere Politik erwarten. Außerdem: Wenn wir dieses Mal 3 oder 4 Prozent erhalten, dann wird in vier Jahren niemand mehr sagen: "Die schaffen es sowieso nicht".

Tierschutzpartei: "Tierschutz schützt vor Pandemien"

Fünf-Prozent-Hürde sollte abgeschafft werden, meint die Tierschutzpartei

TAG24: Halten Sie die Fünf-Prozent-Hürde eigentlich noch für sinnvoll oder ist sie ein Relikt vergangener Tage?

Krohn: Historisch ist die Fünf-Prozent-Hürde verständlich. In unserer demokratischen Gesellschaft sollten wir sie aber abschaffen.

TAG24: Könnten die kleinen Parteien nicht auch in einer Fraktion der "Sonstigen" aufgehen?

Krohn: Fraktionsbildungen machen nur dort Sinn, wo es inhaltliche Überschneidungen gibt. Das ist nicht automatisch mit anderen kleinen Parteien gegeben.

TAG24: Wer wird eigentlich das Rennen ums Kanzleramt gewinnen? Gibt es bei der Tierschutzpartei Präferenzen, wie die nächste Bundesregierung aussehen sollte?

Krohn: Wir würden eine Regierung unter Beteiligung der Grünen und der Linken präferieren, geben uns aber nicht der Illusion hin, dass damit die wirklich dringlichen Probleme in entschiedener Weise angegangen werden.

Das Wahlprogramm der Partei in der Übersicht.
Das Wahlprogramm der Partei in der Übersicht.  © PR/Tierschutzpartei

TAG24: Zum Abschluss: Die SPD ist rot, die Grünen sind grün, die FDP ist gelb. Doch wie ist die Tierschutzpartei eigentlich zu ihrer Farbe gekommen?

Krohn: Wie alle anderen Parteien auch suchten wir nach einem Alleinstellungsmerkmal. Dieses fanden wir in dem Petrol-Ton. Daneben stehen seit Anbeginn die Farben des Regenbogens für unsere Partei.

Was im Wahlprogramm der Tierschutzpartei steht, lest Ihr in unserer Übersicht von fünf Kleinparteien. Interviews und Wahlprogramme der etablierten Parteien findet Ihr auf der Seite unseres Specials BundesTAG24.

Titelfoto: Montage: dpa/Carsten Koall, IMAGO/Hanno Bode

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