Von Michael Fischer
Berlin - Es ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar: Unter Berufung auf Artikel 68 des Grundgesetzes wird Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) die Abgeordneten am heutigen Montag im Parlament auffordern, ihm das Vertrauen auszusprechen - um das Gegenteil zu erreichen.
Warum macht Scholz das?
Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.
Wie läuft die Bundestagssitzung ab?
Ab 11 Uhr kommen im Bundestag zunächst die Fraktionen separat zusammen, um sich auf die Abstimmung vorzubereiten. Um 13 Uhr beginnt die Plenarsitzung. Scholz wird seine Beweggründe für die Vertrauensfrage in einer etwa 25-minütigen Rede begründen. Es schließt sich eine zweistündige Aussprache an, in der Abgeordnete aller acht im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kommen werden. Anschließend wird namentlich abgestimmt.
Ist sicher, dass Scholz keine Mehrheit bekommt?
Das gilt als sicher. Dem Bundestag gehören 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Scholz 367 Stimmen erhalten - die absolute Mehrheit aller Parlamentarier, auch "Kanzlermehrheit" genannt. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will dem Kanzler zwar das Vertrauen aussprechen.
Die Grünen-Fraktionsspitze hat ihren 117 Parlamentariern aber eine Enthaltung empfohlen.
Was steckt hinter dieser Entscheidung?
Die Grünen wollen damit ausschließen, dass die AfD die Neuwahl-Pläne der Koalition durchkreuzt. Würden die Grünen für Scholz stimmen, wären das zusammen schon 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die Kanzlermehrheit. Dann hätte die AfD mit ihren 76 Abgeordneten Scholz rein rechnerisch zu einer Mehrheit verhelfen können. Das gilt mit der Entscheidung der Grünen aber nun als ausgeschlossen.
Was ist mit den anderen Oppositionsfraktionen?
Es ist davon auszugehen, dass sie geschlossen oder fast geschlossen gegen Scholz stimmen. Es kann zwar immer einzelne Abweichler geben. Es hat sich aber noch niemand zu Wort gemeldet. Und in Wahlkampfzeiten wären Stimmen für die politische Konkurrenz in einer solch wichtigen Abstimmung auch eher ungewöhnlich.
Was wäre, wenn Scholz eine Mehrheit bekommt?
Darüber spekuliert derzeit niemand. Theoretisch könnte Scholz mit seiner Minderheitsregierung dann aber einfach bis zum eigentlich vorgesehenen Wahltermin am 28. September 2025 weiterregieren. Oder er stellt die Vertrauensfrage ein weiteres Mal, in der Hoffnung auf ein anderes Abstimmungsverhalten.
Wie geht es weiter, wenn Scholz wie erwartet keine Mehrheit bekommt?
Dann ist der Bundespräsident am Zug. Scholz wird Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen, wozu der dann drei Wochen Zeit hat. Wenn der Bundespräsident sich dafür entscheidet, muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
SPD, Grüne und die Union als größte Oppositionsfraktion haben sich auf den 23. Februar als Wahltermin verständigt.